Ursula von der Leyen ist erneut vom Europäischen Parlament zur Kommissionspräsidentin gewählt worden. In ihrer ersten Rede hat sie bereits ihre politischen Leitlinien vorgestellt, die in den kommenden 5 Jahren Programm sein sollen. Konkret sagt sie: “I want to make sure that young people can use their voice – their own voice – to help shape our future.”
Dies soll durch den Ausbau von Erasmus+, Jugenddialoge aller Kommissionsmitglieder in den ersten 100 Tagen und ein President’s Youth Advisory Board mit jungen Menschen aus allen Mitgliedsstaaten, das Vorschläge und Ideen der Kommission mitberaten kann, erreicht werden. Die Maßnahmen sind laut der Kommissionspräsidentin Teil einer weitergehenden Selbstverpflichtung, jungen Menschen mehr Freiheit und Verantwortung in unseren Gesellschaften und Demokratien zu geben.
Als Junge Europäische Föderalist:innen begrüßen wir diesen starken Fokus auf Jugend und die Stärkung der Beteiligung junger Menschen auf europäischer Ebene. Denn: JungeMenschen sind essentieller Teil des demokratischen Zusammenlebens in Europa. Wissenschaftliche Studien unterstützen die Tatsache, dass junge Menschen oft als eine homogene Gruppe dargestellt werden, die eine bestimmte politische Meinung vertritt . Dabei verhalten sich junge Menschen genauso divers wie andere Wähler:innengruppen, werden jedoch weniger differenziert oder aktiv wahrgenommen oder mitgedacht. Das kann zu Frustration und Vertrauensverlust auf allen politischen Ebenen führen. Es ist daher essentiell, junge Menschen auf allen politischen Ebenen verstärkt mitzudenken.
Junge Menschen wünschen sich mehr politische Beteiligung und Beachtung in Entscheidungsprozessen. Als JEF Deutschland haben wir gemeinsam mit der JEF Europe, make.org und der Europa-Union Deutschland eine Online Konsultation durchgeführt, in der vor allem junge Menschen ihre Vorstellungen, Wünsche und Ideen für Europa abgeben konnten. Aus den Vorschlägen wurden die populärsten zu einer “Agenda der Hoffnung” zusammengetragen. Wir freuen uns, dass viele dieser Forderungen bereits in den politischen Leitlinien von Ursula von der Leyen aufgegriffen wurden und wollen im Folgenden nochmals auf einige spezifische Punkte eingehen, die miteinander in Zusammenhang stehen:
Eine der Forderungen im Bereich Demokratie und Institutionen ist die Erhöhung der Bürger:innenbeteiligung und die Stärkung des Verständnisses über die EU. Hierzu sollen laut den Politischen Leitlinien Politikbereiche und Vorschläge ausgewählt werden, bei denen die Empfehlungen eines Europäischen Bürger:innenpanels hoch gewichtet werden sollen. Auch die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Politiker:innen vor Ort soll für mehr gegenseitiges Verständnis gestärkt werden.
Beim Thema Mobilität soll, angelehnt an die Forderung, einen effizienteren und besser zugänglichen Schienenverkehr zu entwickeln, eine Verordnung über die einheitliche digitale Buchung und Ausstellung von Fahrscheinen kommen. Europäer:innen sollten somit einen einzigen Fahrschein auf einer einzigen Plattform kaufen können und die Fahrgastrechte für ihre gesamte Reise erhalten.
Im Bereich der Landwirtschaft ist geplant , dass der European Biotech Act 2025 unter anderem dazu beiträgt, die Innovation in diesem Bereich zu stärken und ihn zu modernisieren. Eine Vision für Landwirtschaft und Ernährung, die sich mit der Frage befasst, wie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit unseres Landwirtschaftssektors im Rahmen der Grenzen unseres Planeten sichergestellt werden kann.soll in den ersten 100 Tagen Amtszeit erscheinen,
Ebenfalls sollten Investitionen in saubere Energieinfrastrukturen und -technologien ausgebaut und priorisiert werden. Dazu gehören erneuerbare Energien und kohlenstoffarme Technologien, Netzinfrastruktur, Speicherkapazität und Transportinfrastruktur für abgeschiedenes CO2. Die Politischen Leitlinien sehen ebenfalls einen Clean Industrial Deal
sowie Clean Trade and Investment Partnerships und einen Circular Economy Act vor, die Teile der Forderungen unserer Agenda der Hoffnung zum Thema Klimawandel und Umwelt einhalten würden.
Beim Thema Arbeit sollte eine Quality Jobs Roadmap faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen, Ausbildung und faire Arbeitsplatzwechsel für Arbeitnehmer und Selbstständige unterstützen, insbesondere durch die Ausweitung der Tarifverhandlungen, was zu einem gewissen Grad auch einen einfacheren Zugang zu Arbeitsplätzen verschaffen könnte. Leider wird jedoch das Problem der Jugendarbeitslosigkeit nicht spezifisch erwähnt.
Um “Made in Europe” zu unterstützen, soll es einen neuen Europäischen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit als Teil des Vorschlags für einen neuen und verstärkten Haushalt im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen geben.
Damit die Bildung gestärkt wird, soll eine Union der Kompetenzen geschaffen werden, die sich auf nachhaltige Investitionen in diesen Sektor, Erwachsenenbildung und lebenslanges Lernen, den Erhalt von Qualifikationen und die Anerkennung verschiedener Ausbildungsarten konzentriert, damit die Menschen in der gesamten EU arbeiten können. Weiterhin ist angedacht, auf einen europäischen Hochschulabschluss hinzuarbeiten sowie eine Initiative zur Übertragbarkeit von Qualifikationenzu schaffen, um sicherzustellen, dass eine in einem Land erworbene Qualifikation in einem anderen Land anerkannt wird. Die Kindergrundsicherung zu stärken, um soziale Ausgrenzung durch Bildung, Gesundheitsversorgung oder andere wichtige öffentliche Dienstleistungen zu verhindern und zu bekämpfen, ist ebenfalls Teil der Politischen Leitlinien.
Eine zentrale Forderung beim Thema Migration ist die Frage nach einem effizienteren europäischen Rechtsrahmen für Einwanderung, den die Politischen Leitlinien im Migrations- und Asylpakt sehen. Begleitend soll eine europäische Migrations- und Asylstrategie ins Leben gerufen werden, um eine zukunftsorientierte Vision zu formulieren und an künftige Herausforderungen anzupassen.
Ein übergeordneter Punkt der Politischen Leitlinien ist es, Forschung und Innovation in den Mittelpunkt unserer Wirtschaft zu stellen, wobei die Förderung von Forschung, Innovation und Technologie in Europa gleichermaßen eine Forderung der Jugend in der Agenda der Hoffnung ist.
Für uns als Junge Europäische Föderalist:innen ist Jugendpartizipation von zentraler Bedeutung. Besonders, dass junge Menschen sollen und müssen eine Stimme bekommen, damit sie ihre Zukunft selbst gestalten können. Die Verankerung ihrer Bedürfnisse auf Europaebene ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Die neuen Mehrheiten im Europäischen Parlament und die verschiedenen politischen Situationen in den Mitgliedsstaaten machen eine bürger:innen- sowie zukunftsorientierte europäische Politik, die die Rechte zukünftiger Generationen mitdenkt, zwingend erforderlich. Dafür braucht es eine starke europäische Kommission, die an demokratischen Prinzipien festhält und gemeinsam mit dem Rat und dem Parlament die Europäische Union im globalen Gefüge stärkt und zukunftsfähig macht. Ein wichtiger notwendiger und von vielen proeuropäischen Verbänden, Vereinen und Politiker:innen mitgetragener Schritt hierfür ist die Veränderung der europäischen Verträge.
Die Versprechen der Politischen Leitlinien dürfen jedoch keine leeren Worte bleiben oder wie das Europäische Jahr der Jugend nur als PR-Stunt dienen.
Bei der jetzt folgenden Nominierung und Ernennung der Kommissar:innen fordern wir, dass junge Menschen und ihre Forderungen konsequent mitgedacht werden.
Sonst sehen wir die Gefahr eines erneuten Vertrauensverlustes in die Europäische Union und eine weitergehende Erosion der europäischen Idee für diese und künftige Generationen an jungen Menschen.