Anerkennung ist der einzige Weg – schafft dem Kosovo endlich begründete Aussicht auf die EU-Mitgliedschaft

Bundesausschuss, 09.12.2023

Anerkennung ist der einzige Weg – schafft dem Kosovo endlich begründete Aussicht auf die EU-Mitgliedschaft

Beschluss im Wortlaut:

Einleitung

Die EU ist ein einzigartiges politisches Projekt, das auf den Prinzipien der Demokratie, des Friedens und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit basiert. Die EU arbeitet nicht nur jeden Tag aufs Neue an der Erhaltung des Friedens auf dem europäischen Kontinent, sondern fördert auch Wohlstand und Stabilität. Auf dem Weg zum europäischen Bundesstaat bietet die Erweiterung der EU die Möglichkeit, die Stärken der EU weiter auszubauen und die Ideale, auf denen sie gegründet wurde, in immer weitere Teile Europas zu tragen.

Der Kosovo, der im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt hat, hat seitdem beträchtliche Fortschritte in Richtung Demokratie und Stabilität gemacht. Das Land hat eine demokratische Regierung gewählt, Reformen im Justiz- und Bildungswesen durchgeführt und wichtige Schritte zur Förderung der Versöhnung in der Region unternommen. Es ist an der Zeit, dass die EU diese Bemühungen anerkennt und den Kosovo, ohne dabei eine nachhaltige Konfliktlösung mit Serbien außer Acht zu lassen, als potenzielles EU-Mitglied betrachtet. Als letzter der Westbalkanstaaten hat der Kosovo im Dezember 2022 offiziell den Antrag auf einen EU-Beitritt gestellt. Seither wurde dem Land der Kandidatenstatus nicht verliehen. Dennoch sind wichtige Schritte zur Annäherung vorgenommen worden.

Die Aufnahme des Kosovos in die EU würde nicht nur dazu beitragen, die politische und wirtschaftliche Stabilität in der Region zu fördern, sondern auch die europäischen Werte in einem Land verankern. Im Falle Kosovos ist eine vollständige EU-Mitgliedschaft allerdings erst nach einer Einigung mit Serbien möglich, da sonst nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Spannungen tatsächlich in der Region aufhören würden.

Aufbauend auf den Beschlüssen zur EU-Erweiterungspolitik sowie zur Beitrittsperspektive des Westbalkans fordern wir dabei die Berücksichtigung der folgenden Eckpunkte:

  1. Anerkennung des Kosovo durch die gesamte EU

Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo hat sich innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten keine einheitliche Position zur staatlichen Anerkennung der ehemaligen serbischen Provinz durchsetzen können. Während 22 der 27 EU- Mitgliedstaaten den Kosovo als eigenständigen Staat anerkennen und einige dieser bereits eine Botschaft in Prishtina eingerichtet haben, verweigern bis heute Spanien, Slowakei, Griechenland, Rumänien und Zypern die Anerkennung der Staatlichkeit. Während die Motive dieser Haltung zumeist in der Vermeidung von Sezessionsbestrebungen in den jeweiligen Staaten zu suchen sind, versperrt diese Uneinheitlichkeit innerhalb der Union in plakativer Weise die Bemühungen, eine Friedensordnung auf dem Westbalkan mitsamt dem Kosovo zu etablieren sowie die Gesamtintegration der Region in die EU. Auch die verbleibenden Verweigerer der Anerkennung in der EU sollten ihre Haltung zugunsten einer Anerkennung der Staatlichkeit des Kosovos ändern. In der staatlichen Verfasstheit der jeweiligen Länder begründete Argumente, die dem entgegenstehen mögen, dürfen die Interessen der EU in dieser für die Weiterentwicklung der EU so fundamentalen Region nicht behindern. Die EU sollte in diesem Zuge auch für die Aufnahme des Kosovo in weitere internationale Organisationen werben.

  1. Offizieller Beitrittsstatus

Trotz Antragsstellung wurde dem Kosovo der offizielle Kanditatenstatus bisher nicht verliehen. Nachdem Bosnien und Herzegowina Ende 2022 als letzter übriger Staat der Region diesen Status bereits erhielt, sollte trotz der widrigen geopolitischen Umstände Kosovo ebenfalls offizieller Beitrittskandidat werden. Der Westbalkan kann nur mit dem Kosovo eine realistische Beitrittsperspektive der Gesamtregion entwickeln. Die Region ist naturräumlich, wirtschaftlich sowie ethnisch derart verwoben, dass zumindest in der Langfristperspektive eine Aufnahme nur einiger Staaten der Region nicht realistisch ist, bzw. zu neuen politischen Problemen führen würde. Ein Kandidatenstatus Kosovos würde diesen Weg vorzeichnen und den Westbalkan als Gesamtregion würdigen. Auch die politische Frage zwischen Serbien und Kosovo steht einem solchen Vorgehen nicht im Wege, vielmehr kann und sollte diese insbesondere mit einem Kandidatenstatus beider Staaten gelöst werden. Auch dass die Ukraine sowie Moldau – berechtigterweise, jedoch verhältnismäßig schnell – den Kandidatenstatus verliehen bekamen, spricht für eine Schaffung klarer Verhältnisse auf dem Westbalkan mit Berücksichtigung des Kosovo. So steht doch der aktuelle geopolitische Konflikt um den Kosovo verglichen mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine schwerlich in einem Verhältnis, was das Ausmaß an kriegerischen Auseinandersetzungen und gesellschaftlichen Verwerfungen angeht. Dennoch müssen bei den Beitrittsverhandlungen die Kopenhagener Kritierien für jeden gleich gelten, um das Risiko neuer Frustration auf dem Westbalkan möglichst gering zu halten. Wir fordern den Kandidatenstatus für alle Länder des Westbalkans einschließlich Kosovos, ein eng abgestimmtes Vorgehen des Beitrittsprozesses in der Region sowie die Lösung der weiterhin bestehenden Konflikte der Region innerhalb dieses Status.

  1. Visaerleichterungen

In diesem Zusammenhang begrüßen wir den wichtigen Schritt der Unterzeichnung des Visaübereinkommens aus April 2023, das sowohl Kosovar:innen als auch EU- Bürger:innen das Reisen erheblich erleichtern wird und zu einer Angleichung des Visaregimes in der Westbalkanregion führt.

  1. Wirtschaftliche Integration

Der Kosovo ist das ärmste Land der Region. Durch das Instrument for Pre- Accession Assistance (IPA) unterstützt die EU bereits seit 2014 die wirtschaftliche Entwicklung im Kosovo. Durch diese Unterstützungspakete sowie eine engere Anknüpfung des im Rahmen des Berliner Prozess geschaffenen sogenannten “Gemeinsamen Regionalen Marktes” an den EU-Beitrittsprozess kann die ökonomische Integration des Kosovo gelingen. Ein besonderer Fokus auf nachhaltige Energiepolitik ist hier empfehlenswert. Auch vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine oder auch der wachsenden chinesischen Wirtschaftsinteressen in der Region ist eine enge wirtschaftliche Kooperation zwischen der EU und dem Kosovo unabdingbar.

  1. Friedensprozess

Die Basis für den Beitritt des Kosovos ist der Frieden und die Normalisierung der Beziehungen zu Serbien. Dementsprechend sollte die EU ihre Vermittlerrolle im Friedensprozess noch weiter verstärken. Die bisherigen Bemühungen und die Aushandlungen eines Grundlagenabkommens, auf welches sich der Kosovo und Serbien im Frühjahr 2023 einigen konnten, stellen einen Erfolg dar. Damit wurde ein bedeutender Schritt in Richtung Normalisierung getan. An diesen muss die EU anknüpfen und ihre Rolle als Friedensvermittlerin wahrnehmen und auf beide Länder diplomatischen Druck ausüben, damit die mühsam ausgehandelten Erfolge aus dem Abkommen implementiert werden. Eine Situation wie Ende Mai 2023, bei der es zu gewaltsamen Ausschreitungen, ausgehend von militanten Serben, kam, die unter anderem die Verwundung von 30 KFOR-Soldaten zur Folge hatten, muss unbedingt vermieden werden.

Auch begrüßen wir weitere diplomatische Errungenschaften wie die Vermittlung von vertrauensbildenden Maßnahmen für die Zusammenarbeit bei der Vermisstensuche. Darüber hinaus sollte sich die EU bemühen, auch bei weiteren solcher Maßnahmen zu unterstützen z.B. vermehrte Gefangenenaustausche zur Annäherung und Schaffung von Vertrauen.

  1. Rechtsstaatlichkeit

Seit 2011 soll die EULEX Rechtsstaatsmission dabei helfen, das Polizei-, Justiz- und Zollwesen im Kosovo aufzubauen. Das Exekutivmandat ist 2018 ausgelaufen und es kam zu einer Funktionsänderung, sodass Richter:innen und Staatsanwält:innen vor Ort nicht mehr ersetzt werden, sondern nur noch sehr begrenzte Exekutivbefugnisse haben und ansonsten unterstützen und beaufsichtigen. Dieses Mandat wurde bis 2025 verlängert. Wir begrüßen die Verlängerung des Mandats und fordern, dass das Rechtstaatslichkeitsprogramm in Zukunft so gestaltet wird, dass es effektiv dazu beiträgt, die Korruption im Land zu bekämpfen und die Rechsststaatlichkeitsmechanismen zu verbessern, während die Souveränität des Landes respektiert wird. Die Übernahme exekutiver Aufgaben wäre unter Berücksichtigung der bestehenden Institutionen nicht mehr angemessen. Vielmehr muss der Kosovo als unabhängiges Rechtssystem respektiert werden. Gleichzeitig muss der Kosovo seinen Verpflichtungen bei der Korruptionsbekämpfung nachkommen, um die Funktion der rechtsstaatlichen Systeme zu garantieren.

  1. Kontext 

In Bezug auf die konkreten Forderungen zum Kosovo sollte auch berücksichtigt werden, dass ein gemeinsamer, gleichzeitig voranschreitender Beitrittsprozess aller Westbalkanstaaten forciert werden sollte, um die Verständigung und Zusammenarbeit in der Region zu garantieren.

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Europa im Visier hybrider Kriegsführung

Bundesausschuss, 09.12.2023

Europa im Visier hybrider Kriegsführung

Beschluss im Wortlaut:

Einleitung

Spätestens seit dem 24.02.2022 befindet sich Europa in einer außerordentlichen sicherheitspolitischen Lage. Die europäischen Staaten müssen weiterhin alles in ihrer Macht stehende tun, um die Ukraine dabei zu unterstützen, sich gegen den völkerrechtswidrigen und brutalen Angriffskrieg Russlands zu verteidigen.

Die militärischen und nichtmilitärischen Maßnahmen, die die russische Regierung seit mehreren Jahren einsetzt, sind passende Beispiele für die Gefahren hybrider Kriegsführung. Lange vor der militärischen Eskalation hat Russland sowohl in der Ukraine, als auch weltweit nichtmilitärische Methoden verwendet, um Staaten und Gesellschaften zum eigenen Vorteil zu destabilisieren. Besonders verwundbar gegenüber nichtmilitärischen Maßnahmen sind, aufgrund ihrer Offenheit, liberale Demokratien. Dabei ist die russische Regierung bei weitem nicht die einzige Staatsgewalt, die demokratische Werte nicht nur nicht teilt, sondern einen Schritt weitergeht und diese als Bedrohung ansieht. Deshalb ist Russland auch bei weitem nicht der einzige Akteur, wenn es darum geht, nichtmilitärische Maßnahmen einzusetzen, um demokratische Gesellschaften zu spalten. Die BRICS Staaten stehen beispielhaft für das wachsende Machtpotential von Staatensystemen, die die westlichen Werte nicht teilen.

Entscheidend ist, dass sich aufgrund der Globalisierung die Interdependenzen und Anfälligkeiten von Gesellschaften erhöht haben. Sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure können sich aufgrund gesunkener Transaktionskosten weit über den eigenen Herrschaftsbereich hinaus Einfluss verschaffen.

Im Falle der hybriden Kriegsführung handelt es sich um die aktive Kombination von Maßnahmen in verschiedenen Bereichen, die wiederum Kaskadeneffekte auslösen und sich im zeitlichen Verlauf anpassen können. Meist handelt es sich nicht um deutlich erkennbare Angriffe, die man genau zurückverfolgen kann. So können Staaten und Gesellschaften in einen dauerhaften Konflikt- oder Krisenzustand versetzt werden, was langfristig eine Spaltung der Gesellschaft und einen Vertrauensverlust in demokratische Institutionen zur Folge haben kann. In Europa ist seit Jahren eine verstärkte Polarisierung zu beobachten. Der Brexit, die Konflikte um Migration und Rechtsstaatlichkeit und der Aufstieg rechtsextremer Parteien sind nur einige Beispiele dafür. Hybride Kriegsführung ermöglicht Akteuren von außen, solche Konflikte anzuheizen und zu instrumentalisieren, ohne selbst vor Ort zu sein. Cyberattacken, Spionage, die Bildung wirtschaftlicher Dependenzen und die Verbreitung von Desinformation über soziale Netzwerke sind geeignete Beispiele. Insbesondere die Verbreitung falscher Informationen während der Corona-Pandemie und der Cambridge-Analytica- Skandal haben gezeigt, wie neuartige Technologien den Kampf zwischen Wahrheit und Viralität und das Verschwimmen zwischen Online und Offline Polarisierung antreiben können. Die weitreichenden Folgen und Wirkungen eines bloßen Hashtags sind heutzutage nicht mehr zu leugnen.

Hybride Kriegsführung schafft es, die größte Stärke liberaler Demokratien, die öffentliche Debatte, in eine Schwäche zu verwandeln. Die EU muss sehr akut darauf aufpassen, dass außenstehende Akteure es nicht schaffen, den demokratischen Diskurs innerhalb Europas in eine antidemokratische Richtung zu verschieben. Denn dann stünde nichts weniger als das gesamte Projekt der Europäischen Union auf dem Spiel.

Trotz aller berechtigten Kritik ist die EU jedoch das wirkungsvollste Mittel, um Frieden, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Europa zu sichern. Daher muss die EU dringend stärkere Maßnahmen ergreifen, um sich nachhaltig gegen hybride Formen der Kriegsführung verteidigen zu können. Aus diesen Gründen fordern wir:

  1. Weiterhin verstärkt die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU.

Das Einstimmigkeitsprinzip führt zu einer Verlangsamung bis hin zu einer potentiellen Blockade von Prozessen, was im Widerspruch zur steigenden Schnelligkeit von auftretenden und sich veränderten Bedrohungslagen steht. Das Tempo demokratischer Entscheidungsfindungsprozesse darf nicht dazu führen, dass, sobald eine Entscheidung steht, diese aufgrund veränderter Ausgangsbedingungen, wieder irrelevant ist.

 

  1. Verstärktes Engagement für den gesamtgesellschaftlichen Resilienzaufbau in Europa.

Die Maßnahmen aus der 2016 verabschiedeten Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik sind offensichtlich nicht ausreichend. Sieben Jahre später ist die Demokratie in der EU so gefährdet wie noch nie seit ihrem Bestehen. Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik müssen in einem sicherheitspolitischen Kontext gedacht werden, da sie die effektivsten Maßnahmen zum Resilienzauau bieten. Sozialer Zusammenhalt, politische Bildung und gesellschaftliche Medien- und Nachrichtenkompetenz sind keine “Wohlfühl-Wünsche”, sondern haben sich zu sicherheitspolitischen Notwendigkeiten entwickelt. Die EU muss hier präventiv handeln, anstatt erst zu reagieren, nachdem es möglicherweise schon zu spät ist. Auch wenn einige Entscheidungen viel Zeit und Geld kosten und in der kurzen Frist eher unattraktiv zu sein scheinen. Durch die enge Kooperation mit der NATO und die Gründung der PESCO hat die EU die Gelegenheit, sich auf die zivilen Aspekte der Verteidigung zu fokussieren.

  1. Eine deutliche Definition der Strategischen Autonomie Europas und der europäischen Beistandsklausel (Art. 42, Abs. 7 EUV).

Da die Bedeutung ziviler Methoden der Kriegsführung stark gestiegen ist, bleibt die militärische Abschreckung weiterhin von enormer Wichtigkeit und Priorität. Daher fordern wir bereits seit mehreren Jahren eine gemeinsame Europäische Armee. Diese kann unter anderem dazu beitragen, Abhängigkeiten im militärischen Bereich zu verringern. Die transatlantische Partnerschaft ist sehr wichtig, jedoch nicht mehr so zuverlässig wie früher. Die EU muss daher für sich und ihre Bürger:innen deutlich definieren, wann sie eigenständig handelt und sich verteidigt. Dazu gehört auch die Frage, ob nicht-militärische Angriffe die Beistandsklausel auslösen können.

  1. Vermehrte Einbeziehung des Parlaments in die GASP/GSVP und die Etablierung von SEDE und ING2 als vollwertige Ausschüsse.

Als einzig direkt gewähltes Organ muss das Europäische Parlament deutlich stärker in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP/GSVP) mit einbezogen werden. Die Themen Sicherheit, Verteidigung und Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der EU werden uns in Zukunft verstärkt beschäftigen. Daher sollten die EP- Ausschüsse SEDE (Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung) und ING2 (Sonderausschuss zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation, und zur Stärkung der Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht im Europäischen Parlament) als dauerhafte und vollwertige Ausschüsse etabliert werden.

  1. Erweiterte Einbeziehung von Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft bei der Umsetzung des Strategischen Kompasses.

Der Strategische Kompass legt Leitlinien der EU in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung fest und enthält u. a. auch strategische Maßnahmen zur Cybersicherheit. Die Zivilgesellschaft, insbesondere Journalist:innen, Medien, Online-Plattformen, NGOs, Expert:innen und Wissenschaftler:innen, sowie private Unternehmen werden oftmals als erste Verteidigungslinie einer liberalen demokratischen Gesellschaft bezeichnet. Zum Beispiel sind die Sozialen Netzwerke in privater Hand, über welche in heutiger Zeit schon massenhaft Desinformationskampagnen gestreut werden. Diese Netzwerke sind zu einem Raum der demokratischen Partizipation und Entscheidungsfindung geworden, obwohl sie nicht dafür konzipiert worden sind. Ebenso kommen die meisten Unternehmen, die sich mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen, aus der Privatwirtschaft. Diese Technologie wird zukünftig enormen Einfluss auf alle Bereiche des alltäglichen Lebens nehmen. Von der Entwicklung hochmoderner Waffensysteme bis hin zu automatisierten Bots auf Instagram oder TikTok. Aufgrund oftmaliger Profitorientierung und schwächerer Sicherheitsstrukturen sind private Unternehmen und Organisationen potenziell einfacher zu beeinflussen als staatliche Institutionen. Ohne ihre Partizipation und Einbeziehung in den Strategischen Kompass der EU wird eine erfolgreiche Verteidigung gegen hybride Angriffe unmöglich.

  1. Die Ausweisung von demokratischen Wahlprozessen als kritische Infrastruktur.

Zu einem Ziel von hybriden Angriffen können auch demokratische Wahlen sowie der damit verbundene Wahlkampf werden. Um eine Einflussnahme auf den wichtigsten demokratischen Entscheidungsprozess von außen zu verhindern, fordern wir, dass Wahlen als kritische Infrastruktur ausgewiesen werden.



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Europa und Afrika – Eine Bildungspartnerschaft auf Augenhöhe

Bundesausschuss, 09.12.2023

Europa und Afrika – Eine Bildungspartnerschaft auf Augenhöhe

Beschluss im Wortlaut:

Die EU muss die Bildungspolitik in ihren Mitgliedsstaaten mit Blick auf den afrikanischen Kontinent neu denken.

Wir als JEF bekennen uns zu einer guten Zusammenarbeit zwischen der EU und den afrikanischen Staaten auf Augenhöhe. Als Verband unterstützen wir die Verständigung zwischen den Völkern. Hierzu ist es jedoch notwendig, dass man einerseits kulturelle, politische und soziale Hintergründe des Gegenüber kennt, andererseits aber auch ein Bewusstsein für die gemeinsame, oft belastete, Vergangenheit besitzt.

Dass ein Großteil der europäischen Bürger:innen wenig oder keine Kenntnisse über aktuelle Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent und der gemeinsamen Historie haben, ist maßgeblich den Versäumnissen in der Bildungspolitik geschuldet. Die Kolonialpolitik ist an deutschen Schulen nur ein kleines Kapitel im Geschichtsunterricht an Gymnasien und wird häufig nur oberflächlich behandelt. Gerade vor dem Hintergrund, dass zunehmend Geflüchtete aus dem globalen Süden in die Europäische Union kommen und in den Mitgliedstaaten der EU Schutz suchen, ist in allen Bereichen der Gesellschaft eine erhöhte Aufmerksamkeit und Sensibilität erforderlich.

Woher soll diese Sensibilität und Aufnahmebereitschaft kommen, wenn in einem Großteil der Gesellschaft kein Bewusstsein über die Historie und z. B. die Ausbeutung aus der Kolonialpolitik entwickelt wird?

Daneben ist es wichtig, dass wir den afrikanischen Kontinent als das sehen, was er ist: Es gibt nicht nur nach unserer Ansicht, kein einheitliches Afrika, sondern einen Kontinent, der aus vielfältigen einzelnen Ländern besteht und von kultureller, menschlicher und landschaftlicher Diversität geprägt ist. Eine solche erhöhte Sensibilität zeigt auch unseren afrikanischen Partner:innen, dass Europa und die Europäische Union gewillt sind, eine Partnerschaft auf Augenhöhe einzugehen und eben nicht nur an günstigen Ressourcen interessiert sind. Es sind unter anderem auch die Versäumnisse in der historischen Aufarbeitung, die zum ambivalenten Ruf Europas auf dem afrikanischen Kontinent beigetragen haben.

Die Bildungslücken an europäischen Schulen im Hinblick auf den afrikanischen Kontinent müssen geschlossen werden.

Vor diesem Hintergrund fordern wir:

  1. Die EU-Bürger:innen sollen ein stärkeres historisches Bewusstsein für die  Kolonialpolitik und den Kolonialismus sowie die afrikanischen Kulturen entwickeln. Konkret geht es darum, die bestehenden Inhalte der Lehrpläne zu prüfen, um an passenden Stellen Inhalte zu diesen Themen zu ergänzen. Hier sind vor allem die Bildungsministerien der Länder, aber auch z. B. die Universitäten, die den Forschenden Mittel zur Verfügung stellen, gefordert. 
  2. Die EU soll in Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union mehr Austauschprogramme (Schüleraustausch, Studium und Ausbildung, Erasmus+ etc.) anbieten. Wir fordern außerdem, dass für diese Programme mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. 
  3. Die EU soll größere und sicherere Investitionen in Bildungseinrichtungen der Subsahara-Länder und in westafrikanischen Ländern tätigen.
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Unsere Vision einer föderalistischen Außenpolitik

Bundesausschuss 02. – 04.12.2022

Unsere Vision einer föderalistischen Außenpolitik

Beschluss im Wortlaut:

Als Junge Europäische Föderalist*innen setzen wir uns schon seit langem für eine einheitliche europäische Außenpolitik ein, die die Werte und Interessen Europas schlagkräftig und glaubwürdig vertreten kann. Bis heute ist es nicht gelungen, eine gemeinsame, föderalistische Außenpolitik in Europa zu organisieren, die auch dazu in der Lage ist, auf die Fragen unserer Zeit passende Antworten geben zu können. Und während die europäische Integration im Bereich der Wirtschaft zügig vorangekommen ist, streiten die Mitgliedstaaten noch heute um den richtigen Kurs der Ausgestaltung in der gemeinsamen Außenpolitik. In Zeiten des Krieges in der Ukraine, des globalen Klimawandels und des Aufstiegs autokratischer Kräfte bleibt die europäische Außenpolitik in intergouvernementalen Strukturen verhaftet und wirkt dadurch regelmäßig inkonsequent, stark verwässert sowie ineffizient.

Dabei ist bereits vor 70 Jahren mit der “Europäischen Politischen Gemeinschaft” (EPG) der erste Versuch unternommen worden, eine gemeinsame Außenpolitik nach föderalistischen Grundsätzen zu schaffen. Das Scheitern der EPG führte im Ergebnis aber dazu, dass das Gemeinschaftsprinzip bis heute keinen Einzug in den Bereich der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik gefunden hat.

Die bestehenden Strukturen in der EU, wie die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die hohe Repräsentantin, sind ein erster Schritt für mehr außenpolitische Verantwortung der EU. Gleichzeitig stellen wir als JEF fest, das die bisherigen Maßnahmen nicht weit genug gehen. Vielmehr benötigt die Union ein Um- und Weiterdenken der bisherigen Ideen. Ursula von der Leyen hat bei ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union die Schlussfolgerungen aus der Konferenz zur Zukunft Europas erneut aufgegriffen. Ein prominenter Vorschlag ist dabei die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzip in Außen- und Sicherheitsfragen, den wir an dieser Stelle erneut bekräftigen möchten.

Zudem hat sie ihre Unterstützung für einen erneuten Versuch für eine Europäische Politische Gemeinschaft zugesichert. Vor diesem Hintergrund fordern wir mit diesem Beschluss, eine föderalistische Außenpolitik in Europa final zu vollenden!

Wir haben in Europa die Erfahrung gemacht, dass immer dann, wenn existentielle Krisen anstehen, sich die Menschen an die Europäische Union wenden. Sei es bei der schweren Finanzkrise vor 15 Jahren, während der weltweiten Corona-Pandemie, dem Krieg in der Ukraine oder der Energiekrise verbunden mit einer wirtschaftlichen Rezession: gemeinsam sind wir stärker in Europa. Eine gemeinsame Herangehensweise an Probleme, die den ganzen Kontinent betreffen, bringt uns wesentlich weiter als nationale Alleingänge. Nicht ohne Grund wird dabei stets auf Jean Monnet Bezug genommen, der sagte, dass “Europa in Krisen geschmiedet werden wird.” Insbesondere bei den Russland-Sanktionen ist die innere Stärke Europas deutlich geworden, nachdem sie geeint, geschlossen und schnell reagiert hat. Aktuell steht nicht nur für die Ukraine sehr viel auf dem Spiel, sondern auch für Europa und die ganze Welt. Denn dieser Krieg richtet sich auch gegen unsere Werte, unsere Zukunft, unsere Wirtschaft als auch unsere freiheitliche sowie friedliche Verfassung.

Spätestens mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine müssen wir feststellen, dass es zu einem neuen Konflikt zwischen demokratischen und autoritären Staaten gekommen ist. Die EU sollte den Anspruch haben, bei der Verteidigung von Demokratie und Sicherheit in Europa und weltweit eine entscheidende Rolle zu spielen.

In diesem Sinne wollen wir, dass die gemeinsame Verständigung und der einstimmige Beschluss von Sanktionen nicht länger von außergewöhnlichen Umständen abhängig ist. Vielmehr müssen die institutionellen Grundlagen dafür geschaffen werden,dass die EU auch dauerhaft geeint, geschlossen und schnell reagieren kann. Nur gemeinsam hätte die EU genug politisches Gewicht, um als eigenständige Akteurin auf der Weltbühne aufzutreten, Rechte und Grundrechte ihrer Bürger*innen zu schützen und sich dabei von keiner Schutzmacht abhängig machen zu müssen.

Außenpolitik föderalistisch reformieren

Als JEF fordern wir daher eine föderalistische Außenpolitik, damit die EU mit einer Stimme sprechen kann. Das Verhältnis Föderalismus und Außenpolitik bedeutet für uns, dass es eine verfassungsmäßig geregelte Interaktion zwischen dem Bundesstaat Europa und seinen Mitgliedstaaten im Innenverhältnis gibt, um nach außen mit einer Stimme zu sprechen. (Vielfalt im Innern – Einheit nach außen) In diesem europäischen Bundesstaat hat die föderale Regierung (Europäische Kommission) unumstrittene rechtliche Befugnis in der Außenpolitik, damit sie die Kompetenz bekommt, internationale/völkerrechtliche Verträge eigenständig verhandeln und abschließen zu können, wobei das Parlament mit einbezogen werden muss. Damit dies möglich wird, möchten wir die Beschlüsse des vergangenen Bundeskongresses in Wittenberg sowie Bundesausschusses in Brüssel bekräftigen, die eine*n echte*n europäische*n Außenminister*in mit eigenständigem Außenministerium einfordern.

Föderalismus bedeutet auch für uns, sich nicht gleichzumachen, sondern die Vielfalt der Mitgliedstaaten als Reichtum zu begreifen und Respekt sowie Toleranz voreinander zu haben. Deshalb soll es den Mitgliedstaaten unbenommen bleiben, in den Bereichen des grenzüberschreitenden Regionalismus sowie von internationalen Kommunalpartnerschaften weiterhin aktiv zu sein. Das europäische Außenministerium setzt dabei den übergeordneten Rahmen und legt Ziele sowie Strategien der Außenpolitik fest. Interessen der einzelnen Mitgliedsstaaten sollen größtmögliche Berücksichtigung finden, indem es vor einer zukünftigen zweiten Kammer rechenschaftspflichtig ist. Im Zweifel müssen mitgliedstaatliche Einzelinteressen jedoch dem Gemeinwohl der Europäischen Union als Ganzes untergeordnet werden.

Ohne eine europäische politische Autorität – mit entsprechenden föderalistischen Kompetenzen – wird man den zentrifugalen und partikularistischen Tendenzen der Mitgliedstaaten eben nicht standhalten können. Das wird uns schon heute regelmäßig vor Augen geführt und unterstreicht noch einmal den dringenden institutionellen Handlungsbedarf!

Damit die EU in einer immer schneller werdenden Welt handlungsfähiger wird, müssen kurzfristig die nationalen Vetorechte im Rat der Außenminister*innen abgeschafft werden. In der EU müssen wir einen Paradigmenwechsel im Entscheidungsprozess einläuten: intergouvernementale Verhandlungen im Europäischen Rat und im Rat der EU haben ausgedient. Ein entscheidender Konstruktionsfehler war es, den Mitgliedstaaten ein letztinstanzliches Vetorecht einzuräumen. Nationale Interessen an einem Vetorecht sind nachvollziehbar, allerdings wird eine kohärente Außenpolitik dadurch zu häufig ausgebremst und verhindert.

Schwerpunkte einer föderalistischen Außenpolitik

Als Junge Europäische Föderalist*innen wissen wir sehr genau, dass wir ein starkes und vor allem handlungsfähiges Europa brauchen, um die großen Fragen unserer Zeit zu lösen – Klima, Sicherheit, Schutz der Demokratie und unserer Werte. Deshalb schlagen wir folgende Hauptschwerpunkte für eine europäische föderalistische Außenpolitik vor:

1. Wirtschaftliche Globalisierung

Der europäische Binnenmarkt mit seinen Grundfreiheiten ist eine der größten Erfolgsgeschichten Europas. Gemeinsam miteinander Handel zu treiben kann – bei den richtigen Rahmenbedingungen – für alle Seiten vorteilhaft sein. Unsere Handelspartner haben uns dabei geholfen, nicht nur unsere europäische Wirtschaft zu stärken, sondern auch unsere Interessen und unsere Werte global voranzubringen und die Globalisierung aktiv mitzugestalten. Insbesondere mit gleichgesinnten Partnern sehen wir das Potenzial, auch außerhalb unserer Grenzen wichtige Arbeits- und Umweltstandards durchsetzen sowie die Menschenrechtslage in der Welt verbessern zu können. Eine europäische Außenpolitik aus einem Guss wird uns auch dabei helfen, Beziehungen zu neuen Partnern und wichtigen Wachstumsregionen zu knüpfen. Denn nur gemeinsam werden wir die klimaneutrale und digitale Transformation unserer Wirtschaftsweise wirksam gestalten können – wertegebundene Handelsverträge sind dabei das effektivste Mittel.

2. Multipolare Sicherheit

Als JEF fordern wir eine europäische Friedens- und Sicherheitspolitik. Momentan stellt der russische Imperialismus und Militarismus eine grausame Verletzung des Friedens in Europa dar. Durch Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wurde die europäische Sicherheitsarchitektur, die seit dem Ende des Kalten Krieges existierte, nichtig gemacht und vollkommen zerstört. Wir verurteilen den Angriff Russlands auf das souveräne Territorium der Ukraine und fordern die europäischen Staaten auf, der Ukraine jede mögliche – auch militärische – Hilfe zur Verfügung zu stellen, ohne dabei selbst in aktive Kampfhandlungen einzutreten. Wir bekennen uns auch zu den Bündnispflichten der NATO und der EU und begrüßen die Aufnahme weiterer Staaten in die Bündnisstrukturen. Wir bekräftigen darüber hinaus die Forderung der JEF nach einer Europäischen Armee, um die Kräfte der einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu bündeln und sicherheitspolitisch weiter zusammenzurücken.

Aufrüstung im Rahmen einer agressiven Außenpolitik, wie sie China zur Bedrohung der Nachbarstaaten Taiwan, Japan und Südkorea durchführt, lehnen wir ab. Die EU sollte sich deshalb für wirksame Abrüstung einsetzen und aktiv an neuen Rüstungskontrollabkommen mitwirken. Diplomatie und Verhandlungen müssen auch weiterhin das wichtigste Mittel zur Friedenssicherung sein. Als Weltföderalist*innen streben wir eine globale Ordnung an, in der Atomwaffen keinen Platz haben.

3. Umwelt- und Klimaschutz

Die EU spielt in der globalen Klimadiplomatie eine führende und treibende Rolle.

Der European Green Deal nimmt sich vor, gegenüber Drittstaaten besonders als Vorbildfunktion, aber auch im Handel und im Finanzmarkt Standards zu setzen. Gleichzeitig sehen wir, das bisherige Bemühungen noch nicht ausreichen und die Umsetzung zu lange dauert. Zusätzlich zu der Beschleunigung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen fordern wir ein verstärktes Engagement der EU und ihrer Mitgliedstaaten in internationalen Institutionen wie den UN-Klimakonferenzen ein. Hieraus können Kooperationen mit Nicht-EU-Staaten in Form von Klimaallianzen oder Klimaclubs als separate Abkommen entstehen.

Wir sehen auch, dass sich Europa in mehrfacher Hinsicht energiepolitisch von autoritären Staaten abhängig gemacht hat, die nachweislich systematische Menschenrechtsverletzungen begehen. Das ist für uns nicht hinnehmbar und war ein Fehler. Diesen Preis dafür bezahlen wir jetzt. Zum einen sind wir auf Energieimporte in Form von fossilen Brennstoffen angewiesen. Zum anderen birgt die Umstellung auf erneuerbare Energien die Gefahr, sich neuen Abhängigkeiten außereuropäischer Zulieferindustrien aus der Solar- und Windenergiebranche auszusetzen. Durch fehlende Investitionen der letzten Jahrzehnte in erneuerbare Energien ist die EU bei der angestrebten Energiewende aktuell auf China als Weltmarktführer in der Solarbranche sowie Gatekeeper auf dem für Windkraftanlagen entscheidenden Markt für seltene Erden angewiesen. Gleichermaßen dominiert China mit einem Anteil von 61% an der weltweiten Minenproduktion den Markt für seltene Erden, welche nötig sind für die Herstellung von Windkraftanlagen. In der Vergangenheit hat China den Export bereits künstlich gedrosselt und auch in Zukunft könnte China Exportstopps als Druckmittel in internationalen Konflikten einsetzen. Eine derartige Abhängigkeit von autoritären Staaten, die nachweislich systematische Menschenrechtsverletzungen begehen, ist für uns nicht hinnehmbar.

Wir fordern daher, dass Europa seine Bezugsquellen für alle kritischen Rohstoffe und Technologien diversifiziert und die Transformation zu den erneuerbaren Energien beschleunigt. Dafür ist es unerlässlich, die europäische Industrie au der Solar- und Windenergiebranche mit hohen Investitionen zu unterstützen. Das Ziel muss eine sichere, europaweite sowie autonome Energieversorgung sein, die unabhängig von fossiler Energie sowie von Energiequellen aus autoritären Staaten ist. Darüber hinaus bekräftigen wir die umfassenden klimapolitischen und umweltrechtlichen Beschlüsse vom Bundeskongress 2020 und dem Bundesausschuss im März 2022.

Förderung und Schutz demokratischer Werte

Als JEF fordern wir ebenfalls eine feministische Außenpolitik. Feministische Außenpolitik orientiert sich am Wohl der Menschen und berücksichtigt möglichst viele verschiedene Lebensrealitäten. Europa ist eine Wertegemeinschaft und sollte sich aus diesem Grund weltweit für Menschenrechte einsetzen. Insbesondere Frauen und andere marginalisierte Gruppen werden bei Entscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl sie maßgeblich von deren Konsequenzen betroffen sind.

Als JEF fordern wir ebenfalls eine feministische Außenpolitik.

Als JEF fordern wir ebenfalls eine feministische Außenpolitik. Feministische Außenpolitik legt ein erweitertes Sicherheitsverständnis zur Grundlage dar, welches nationale Sicherheit in humane Sicherheit erweitert. Dies beinhaltet den erweiterten Sicherheitsbegriff, der Frieden nicht nur als Abwesenheit von Krieg bezeichnet, sondern auch strukturelle Gewalt mitberücksichtigt und anstrebt diese zu überwinden. Hierzu berücksichtigt feministische Außenpolitik die mögliche strukturelle Gewalt in Handel, Kooperation und der Innenpolitik beider Länder.

Daher orientiert sich Feministische Außenpolitik am Wohl der Menschen und berücksichtigt möglichst viele verschiedene Lebensrealitäten. Europa ist eine Wertegemeinschaft und sollte sich aus diesem Grund weltweit für Menschenrechte einsetzen. Insbesondere Frauen und andere marginalisierte Gruppen werden bei Entscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl sie maßgeblich von deren Konsequenzen betroffen sind. Die EU sollte deshalb als Fürsprecherin für die Gleichbehandlung von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen das Wort ergreifen und sie stärker an entsprechenden Entscheidungsprozessen beteiligen.

Aus diesem Grund fordern wir als JEF eine feministische Außenpolitik. Feministischer Außenpolitik liegt ein erweitertes Sicherheitsverständnis zur Grundlage, das nationale, staatliche Sicherheit auf die individuelle Sicherheit der Menschen erweitert. Dieses Sicherheitsverständnis beinhaltet auch eine Vorstellung von Frieden, die nicht nur die Abwesenheit von physischer, sondern auch struktureller Gewalt mitberücksichtigt. Als strukturelle Gewalt gelten alle Faktoren, die Menschen daran hindern ihr vollständiges Potenzial zu erreichen. Um diesen Zustand zu überwinden, berücksichtigt feministische Außenpolitik die mögliche strukturelle Gewalt in Handel, Kooperation und der Innenpolitik beider Länder, orientiert sich am Wohl der Menschen und berücksichtigt möglichst viele verschiedene Lebensrealitäten.

Gleichzeitig soll der historische Kontext der europäischen Außenpolitik bei künftigen außenpolitischen Entscheidungen bedacht werden, um aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen und eine gerechtere Weltordnung zu ermöglichen. Wir fordern zudem, dass die EU jungen oder unter Druck geratenen Demokratien zusätzliche Hilfe zukommen lässt und die organisierte Zivilgesellschaft insbesondere dort unterstützt, wo staatliche Willkür und Korruption sie zu zerstören drohen.

Als JEF fordern wir eine Verstärkung der internationalen Kooperation. Die Zusammenarbeit mit den Ländern des globalen Südens soll auf Augenhöhe passieren. Neokoloniale Bestrebungen, wie die Kreditvergaben Chinas, lehnen wir ab, da sie Abhängigkeiten zu den geldgebenden Staaten schaffen. Stattdessen setzen wir uns für eine Zusammenarbeit mit Ländern des globalen Südens auf Augenhöhe ein.

Wenn wir uns ernsthaft auf die Welt von morgen vorbereiten wollen, müssen wir auch in der Lage sein, die Dinge selbstbestimmt anzugehen, die für die Menschen in Europa am wichtigsten sind.

Es wird Zeit, dass Europa auf die diplomatische Weltbühne tritt. Wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, kann Europa Herausragendes leisten!

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“Sky is not the Limit” – Für eine gemeinsame europäische Weltraumpolitik

Bundesausschuss 02.-04.12.2023

“Sky is not the Limit” – Für eine gemeinsame europäische Weltraumpolitik

Beschluss im Wortlaut:

Schon seit Urzeiten ist der Nachthimmel von besonderer Bedeutung für die Menschheit. Während er früher vor allem zur Orientierung und Zeitmessung genutzt wurde, weshalb weltweit Sternenkonstellationen auch eine hohe mythische Bedeutung haben, ist die Nutzung des Weltalls heute aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Neben praktischen Anwendungen wie GPS oder Satelliteninternet ermöglicht der Kosmos physikalische Grundlagenforschung beispielsweise durch die Beobachtung ferner Sterne und Galaxien. In den kommenden Jahren wird die Nutzung des Raums jenseits unserer Atmosphäre weiter zunehmen, insbesondere durch Produktionsprozesse in der Schwerelosigkeit, die weitere Vernetzung der Erde und auch die Renaissance der bemannten Raumfahrt.

Die Weltraumpolitik baute in den vergangenen Jahrzehnten auf eine enge internationale Kooperation, die jedoch jetzt zunehmend schwindet. Wir sehen daher die Notwendigkeit, die Autonomie der EU im Rahmen der Weltraumpolitik zu sichern. Der zunehmenden Militarisierung des Weltraums, insbesondere des erdnahen Orbits, muss Rechnung getragen werden. Dafür muss sich Europa für die konsequente Durchsetzung von Verboten für die Stationierung von (nuklearen) Waffensystemen im Orbit einsetzen. Die Unverletzbarkeit überlebenswichtiger dual-use Systeme zur Kommunikation und Navigation muss gewährleistet sein. Noch lässt sich eine neuerliche Rüstungsspirale im Weltraum durch multilaterale Regelwerke beschränken. Dafür ist es nötig, dass Europa nicht nur reaktiv handelt, sondern mit Führungsanspruch vorangeht.

Auch wenn angesichts neuer Herausforderungen eine stärkere europäische Politik gefordert wird, bleibt internationale Kooperation von entscheidender Bedeutung für die Weltraumpolitik. Viele Herausforderungen wie Fragen der Flugbahnen, der Versorgung, der Ressourcenverteilung oder der Entfernung von Weltraumschrott können nicht von einzelnen Staaten alleine gelöst werden. Die Europäische Union sollte sich deswegen weiterhin entschieden für eine tiefere Kooperation im Weltraum einsetzen und auch Vorschläge für einen internationalen Ordnungsrahmen geben. Dazu gehört insbesondere ein neues umfassendes Weltraumübereinkommen sowie die Gründung einer internationalen Organisation, die praktische Fragen des Weltraumrechts regeln und durchsetzen kann.

Denn anders als der Luftraum ist der Weltraum kaum reguliert. Jede Nation und jedes private Unternehmen kann, sofern die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, Satelliten, Raumsonden oder anderweitige Objekte in die Erdumlauahn bringen.

Es braucht daher einen effektiven Regulierungsrahmen. Wir fordern insbesondere eine gemeinsame europäische Weltraumpolitik und ein europäisches Weltraumgesetz.

Eine gemeinsame EU-Weltraumpolitik erfordert zunächst eine Koordination der bestehenden nationalen Strategien und Politiken sowie die Stärkung der ESA. Dann müssen die finanziellen Mittel, die heutzutage in den Mitgliedstaaten unabhängig und unkoordiniert ausgegeben werden, endlich aufeinander abgestimmt und gebündelt werden. In den letzten Jahren hat sich durch private Akteure gezeigt, dass die staatliche Weltraumindustrie deutlich hinter den technischen Möglichkeiten zurückliegt. Hier müssen europäische Hidden Champions stärker in die Projekte der ESA eingebunden und auch Start-ups gefördert werden, um privatwirtschaftliche Alternativen zu schaffen. Noch verfügt Europa über umfangreiches Know-How und technische Fertigkeiten.

Ein europäisches Weltraumgesetz muss sich dabei der folgenden Herausforderungen annehmen:

  • Anerkennung der Weltraumressourcen als Allgemeingut der Menschheit
  • Gerechte Verteilung der Weltraumressourcen
  • stabile Rahmenbedingungen für private Unternehmen
  • Ermöglichung und Förderung nachhaltiger Investitionen
  • Vermeidung von Weltraumschrott, Verpflichtung zur Müllentsorgung und zur Haftung
  • Regelung von Import aus und Export in den Weltraum
  • Schutz der Umwelt des Weltraums unter anderem vor Kontaminierung
emmeline“Sky is not the Limit” – Für eine gemeinsame europäische Weltraumpolitik
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Frontex an die kurze Leine nehmen: Für die Schaffung einer unabhängigen Ombudsstelle gegenüber Frontex

Bundesausschuss, 2. – 4.12.2023

Frontex an die kurze Leine nehmen: Für die Schaffung einer unabhängigen Ombudsstelle gegenüber Frontex

Beschluss im Wortlaut:

Oftmals mittellose Menschen, insbesondere Geflüchtete, sind an Europas Außengrenzen auf sich selbst gestellt, wenn sie ungerechtfertigte Polizeigewalt, illegale Push-Backs oder Schlimmeres wie vorsätzlich herbeigeführte Seenot erfahren. Durch Menschenrechtsorganisationen ist nachgewiesen, dass es die EU- Grenzschutz-Agentur Frontex selbst ist, die an illegalen Push-Backs beteiligt ist bzw. davon Kenntnis hat, ohne rettend einzugreifen.

Dem steht das schnelle Wachstum und die stetige Ausweitung der Kompetenzen von Frontex gegenüber[1]. Die Agentur wird mit Waffen, eigenen Schiffen, Helikoptern, Drohnen und bis 2027 mit mehr als 10.000 Grenzschützer:innen ausgestattet, während damit kaum ernstzunehmende Ermittlungs- und Kontrollmechanismen einhergehen. Darin liegt ein Konstruktionsfehler, ein Ungleichgewicht von Grenzschutz und Rechtsschutz.

Menschen an Europas Außengrenzen haben keine Möglichkeiten, Rechtsschutz zu erhalten, da sie im Falle von Push-Backs sich nicht (mehr) auf europäischem Boden befinden und so keinen Zugang zu unserem Rechtssystem haben.

Die einzigen bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten, ein Anrufen des Frontex-Verwaltungsrat oder der Frontex-Menschenrechtsbeauftragten, sind unzureichend und schaffen keine unabhängige Kontrolle. Beide sind agenturinterne Gremien ohne demokratische Legitimation, die keine Entscheidungsgewalt haben und innerhalb derer es nachweislich zu Verschleppungen und Vertuschungen von Ermittlungen kommt. Frontex und die beteiligten Mitgliedstaaten (Entsendestaaten und Gastgeberstaaten) decken sich bei unangenehmen Ermittlungen gegenseitig, indem – teils systematisch – Informationen zurückgehalten werden. Zwar gibt es zahlreiche an die Agentur selbst gerichtete Berichte über Menschenrechtsverletzungen und zweifelhafte Methoden in ihren Tätigkeiten durch Journalist:innen, NGOs oder sogar die Vereinten Nationen und den Europarat. Jedoch wurden sie durch den Exekutivdirektor und damit den Chef des Verwaltungsrates allesamt ignoriert und geleugnet[5]. Diese aktuelle Lage widerspricht der Vorstellung der JEF von einem Europa der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, wie in 3.3. unseres politischen Programms von 2021 formuliert.

Wir fordern daher die Einrichtung eines unabhängigen Kontroll- und Ermittlungsgremiums (Ombudstelle). Dieses soll von der EU angemessen finanziert sein, institutionell, hierarchisch und praktisch unabhängig sein von den Beschuldigten, also Frontex selbst, ihren Beamt:innen sowie den Mitgliedstaaten und deren entsandten Beamt:innen.

●  Die Ombudsstelle soll parlamentarisch legitimiert sein und möglichst alle Mitgliedstaaten abbilden. Zu den Vertreter:innen sollen zählen: NGO- Vetreter:innen, Jurist:innen, Sozialarbeiter:innen und weitere Expert:innen.

●  Ihre Arbeit in Form von Überwachungen und Dokumentationen soll eine verbindliche Grundlage dafür sein, um Menschenrechtsverletzungen zu sanktionieren und die Straflosigkeit von Beamten zu verhindern. Konkret sollen auf der einen Seite straf- und disziplinarrechtliche Verfahren in den Mitgliedstaaten ermöglicht werden. Auf der anderen Seite soll das Gremium helfen, beteiligte Mitgliedstaaten und die Agentur selbst menschenrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, sei es vor dem EuGH oder idealerweise vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)[2]. Dem Gremium soll ein verbindlicher Anspruch auf Information gegenüber Frontex eingeräumt werden, der notfalls gerichtlich eingeklagt werden kann.

●  Auch muss die Einrichtung einer Anlaufstelle sichergestellt werden, die bei Rechtsverletzungen an der Grenze auch von Nicht-EU-Bürgern direkt angerufen werden kann.

●  Gleichzeitig soll die Arbeit des Gremiums dazu dienen, in der Gesellschaft politische Verantwortung konkret zu benennen und Transparenz zu schaffen. Frontex muss verpflichtet werden können, Dokumente von öffentlicher Relevanz der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Das Gremium soll unabhängig finanziert werden. Der Umfang der Finanzierung muss angepasst werden an das Wachstum und die Aktivitäten von Frontex, ohne aber institutionell von Frontex abhängig zu sein.

Ist das Gremium gegründet und hat es seine Arbeit aufgenommen, soll seiner Tätigkeit durch die Kommission und das Parlament evaluiert werden. Der zukünftige Arbeitsauftrag für Frontex muss klar definiert sein: Es muss um den Schutz von Menschen gehen, nicht um den Schutz von Grenzen.

[1] 2005 betrug der Etat 6 Mio. EUR. 2020 waren es 460 Mio. EUR.

[2] Hierfür müsste die EU sich der Gerichtsbarkeit des EGMR durch einen Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unterwerfen. Hierzu hat sich die EU selbst im Art. 6 Abs. 2 EUV verpflichtet.

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Größe gewinnen – Die Schaffung eines neuen Verständnisses der EU-Erweiterungspolitik

Bundesausschuss 02. – 04.12.2022

Größe gewinnen – Die Schaffung eines neuen Verständnisses der EU-Erweiterungspolitik

Beschluss im Wortlaut:

Die EU ist mit ihrem Binnenmarkt der größte Wirtschaftsraum der Welt und eine Wertegemeinschaft, deren Mitgliedsstaaten sich zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Menschenrechten bekennen und einen immer größer werdenden Teil ihrer Politik gemeinschaftlich gestalten.

Der Integrationsprozess europäischer Staaten in die EU ist noch nicht abgeschlossen, weshalb mithilfe der EU-Erweiterungspolitik eine Vereinigung der europäischen Länder in ein gemeinsames politisches und wirtschaftliches Projekt gelingen soll. Die Erweiterungen der Union gründet sich dabei auf ihren Werten und unterliegen strengen Auflagen. Dadurch hat sich die EU-Erweiterungspolitik zu einem starken außenpolitischen Instrument der EU entwickelt, das die Transformation zahlreicher europäischer Staaten entscheidend mitgestaltet hat. Denn die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft hat sich als wichtiger Anreiz für Reformprozesse in den Kandidatenländern erwiesen, wodurch es gelingen konnte, die politische und wirtschaftliche Stabilität Europas zu stärken sowie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den Schutz der Menschenrechte zu fördern. Die Vergrößerung des Binnenmarktes hat zudem zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wohlstandes der EU beigetragen. Außerdem gewinnt die EU durch ihre Vergrößerung gleichzeitig ebenfalls weltweit an Gewicht und ist dadurch in der Lage, auf globale Herausforderungen wie den Klimawandel, Umweltschutz, Wettbewerbsfähigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse und Regulierung der Finanzmärkte besser zu reagieren.

Für die JEF stellt deshalb die Mitgliedschaft eines weiteren Staates in der EU immer eine Chance dar, weshalb mit einer überlegten und zugleich ambitionierte Erweiterungspolitik Europa nicht nur größer, sondern vor allem verbessert werden kann. Dafür ist allerdings die Bestimmung klarer, nicht verhandelbarer Beitrittsvoraussetzungen von Nöten sowie die Setzung von neuen Schwerpunkten im Beitrittsprozess, um die Europäische Einheit vollenden zu können.

I. Die Beitrittsvoraussetzungen

Jeder Staat, welcher der EU beitreten will, muss die Kopenhagener Kriterien vollständig erfüllen. Kern der Kopenhagener Kriterien sind die Werte der EU, die sich auch in Artikel 2 des EU-Vertrags wiederfinden. Dadurch müssen Staaten, die der EU beitreten, nicht nur Demokratien, sondern wehrhafte Demokratien sein, deren Verfassung die Werte der EU schützt. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Aufnahmefähigkeit der EU für neue Mitgliedstaaten. Für die Westbalkanstaaten hat die EU das Bestehen guter nachbarschaftlicher Beziehungen als zusätzliches Beitrittskriterium benannt.

Dennoch bedarf es einer zielgerichteten Reform der Kopenhagener Kriterien. Bei der Anwendung dieser überarbeiteten Kopenhagener Kriterien darf es keine Kompromisse mehr geben, denn wenn einem neuen Mitgliedsstaat schon beim Beitritt das Gefühl gegeben wird, unsere Werte seien verhandelbar, verliert die EU ihre Glaubwürdigkeit. Grundsätzlich darf es bei einem EU-Beitritt keine Rabatte, Vergünstigungen oder Opt-Outs geben.

Bei der Beurteilung des Aufnahmefähigkeitskriteriums darf es nicht nur auf wirtschaftliche Belange ankommen. Auch die Erhaltung einer funktionsfähigen Demokratie muss dabei Berücksichtigung finden. Wir sind der Meinung, das Kriterium der guten nachbarschaftlichen Beziehungen sollte für alle Beitrittskandidaten gelten. Für das Vorantreiben der europäischen Integration ist es nicht zielführend, neue Konflikte oder neues Konfliktpotential in die EU einzubringen. Unter vorgenanntem Kriterium verstehen wir nicht die vollständige Abwesenheit von Konflikt, sondern den unbedingten Verzicht auf Gewalt oder Drohung mit Gewalt sowie ein insgesamt respektvolles Miteinander. In Fällen, wo die Gewalt einseitig verschuldet ist, kann dieses Kriterium allerdings keine Anwendung finden.

Die EU muss jedoch nicht nur die Einhaltung ihrer Werte bei neuen Mitgliedstaaten sicherstellen. Europäische Werte sind für alle Mitgliedstaaten verbindlich und müssen effektiv durchgesetzt werden können. Neben der konsequenten Durchsetzung der EU-Grundrechtecharta bei der Durchführung von Unionsrecht ist es daher essentiell, die Einhaltung der Grundrechte in den Mitgliedstaaten zu überwachen und die Nichteinhaltung entsprechend zu sanktionieren. Entsprechende Verfahren über Strafzahlungen oder partikularen Stimmrechtsentzug müssen vom Rat der EU an den Europäischen Gerichtshof übergehen. Diese Kompetenzverschiebung ist nötig, um Blockadehaltungen einzelner Mitgliedstaaten im Rat zu verhindern und Grundrechte innerhalb der EU unabhängig aktueller nationaler Regierungen zu sichern.

II. Der Beitrittsprozess

Der derzeitige Beitrittsprozess ist aus unserer Sicht unzureichend. Neben der Förderung von Bildung, Justiz, Infrastruktur und zur Angleichung an den Binnenmarkt, muss die Unterstützung der Zivilgesellschaft mindestens genauso wichtig sein. Neben EU-eigenen Programmen und der Förderung lokaler Organisationen, müssen hierbei auch politische Stiftungen sowie politische und nichtpolitische Jugendorganisationen miteinbezogen werden. Ferner wollen wir allen Beitrittskandidaten und Staaten mit Beitrittsperspektive sowie den Staaten der Europäischen Nachbarschaftspolitik anbieten, gegen angemessene finanzielle Beteiligung, Teil des Programms Erasmus+ zu werden, anstatt nur Partnerland zu sein.

Manche Staaten mit europäischer Perspektive werden aufgrund außenpolitischer Faktoren, die sie selbst nicht oder nur geringfügig beeinflussen können, wahrscheinlich länger auf einen Beitritt warten müssen. Deshalb müssen vor einem EU-Beitritt zusätzliche optionale Zwischenschritte bestehen, die über eine Deep and Comprehensive Free Trade Area (DCFTA) hinausgehen. Dazu gehört eine Mitgliedschaft in der Europäischen Zollunion sowie im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Letzterer steht gegenwärtig nur den Mitgliedern der Europäischen Freihandelszone (EFTA) offen, was wir ändern möchten. Für Staaten, die nicht EFTA-, aber EWR-Mitglied sind, wären dann EuGH und EU-Kommission zuständig. Eine Reform bedarf es ebenfalls bei der Zollunion, damit EU- und Nicht-EU-Mitglieder von zukünftigen Freihandelsabkommen der EU gleichermaßen profitieren. Hierbei dürfen die Zollunion bzw. der EWR keine dauerhaften Alternativen zu einem EU-Beitritt sein, wobei die Anforderungen an Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte für einen EWR-Beitritt zwar niedriger als für einen EU-Beitritt sein sollten, jedoch immer noch höher als für einen Beitritt zur Zollunion.

Für den Beschluss zur Aufnahme und Abbruch von Beitrittsverhandlungen sowie dem Beitritt zum EWR müsste statt des Einstimmigkeitsprinzips die verstärkte qualifizierte Mehrheit erforderlich sein. Für den Beitritt zur EU sollte weiter das Einstimmigkeitsprinzip gelten, um über die Verhandlungen schwere Konflikte auf jeden Fall zu lösen.

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Für ein europäisches Vereinsrecht

Bundesausschuss, 02. – 04.12.2022

Für ein europäisches Vereinsrecht

Beschluss im Wortlaut:

In Anbetracht der Erwägungen, dass
1. eine sichtbare europäische Zivilgesellschaft ein starker und immens wichtiger Teil für das politische und gesellschaftliche Zusammenleben in Europa ist,

2. es im Sinne eines friedlichen und demokratischen Zusammenlebens für alle Menschen in der EU erforderlich ist, den steigenden Druck auf Zivilgesellschaften zu nehmen und deren Handlungsfähigkeit sicherzustellen,

3. Vereine eine gute Möglichkeit sind, sich einzubringen und die eigenen Interessen in den Fokus der Debatten zu rücken

4. grenzüberschreitende Aktivitäten, die durch internationale Akteure geplant und organisiert werden, gegenwärtig regelmäßig vor Herausforderungen stehen, z.B. in Bezug auf ihre Finanzierung, den Versicherungsschutz sowie rechtliche Fragen im Allgemeinen

5. Verbände und Vereine trotz grenzüberschreitender Tätigkeit keine entsprechende Rechtsform wählen können

6. innerhalb der JEF bereits jetzt transnationale Strukturen (z.B. JEF Oberrhein, JEF Großregion) bestehen, die gezwungen sind, sich in ihrer Mitgliederstruktur national zu organisieren,

7. insbesondere unser Europaverband, die JEF Europe, die Rechtsform eines belgischen Vereins hat und auf sie deshalb nur belgisches Vereinsrecht anwendbar ist, obwohl sie europaweit tätig ist und ihr Vorstand aus Mitgliedern aus mehreren EU-Staaten besteht,

8. wir uns schließlich für eine Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements in Europa einsetzen,

fordern wir, dass Vereine auch grenzüberschreitend gegründet werden können und dafür ein europäisches Vereinsrecht geschaffen wird.

Darüber hinaus fordern wir,

  • dass die Europäische Kommission aktiv wird und die Initiative des Parlaments zu einem europäischen Vereinsrecht weiterführt. Wir setzen uns aktiv dafür ein, dass dieses Thema nicht wieder von der Agenda verschwindet.
  • dass das Nicht-Diskriminierungsinstrument, das im Bericht für ein Statut für länderübergreifende Europäische Vereine und Organisationen ohne Erwerbszweck vom Europäischen Parlament beschlossen wurde, legislativ umgesetzt wird. Denn dieses ist ein Instrument, das zivilgesellschaftliches Engagement in Mitgliedstaaten, in denen die Demokratie unter Druck geraten ist, stärken kann.

Als JEF Deutschland haben wir ein großes Interesse an der Einführung des europaweiten Vereinsrechts, da es unser transnationales Engagement erheblich vereinfachen würde. Daher wollen wir von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen, sobald das Gesetz beschlossen ist.

Dies ist nicht nur eine logische Fortführung des bereits bestehenden europäischen Gesellschaftsrechts, sondern auch Ausdruck einer stetig enger zusammenwachsenden Gemeinschaft aller Europäer:innen.

Gleichzeitig kann es eine stärkere Identifikation mit Europa und einer europäischen Zivilgesellschaft ermöglichen und Vernetzungen erleichtern. Die Idee europäischen Engagements kann durch diese Rechtsform mehr Präsenz und Sichtbarkeit erhalten. Daneben sorgt ein europäisches Vereinsrecht auf rein praktischer Ebene dafür, dass Wohnortwechsel einem transnationalen Engagement nicht mehr im Wege stehen.

Wir unterstützen daher die Bestrebungen des Europäischen Parlaments, eine neue Rechtsform “Europäischer Verein” einzuführen. Das Europäische Parlament hat im Februar 2022 einen entsprechenden Verordnungsentwurf beschlossen und der Kommission zur weiteren Veranlassung vorgelegt. Dieser darf nicht in den Schubladen des Gesetzgebungsverfahrens verstauben. Wir fordern, dass die jahrelange Diskussion um die Einführung eines Europäischen Vereins endlich zum längst überfälligen Abschluss kommt.

In einigen Staaten Europas geraten Zivilgesellschaft und Protestbewegungen zunehmend unter Druck. Ein europäisches Vereinsrecht könnte hier für ganz Europa mehr Flexibilität und Freiheiten für zivilgesellschaftliches Engagement und dabei auch die notwendige Rechtssicherheit schaffen. So könnte beispielsweise eine europäische Definition der Gemeinnützigkeit dazu beitragen, dass denjenigen Akteur:innen, die die Kriterien der Gemeinnützigkeit nach europäischem Vereinsrecht erfüllen, Gelder oder andere Fördermöglichkeiten nicht einfach aus einer politischen Motivation heraus verwehrt werden können. Daneben sind aber noch viele weitere Regelungsmechanismen denkbar, die zu mehr Rechtssicherheit führen können, wie beispielsweise die Einführung einheitlicher Klagerechte.

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Kein weiterer Genozid an den Armenier*innen

Bundesausschuss, 03.12.22

Kein weiterer Genozid an den Armenier*innen

Beschluss im Wortlaut:

In der Nacht zum 13. September hat Aserbaidschan das souveräne Territorium Armeniens angegriffen. Der breit angelegte Krieg unter Einsatz von Artillerie und bewaffneten Militärdrohnen richtete sich gegen armenische Dörfer und Städte, die sich sowohl nahe der Grenze zu Aserbaidschan als auch tief im armenischen Kernland (wie z. B. auf den Kurort Dschermuk) befinden.

Über 200 armenische Soldat:innen sind gefallen oder werden vermisst. Es gibt Tote und Verletzte in der Zivilbevölkerung, zerstörte Häuser und Existenzen. Über 7.600 Zivilist:innen wurden vertrieben. Wieder einmal, nach dem 44-tägigen Krieg im Jahr 2020 um Bergkarabach, gab es zahlreiche Kriegsverbrechen: Kriegsgefangene wurden gefesselt, gefoltert, erniedrigt und getötet. Die Leichen getöteter Soldat*innen wurden geschändet.

Armenien ist eine der wenigen Demokratien im Südkaukasus. Seit 2018 befindet sich Armenien im Aufbau einer freien und pluralistischen Gesellschaft, in der europäische Werte und Menschenrechte eine zentrale Rolle spielen. Das größte Problem für die Existenz Armeniens stellt die Sicherheit des Landes dar. Das Land ist durch Autokratien, wie Aserbaidschan, Russland und die Türkei umgeben und wird stets in seiner Souveränität und Integrität bedroht.

Vor diesem Hintergrund ist es unerträglich, die gespaltene Reaktion der EU zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission in Bezug auf die Verurteilung der Angriffe zu sehen. Während das Europäische Parlament die Angriffe in vielen Anträgen verurteilt, macht die Kommission in bspw. der Person der Kommissionspräsident Ursula von der Leyen weitere Gasgeschäfte mit Alijews-Regime im Rahmen der “Kaviar-Diplomatie”.

Wir, die Jungen Europäischen Förderalist:innen stehen an der Seite Armeniens und betonen daher unsere klare Verurteilung des aserbaidschanischen Angriffskrieges.

Unsere Forderungen an die EU sind daher:

Verurteilung des aserbaidschanischen Angriffskrieges:

Die EU muss den Aggressor eindeutig benennen und ihn auffordern, das souveräne Gebiet Armeniens zu verlassen und somit den Stand vom 21. Mai 2021 wiederherzustellen.

Die EU soll ihre Mitgliedsstaaten sowie NATO-Mitglieder und ENP-Mitglieder (bspw. Israel) auffordern, keine weiteren Waffen und militärische Luftfahrzeuge (inklusive Drohnen) an Aserbaidschan zu liefern. Auch den Lieferungen von Dual-Use-Gütern stehen wir skeptisch gegenüber.

Die EU muss die destruktive Haltung Russlands und der Türkei in der Region verurteilen.

Wir unterstützen die von Emmanuel Macron im Rahmen des ersten Konvents der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPC) ausgehende Initiative der Einrichtung einer zivilen Mission der Europäischen Union entlang der Grenze Armeniens zu Aserbaidschan. Ebenso nehmen wir zur Kenntnis, dass Armenien und Aserbaidschan diesen Vorschlag am 07.10.2022 zustimmten, ein Bekenntnis zur Charta der Vereinten Nationen und der Erklärung zur Alma Ata von 1991 abgaben und somit die territoriale Integrität und Souveränität des jeweils anderen anerkannten. Dieses Gespräch ist begrüßenswert und soll fortgeführt werden, da wichtige Aspekte, wie die Zukunft der Republik Artsakh und die Sicherheit der armenischen Bevölkerung in der Region Bergkarabach, weiterhin unklar bleiben. Des Weiteren fordern wir, dass auch in dieser Region Friedenstruppen der Europäischen Union entsandt werden, um potentielle Verbrechen gegen die Menschheit zu verhindern. Besonders da durch die Totalblockade Artsakhs vom 03.12.2022 durch Aserbaidschan ethnische Säuberungen an der überwiegend armenischen Bevölkerung Artsakhs drohen.

EU-Mitgliedsstaaten sollen die Einberufung eines internationalen Strafgerichtshofs zur Aufklärung der Kriegsverbrechen in der Südkaukasus-Region nach dem Zerfall der Sowjetunion unterstützen. Des Weiteren soll eine Wahrheitskommission einberufen werden, um die Verbrechen gegen die Menschheit in dieser Region seit dem Zerfall der Sowjetunion aufzuklären.

Sanktionen gegen die politische Elite Aserbaidschans:

  • Regierungstreue Oligarch:innen verlieren ihren privilegierten Zugang zur Europäischen Union.
  • Das Einfrieren von Vermögenswerten von Staatspräsident Ilham Heydər Alijew und Vizepräsidentin Mehriban Alijewa (die Familie Alijew), den Ministerpräsident Ali Asadov, den Außenminister Jeyhun Bayramov, alle Milli meclis-Parlamentsabgeordneten, Vorsitzende des aserbaidschanischen Parlaments Sahiba Gafarova, Vertreter:innen des Militärs und zahlreichen Oligarch:innen.

Vorläufiges Sanktionspaket gegen die Regierung Aserbaidschans:

  • Die EU soll ein Embargo auf alle fossile Energieträger verhängen. Wir verurteilen die am 18. Juli 2022 getroffene Absichtserklärung der vertieften Zusammenarbeit mit Aserbaidschan, die vor allem auf die Erhöhung der Gaslieferungen abzielt.
  • Wir fordern die Aussetzung der Kooperation innerhalb der östlichen Partnerschaft mit Aserbaidschan, sowie die Aussetzung der strategischen Partnerschaft REPower EU Plan.

Sollte die aserbaidschanische Regierung keine Bemühungen um Frieden erkennen lassen, indem keiner der nachfolgenden Forderungen nachgegangen wird, bzw. die Situation weiter eskaliert, sollten die EU und ihre Mitgliedstaaten über folgende Sanktionen entscheiden.

  • Der Zugang Aserbaidschans zu wichtigen Schlüsseltechnologien wie Halbleitern, modernster Software sowie zu Dual-Use-Gütern soll beschränkt werden.
  • Exportverbote für Chemikalien, die zur Waffenherstellung genutzt werden können.
  • Es soll ein Importverbot für aserbaidschanisches Gold verhängt werden.

Forderungen an Aserbaidschan von deren Umsetzung weitere Sanktionsmaßnahmen abhängen:

  • Wir fordern, dass die am 07.10.2022 ausgerufene Waffenruhe eingehalten wird.
  • Die aserbaidschanische Regierung muss gewährleisten, dass es keine Massaker an armenischen und artsakhischen (Bürger:innen der Republik Artsakh) Personen mehr gibt.
  • Aserbaidschan muss unmittelbar, alle armenische und artsakhische Kriegsgefangene in Freiheit entlassen. Dies soll auch die Kriegsgefangenen des 44-tägigen Kriegs im Jahr 2020 umfassen.
  • Aserbaidschan muss seine militärischen Kräfte von der Ost- und Westgrenze von Armenien zurückziehen.
  • Aserbaidschan muss sich konstruktiv an den Friedensgesprächen beteiligen.
  • Aserbaidschan soll die Geschichtsschreibung nicht weiter als Waffe benutzen, sondern eine transnationale, völkerverbindende und auf Aussöhnung bedachte Geschichtsschreibung mit Armenien suchen. Hierzu zählt auch in einem längeren Aussöhnungsprozess die Anerkennung des Völkermords an die Armenier durch das osmanische Reich.
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Digitale Grundrechte wahren – keine Chatkontrollen in Europa!

Bundesausschuss, 02. Juli 2022

Digitale Grundrechte wahren – keine Chatkontrollen in Europa!

Beschluss im Wortlaut:

Im Mai 2022 hat die Europäische Kommission ihre Pläne vorgestellt, besser gegen die Verbreitung und Nutzung kinderpornografischen Materials im Internet vorzugehen. Herzstück dessen sollen die sogenannten „Chatkontrollen“ werden. Dabei soll die Kommunikation über Messenger-Dienste automatisiert auf verdächtige Inhalte hin untersucht und bei einem Verdachtsfall an entsprechende Behörden weitergeleitet werden.

Die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland lehnen dies als Eingriff in das digitale Briefgeheimnis entschieden ab. Das verfolgte Ziel einer besseren Bekämpfung von Kindesmissbrauch auch in der digitalen Welt ist natürlich zu unterstützen. Allerdings halten wir die vorgeschlagenen Maßnahmen weder für verhältnismäßig noch geeignet, dies zu leisten.

Mit der Einführung von Chatkontrollen würde die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, mit der sichergestellt wird, dass niemand von außen die Kommunikation über Messenger-Dienste lesen kann, de Facto abgeschafft. Chatkontrollen müssten, damit sie überhaupt wirkungsvoll sind, die Anbieter von Messenger-Diensten dazu zwingen, Bilder und Videos aus privater Kommunikation auszuwerten. Da auch das sogenannte Cyber-Grooming, also die Annäherung von Erwachsenen an Minderjährige, davon eingeschlossen sein soll, würde zwangsläufig auch die Kommunikation mit Wort- und Sprachnachrichten davon betroffen sein müssen. Das würde ein ganz erhebliches Missbrauchspotential mit sich bringen und auch die freie Kommunikation unschuldiger Personen stark beeinträchtigen. Durch das Gefühl des Überwacht-werdens würden auch die Meinungs- und Pressefreiheit in der EU leiden.

Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Maßnahme auch nicht geeignet ist, das erklärte Ziel einer besseren Verfolgung von kinderpornografischem Material in der EU sicherzustellen. Potentiell Straffällige werden andere Wege zur Verbreitung finden, zum Beispiel über Foren oder Plattformen. Stattdessen werden Polizei und Staatsanwaltschaften damit überfordert sein, Wellen von falschen Meldungen auf potentielle Strafbarkeit hin zu untersuchen und dadurch wichtige Ressourcen im Kampf gegen tatsächliche Kinderpornografie verlieren. Denn die Technologie kann zum Beispiel nicht zuverlässig unterscheiden, ob ein Urlaubsbild der Enkelkinder vom Strand an die Großeltern geschickt wird oder ob es sich wirklich um kinderpornografisches Material handelt. Dadurch entsteht auch die Gefahr von falschen Verdächtigungen mit allen Folgen, die dies haben kann.

Die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland fordern deshalb:

  1. Den sofortigen Stopp des Verfahrens zur Einführung von Chatkontrollen auf europäischer Ebene.
  2. Ein EU-weit garantiertes Recht auf Verschlüsselung privater Kommunikation.
  3. Zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch die Umsetzung der Maßnahmen, die in unserem Beschluss “Für europaweiten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt” vom 04.12.2021 vorgesehen sind.
claraDigitale Grundrechte wahren – keine Chatkontrollen in Europa!
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