Größe gewinnen – Die Schaffung eines neuen Verständnisses der EU-Erweiterungspolitik

Bundesausschuss 02. – 04.12.2022

Größe gewinnen – Die Schaffung eines neuen Verständnisses der EU-Erweiterungspolitik

Beschluss im Wortlaut:

Die EU ist mit ihrem Binnenmarkt der größte Wirtschaftsraum der Welt und eine Wertegemeinschaft, deren Mitgliedsstaaten sich zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Menschenrechten bekennen und einen immer größer werdenden Teil ihrer Politik gemeinschaftlich gestalten.

Der Integrationsprozess europäischer Staaten in die EU ist noch nicht abgeschlossen, weshalb mithilfe der EU-Erweiterungspolitik eine Vereinigung der europäischen Länder in ein gemeinsames politisches und wirtschaftliches Projekt gelingen soll. Die Erweiterungen der Union gründet sich dabei auf ihren Werten und unterliegen strengen Auflagen. Dadurch hat sich die EU-Erweiterungspolitik zu einem starken außenpolitischen Instrument der EU entwickelt, das die Transformation zahlreicher europäischer Staaten entscheidend mitgestaltet hat. Denn die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft hat sich als wichtiger Anreiz für Reformprozesse in den Kandidatenländern erwiesen, wodurch es gelingen konnte, die politische und wirtschaftliche Stabilität Europas zu stärken sowie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den Schutz der Menschenrechte zu fördern. Die Vergrößerung des Binnenmarktes hat zudem zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wohlstandes der EU beigetragen. Außerdem gewinnt die EU durch ihre Vergrößerung gleichzeitig ebenfalls weltweit an Gewicht und ist dadurch in der Lage, auf globale Herausforderungen wie den Klimawandel, Umweltschutz, Wettbewerbsfähigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse und Regulierung der Finanzmärkte besser zu reagieren.

Für die JEF stellt deshalb die Mitgliedschaft eines weiteren Staates in der EU immer eine Chance dar, weshalb mit einer überlegten und zugleich ambitionierte Erweiterungspolitik Europa nicht nur größer, sondern vor allem verbessert werden kann. Dafür ist allerdings die Bestimmung klarer, nicht verhandelbarer Beitrittsvoraussetzungen von Nöten sowie die Setzung von neuen Schwerpunkten im Beitrittsprozess, um die Europäische Einheit vollenden zu können.

I. Die Beitrittsvoraussetzungen

Jeder Staat, welcher der EU beitreten will, muss die Kopenhagener Kriterien vollständig erfüllen. Kern der Kopenhagener Kriterien sind die Werte der EU, die sich auch in Artikel 2 des EU-Vertrags wiederfinden. Dadurch müssen Staaten, die der EU beitreten, nicht nur Demokratien, sondern wehrhafte Demokratien sein, deren Verfassung die Werte der EU schützt. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Aufnahmefähigkeit der EU für neue Mitgliedstaaten. Für die Westbalkanstaaten hat die EU das Bestehen guter nachbarschaftlicher Beziehungen als zusätzliches Beitrittskriterium benannt.

Dennoch bedarf es einer zielgerichteten Reform der Kopenhagener Kriterien. Bei der Anwendung dieser überarbeiteten Kopenhagener Kriterien darf es keine Kompromisse mehr geben, denn wenn einem neuen Mitgliedsstaat schon beim Beitritt das Gefühl gegeben wird, unsere Werte seien verhandelbar, verliert die EU ihre Glaubwürdigkeit. Grundsätzlich darf es bei einem EU-Beitritt keine Rabatte, Vergünstigungen oder Opt-Outs geben.

Bei der Beurteilung des Aufnahmefähigkeitskriteriums darf es nicht nur auf wirtschaftliche Belange ankommen. Auch die Erhaltung einer funktionsfähigen Demokratie muss dabei Berücksichtigung finden. Wir sind der Meinung, das Kriterium der guten nachbarschaftlichen Beziehungen sollte für alle Beitrittskandidaten gelten. Für das Vorantreiben der europäischen Integration ist es nicht zielführend, neue Konflikte oder neues Konfliktpotential in die EU einzubringen. Unter vorgenanntem Kriterium verstehen wir nicht die vollständige Abwesenheit von Konflikt, sondern den unbedingten Verzicht auf Gewalt oder Drohung mit Gewalt sowie ein insgesamt respektvolles Miteinander. In Fällen, wo die Gewalt einseitig verschuldet ist, kann dieses Kriterium allerdings keine Anwendung finden.

Die EU muss jedoch nicht nur die Einhaltung ihrer Werte bei neuen Mitgliedstaaten sicherstellen. Europäische Werte sind für alle Mitgliedstaaten verbindlich und müssen effektiv durchgesetzt werden können. Neben der konsequenten Durchsetzung der EU-Grundrechtecharta bei der Durchführung von Unionsrecht ist es daher essentiell, die Einhaltung der Grundrechte in den Mitgliedstaaten zu überwachen und die Nichteinhaltung entsprechend zu sanktionieren. Entsprechende Verfahren über Strafzahlungen oder partikularen Stimmrechtsentzug müssen vom Rat der EU an den Europäischen Gerichtshof übergehen. Diese Kompetenzverschiebung ist nötig, um Blockadehaltungen einzelner Mitgliedstaaten im Rat zu verhindern und Grundrechte innerhalb der EU unabhängig aktueller nationaler Regierungen zu sichern.

II. Der Beitrittsprozess

Der derzeitige Beitrittsprozess ist aus unserer Sicht unzureichend. Neben der Förderung von Bildung, Justiz, Infrastruktur und zur Angleichung an den Binnenmarkt, muss die Unterstützung der Zivilgesellschaft mindestens genauso wichtig sein. Neben EU-eigenen Programmen und der Förderung lokaler Organisationen, müssen hierbei auch politische Stiftungen sowie politische und nichtpolitische Jugendorganisationen miteinbezogen werden. Ferner wollen wir allen Beitrittskandidaten und Staaten mit Beitrittsperspektive sowie den Staaten der Europäischen Nachbarschaftspolitik anbieten, gegen angemessene finanzielle Beteiligung, Teil des Programms Erasmus+ zu werden, anstatt nur Partnerland zu sein.

Manche Staaten mit europäischer Perspektive werden aufgrund außenpolitischer Faktoren, die sie selbst nicht oder nur geringfügig beeinflussen können, wahrscheinlich länger auf einen Beitritt warten müssen. Deshalb müssen vor einem EU-Beitritt zusätzliche optionale Zwischenschritte bestehen, die über eine Deep and Comprehensive Free Trade Area (DCFTA) hinausgehen. Dazu gehört eine Mitgliedschaft in der Europäischen Zollunion sowie im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Letzterer steht gegenwärtig nur den Mitgliedern der Europäischen Freihandelszone (EFTA) offen, was wir ändern möchten. Für Staaten, die nicht EFTA-, aber EWR-Mitglied sind, wären dann EuGH und EU-Kommission zuständig. Eine Reform bedarf es ebenfalls bei der Zollunion, damit EU- und Nicht-EU-Mitglieder von zukünftigen Freihandelsabkommen der EU gleichermaßen profitieren. Hierbei dürfen die Zollunion bzw. der EWR keine dauerhaften Alternativen zu einem EU-Beitritt sein, wobei die Anforderungen an Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte für einen EWR-Beitritt zwar niedriger als für einen EU-Beitritt sein sollten, jedoch immer noch höher als für einen Beitritt zur Zollunion.

Für den Beschluss zur Aufnahme und Abbruch von Beitrittsverhandlungen sowie dem Beitritt zum EWR müsste statt des Einstimmigkeitsprinzips die verstärkte qualifizierte Mehrheit erforderlich sein. Für den Beitritt zur EU sollte weiter das Einstimmigkeitsprinzip gelten, um über die Verhandlungen schwere Konflikte auf jeden Fall zu lösen.

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Kein weiterer Genozid an den Armenier*innen

Bundesausschuss, 03.12.22

Kein weiterer Genozid an den Armenier*innen

Beschluss im Wortlaut:

In der Nacht zum 13. September hat Aserbaidschan das souveräne Territorium Armeniens angegriffen. Der breit angelegte Krieg unter Einsatz von Artillerie und bewaffneten Militärdrohnen richtete sich gegen armenische Dörfer und Städte, die sich sowohl nahe der Grenze zu Aserbaidschan als auch tief im armenischen Kernland (wie z. B. auf den Kurort Dschermuk) befinden.

Über 200 armenische Soldat:innen sind gefallen oder werden vermisst. Es gibt Tote und Verletzte in der Zivilbevölkerung, zerstörte Häuser und Existenzen. Über 7.600 Zivilist:innen wurden vertrieben. Wieder einmal, nach dem 44-tägigen Krieg im Jahr 2020 um Bergkarabach, gab es zahlreiche Kriegsverbrechen: Kriegsgefangene wurden gefesselt, gefoltert, erniedrigt und getötet. Die Leichen getöteter Soldat*innen wurden geschändet.

Armenien ist eine der wenigen Demokratien im Südkaukasus. Seit 2018 befindet sich Armenien im Aufbau einer freien und pluralistischen Gesellschaft, in der europäische Werte und Menschenrechte eine zentrale Rolle spielen. Das größte Problem für die Existenz Armeniens stellt die Sicherheit des Landes dar. Das Land ist durch Autokratien, wie Aserbaidschan, Russland und die Türkei umgeben und wird stets in seiner Souveränität und Integrität bedroht.

Vor diesem Hintergrund ist es unerträglich, die gespaltene Reaktion der EU zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission in Bezug auf die Verurteilung der Angriffe zu sehen. Während das Europäische Parlament die Angriffe in vielen Anträgen verurteilt, macht die Kommission in bspw. der Person der Kommissionspräsident Ursula von der Leyen weitere Gasgeschäfte mit Alijews-Regime im Rahmen der “Kaviar-Diplomatie”.

Wir, die Jungen Europäischen Förderalist:innen stehen an der Seite Armeniens und betonen daher unsere klare Verurteilung des aserbaidschanischen Angriffskrieges.

Unsere Forderungen an die EU sind daher:

Verurteilung des aserbaidschanischen Angriffskrieges:

Die EU muss den Aggressor eindeutig benennen und ihn auffordern, das souveräne Gebiet Armeniens zu verlassen und somit den Stand vom 21. Mai 2021 wiederherzustellen.

Die EU soll ihre Mitgliedsstaaten sowie NATO-Mitglieder und ENP-Mitglieder (bspw. Israel) auffordern, keine weiteren Waffen und militärische Luftfahrzeuge (inklusive Drohnen) an Aserbaidschan zu liefern. Auch den Lieferungen von Dual-Use-Gütern stehen wir skeptisch gegenüber.

Die EU muss die destruktive Haltung Russlands und der Türkei in der Region verurteilen.

Wir unterstützen die von Emmanuel Macron im Rahmen des ersten Konvents der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPC) ausgehende Initiative der Einrichtung einer zivilen Mission der Europäischen Union entlang der Grenze Armeniens zu Aserbaidschan. Ebenso nehmen wir zur Kenntnis, dass Armenien und Aserbaidschan diesen Vorschlag am 07.10.2022 zustimmten, ein Bekenntnis zur Charta der Vereinten Nationen und der Erklärung zur Alma Ata von 1991 abgaben und somit die territoriale Integrität und Souveränität des jeweils anderen anerkannten. Dieses Gespräch ist begrüßenswert und soll fortgeführt werden, da wichtige Aspekte, wie die Zukunft der Republik Artsakh und die Sicherheit der armenischen Bevölkerung in der Region Bergkarabach, weiterhin unklar bleiben. Des Weiteren fordern wir, dass auch in dieser Region Friedenstruppen der Europäischen Union entsandt werden, um potentielle Verbrechen gegen die Menschheit zu verhindern. Besonders da durch die Totalblockade Artsakhs vom 03.12.2022 durch Aserbaidschan ethnische Säuberungen an der überwiegend armenischen Bevölkerung Artsakhs drohen.

EU-Mitgliedsstaaten sollen die Einberufung eines internationalen Strafgerichtshofs zur Aufklärung der Kriegsverbrechen in der Südkaukasus-Region nach dem Zerfall der Sowjetunion unterstützen. Des Weiteren soll eine Wahrheitskommission einberufen werden, um die Verbrechen gegen die Menschheit in dieser Region seit dem Zerfall der Sowjetunion aufzuklären.

Sanktionen gegen die politische Elite Aserbaidschans:

  • Regierungstreue Oligarch:innen verlieren ihren privilegierten Zugang zur Europäischen Union.
  • Das Einfrieren von Vermögenswerten von Staatspräsident Ilham Heydər Alijew und Vizepräsidentin Mehriban Alijewa (die Familie Alijew), den Ministerpräsident Ali Asadov, den Außenminister Jeyhun Bayramov, alle Milli meclis-Parlamentsabgeordneten, Vorsitzende des aserbaidschanischen Parlaments Sahiba Gafarova, Vertreter:innen des Militärs und zahlreichen Oligarch:innen.

Vorläufiges Sanktionspaket gegen die Regierung Aserbaidschans:

  • Die EU soll ein Embargo auf alle fossile Energieträger verhängen. Wir verurteilen die am 18. Juli 2022 getroffene Absichtserklärung der vertieften Zusammenarbeit mit Aserbaidschan, die vor allem auf die Erhöhung der Gaslieferungen abzielt.
  • Wir fordern die Aussetzung der Kooperation innerhalb der östlichen Partnerschaft mit Aserbaidschan, sowie die Aussetzung der strategischen Partnerschaft REPower EU Plan.

Sollte die aserbaidschanische Regierung keine Bemühungen um Frieden erkennen lassen, indem keiner der nachfolgenden Forderungen nachgegangen wird, bzw. die Situation weiter eskaliert, sollten die EU und ihre Mitgliedstaaten über folgende Sanktionen entscheiden.

  • Der Zugang Aserbaidschans zu wichtigen Schlüsseltechnologien wie Halbleitern, modernster Software sowie zu Dual-Use-Gütern soll beschränkt werden.
  • Exportverbote für Chemikalien, die zur Waffenherstellung genutzt werden können.
  • Es soll ein Importverbot für aserbaidschanisches Gold verhängt werden.

Forderungen an Aserbaidschan von deren Umsetzung weitere Sanktionsmaßnahmen abhängen:

  • Wir fordern, dass die am 07.10.2022 ausgerufene Waffenruhe eingehalten wird.
  • Die aserbaidschanische Regierung muss gewährleisten, dass es keine Massaker an armenischen und artsakhischen (Bürger:innen der Republik Artsakh) Personen mehr gibt.
  • Aserbaidschan muss unmittelbar, alle armenische und artsakhische Kriegsgefangene in Freiheit entlassen. Dies soll auch die Kriegsgefangenen des 44-tägigen Kriegs im Jahr 2020 umfassen.
  • Aserbaidschan muss seine militärischen Kräfte von der Ost- und Westgrenze von Armenien zurückziehen.
  • Aserbaidschan muss sich konstruktiv an den Friedensgesprächen beteiligen.
  • Aserbaidschan soll die Geschichtsschreibung nicht weiter als Waffe benutzen, sondern eine transnationale, völkerverbindende und auf Aussöhnung bedachte Geschichtsschreibung mit Armenien suchen. Hierzu zählt auch in einem längeren Aussöhnungsprozess die Anerkennung des Völkermords an die Armenier durch das osmanische Reich.
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Zeitenwende europäisch denken: Verfassungskonvent statt konventioneller Politik!

Bundeskongress, 15.10.22

Zeitenwende europäisch denken: Verfassungskonvent statt konventioneller Politik!

Beschluss im Wortlaut:

Das Europäische Haus brennt.

Es herrscht wieder Krieg in Europa. In diesem Krieg verteidigt die Ukraine unsere europäischen Werte, insbesondere unsere Freiheit und Demokratie, gegen die russische Aggression. Unsere Gesellschaft hat diese demokratischen Freiheiten viel zu lange als gegeben hingenommen, aber wir müssen tagtäglich für sie eintreten und gerade dann resolut für sie kämpfen, wenn sie bedroht werden. Dabei stehen die Europäische Union (EU) und ihre Mitgliedstaaten an der Seite der Ukraine. Gerade weil der Krieg unendliches Leid für die Menschen in der Ukraine bedeutet und die Zukunftspläne junger Menschen in Luft aufgehen lässt, müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten die militärische, wirtschaftliche und humanitäre Hilfe auf ein Maximum verstärken. Dazu gehören die Lieferung von Waffensystemen, umfassende Haushaltshilfen für die Ukraine, und Sach- und Finanzmittel zur Versorgung von ukrainischen Flüchtlingen und für den ökonomischen Wiederaufbau der Ukraine. Die Ukraine muss mit diesen Maßnahmen in die Lage versetzt werden, die russische Aggression zurückzuschlagen und den Krieg zu gewinnen, entsprechend ihrer Forderungen. Zugleich muss die Europäische Union die Schritte zur nachhaltigen und fundamentalen Integration der Ukraine in die EU mit Nachdruck fortzuführen. Wir blicken außerdem besorgt auf einige europäische Mitgliedstaaten. Die Wahlen der letzten Wochen in Schweden und Italien, bei denen rechtspopulistische, postfaschistische und antieuropäische Parteien zu den Siegern zählten, führen uns die Fragilität der EU und ihrer Werte besonders schmerzhaft vor Augen. In dieser Stunde rufen wir insbesondere demokratische Parteien verschiedener politischer Lager dazu auf, zusammenzustehen und ein Bollwerk gegen diese Entwicklung zu errichten.

Der soziale Zusammenhalt bröckelt in Europa.

Der Krieg hat Auswirkungen in ganz Europa und der Welt. Die gestiegenen Energiepreise und Inflation zwingen viele Menschen und insbesondere junge Menschen zu wirtschaftlichen Entbehrungen. Zur Heizsaison im Winter schaffen Horrorszenarien von ausbleibender Gasversorgung die Gefahr eines Verteilungskampfs über knappe Ressourcen. Politiker*innen und Medienvertreter*innen in Deutschland führen diese Diskussion noch immer mit ausschließlich nationalen Scheuklappen. Wie zu Beginn der Corona-Pandemie scheitern die politischen Entscheidungsträger*innen mit ihren nationalen Alleingängen daran, unseren gemeinsamen Problemen europäisch zu begegnen. Die deutsche Bundesregierung sollte alle Schritte auf europäischer Ebene unterstützen, solidarisch und gemeinsam mit diesen Herausforderungen umzugehen. Dazu gehören die europäische Beschaffung von Energieträgern, die Stärkung transnationaler Energienetze und die resolute Zusage, die grenzüberschreitende Energieversorgung und -verteilung in Europa unter keinen Umständen kollabieren zu lassen. Alles andere wäre ein politisches Armutszeugnis der deutschen Politiker*innen gegen dessen nationalkonservative Prägung wir als Junge Europäische Föderalist*innen resolut einschreiten werden.

Gerade in Zeiten ohnehin hoher sozialer Spannungen ist europäische Solidarität zur Überwindung gemeinsamer wirtschaftlicher und sozialer Herausforderungen unersetzlich. Seit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 hat sich die wirtschaftliche und soziale Situation von jungen Menschen viel zu langsam verbessert und die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern bricht das Versprechen Europas, jungen Menschen eine Zukunftsperspektive zu bieten. Die EU braucht endlich eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die das Leben junger Menschen nachhaltig verbessert. Die Debatte um europäische Fiskalregeln ist geprägt von nationalstaatlicher Engstirnigkeit. Stattdessen muss die Bundesregierung politischen Mut beweisen und die eingefahrenen Denkmuster der letzten Dekade hinter sich lassen und auf europäischer Ebene zukunftsorientierte Investitionen ermöglichen. Das bedeutet, die EU benötigt Fiskalregeln, die klimafreundliche Investitionen und Maßnahmen zur Digitalisierung von der Defizitberechnung ausnimmt und eine gemeinsame Aufnahme von europäischen Schulden aufbauend auf dem NextGenerationEU Programm. Gerade die deutsche Bundesregierung muss sich bewusst sein, wie stark erneute Forderungen nach haushälterischer Disziplin in anderen EU-Ländern das Vertrauen in Deutschland als verlässliche Partnerin in Europa zerstören. Deutschland ist heute und in Zukunft deutlich mehr auf den europäischen Zusammenhalt angewiesen. Eine kurzsichtige Politik hat in der heutigen Wirklichkeit keinen Platz. Auch in der Sozialpolitik müssen die Mitgliedstaaten darüber hinaus Maßnahmen ergreifen, durch die der soziale Zusammenhalt in Europa gestärkt wird. Die EU hat die Chance dem Versprechen der europäischen Säule sozialer Rechte durch eine Arbeitslosenrückversicherung und die wechselseitige Öffnung von Sozialsystemen für europäische Bürger*innen in ganz Europa gerecht zu werden, einhergehend mit Maßnahmen zur Förderung von Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Unfähigkeit, solche Entscheidungen als Bundesregierung voranzutreiben, wäre die enttäuschende Fortsetzung einer gescheiterten Politik der letzten Jahre, die die Augen vor den sozialen Problemen der Menschen verschließt.

Die Corona-Pandemie ist noch nicht gebannt und wird das Leben der gesamten Gesellschaft sowie junger Menschen auch weiterhin prägen. Junge Menschen mussten in der Pandemie viele Opfer bringen. Im Winter wird die Gefahr von neuen Coronavirus-Varianten uns erneut beschäftigen, möglicherweise auch mit den mittlerweile bekannten Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Dies hat nicht nur einen Einfluss auf das Sozialleben und die psychische Gesundheit junger Menschen, sondern auch die Möglichkeiten eine Ausbildung anzufangen, ein Studium zu beginnen oder in eine neue Stadt zu ziehen. Allein die Drohung, auch weiterhin das Leben im Standby-Modus zu führen, wird insbesondere die jungen Menschen treffen. Daher brauchen wir eine effektive gemeinsame Pandemiebekämpfung in Europa, die gleichzeitig die europäischen Freiheiten in Grenzregionen bewahrt.

Klimakollaps und Migrationskrise stellen die Glaubwürdigkeit der EU infrage.

Durch die Pandemie und die Energiekrise sind weitere europäische Herausforderungen zu stark in den Hintergrund getreten. Der vergangene Sommer war einer der wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn in Deutschland. Überschwemmungen sind an der Tagesordnung und Waldbrände in ganz Europa haben uns den zukünftigen Alltag vor Augen geführt. Aber unsere Gesellschaft steuert immer noch blindlings auf den Klimakollaps zu. Die beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, einschließlich der Umsetzung des Fit for 55 Programms, müssen kompromisslos verfolgt werden. Wenn die EU ihrem eigenen Anspruch gerecht werden möchte, eine Vorreiterin beim Klimaschutz zu sein, sind die bisherigen Bemühungen bei Weitem nicht genug.

Nicht zuletzt müssen die Herausforderungen des drohenden Klimakollaps überwunden werden, um Lebensgrundlagen in allen Teilen der Welt zu erhalten. Schon heute sehen wir Migrationsbewegungen in Reaktion auf klimatische Veränderungen. Die Politik des letzten Jahrzehnts hat hierbei, sowie der Migrationspolitik insgesamt, ein desaströses Bild gezeigt. In Auffanglagern in der Peripherie Europas wurde und wird die Menschenwürde mit Füßen getreten, denn eine inhumane Asyl- und Migrationspolitik scheint politischen Entscheidungsträger*innen offenbar opportun. Die feige Politik des Wegduckens und Verzögerns in Asyl- und Migrationsfragen führt aber zu realen Schäden für das Leben vieler und insbesondere junger Menschen. Aktuelle ad hoc Maßnahmen müssen endlich einer dauerhaften, humanen und gerechten gesamteuropäischen Lösung weichen, wie beispielsweise dem schon längst vorgeschlagenen EU-weiten Verteilungsschlüssel für Asylsuchende. Eine Blockade einzelner Mitgliedstaaten muss notfalls auch mit Sanktionen begegnet werden, denn die europäische Gemeinschaft darf nicht nur à la carte gelten, wenn sie den Menschen ein glaubhaftes Versprechen der Verteidigung europäischer Werte geben will.

Auch in anderen Politikfeldern wird der Wert der Rechtsstaatlichkeit innerhalb der EU noch immer missachtet. Auch wenn die Europäische Kommission nun regelmäßig Berichte über den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten verfasst, wird die Rechtsstaatlichkeit noch immer unzureichend respektiert. Vor allem wurde das Verfahren gegen Ungarn aufgrund von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit von der Kommission viel zu spät eingeleitet. Den Maßnahmen zum Schutz durch die EU-Kommission müssen nun glaubhafte Schritte beispielsweise in der Korruptionsbekämpfung und dem Schutz individueller Rechte folgen. Auch in anderen EU-Staaten muss der Schutz der Rechtsstaatlichkeit nachhaltig geschehen, sonst läuft die EU Gefahr, ihr internationales Ansehen als Leuchtturm der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verlieren.

Europa wird in Krisen geschmiedet.

Diese Polykrisen unserer europäischen Gegenwart schüren Zukunftsängste bei jungen Menschen in ganz Europa. Psychische Krankheiten in den entsprechenden Altersgruppen sind in den letzten Jahren auf ein erschreckendes Niveau gestiegen und werden sie für den Rest ihres Lebens zeichnen. Diese Krisen stellen unsere Gesellschaft vor die größten Zerreißproben der jüngeren Vergangenheit. Allerdings kann eine stärkere europäische Zusammenarbeit diese Krisen überwinden. Jetzt gilt es deshalb gemeinsam Brücken zu bauen, um die Abhängigkeit von russischer Energie aufzulösen, um soziale und wirtschaftliche Entlastungen für bedürftige Menschen in ganz Europa sicherzustellen und um den Klimawandel und die Migrationskrise nachhaltig zu bewältigen. Wir brauchen einen Reflex zur europäischen Einheit statt zum nationalen Eigensinn, denn gemeinsam können wir Sicherheit in einer Welt der Polykrisen garantieren.

Europäisches Wahlrecht verabschieden.

Für die Europawahl 2024 können hierfür die ersten Schritte genommen werden, die das institutionelle Fundament für diese verstärkte europäische Zusammenarbeit garantieren. Wenn die europäischen Bürger*innen über transnationale Listen Abgeordnete ins europäische Parlament wählen, wird die Europawahl zu einer echten Europawahl werden, in der gesamteuropäische Themen im Fokus der Wahlentscheidung stehen. Noch ist es nicht zu spät, ein neues europäisches Wahlrecht zu beschließen, das den transnationalen Charakter der Europawahl 2024 stärken wird. Darüber hinaus müssen die europäischen Parteienfamilien vor der Wahl erneut Spitzenkandidat*innen aufstellen und diese nach der Wahl endlich Kommissionspräsident*in werden, damit das Privileg zur Stimmabgabe bei der Europawahl echte Veränderungen herbeiführen kann, die von den Bürger*innen legitimiert sind.

Die EU erweitern.

Die vielfältigen Krisen betreffen nicht nur die Staaten innerhalb der EU. Nicht zuletzt die Ukraine, aber auch die Staaten des Westbalkans sowie Georgien und Moldawien sehen sich auch mit dem Krieg, wirtschaftlichen und sozialen Spannungen, Klimawandel und Migrationsbewegungen konfrontiert. Die EU muss die Beitrittsverhandlungen mit diesen Staaten energisch vorantreiben und leere Worthülsen ablegen. Ein Beitritt bis zur übernächsten Europawahl für diejenigen Staaten, die die Beitrittskriterien erfüllen, kann diese Blockade auflösen. Zu lange wurden einzelnen Staaten Bedingungen auferlegt, die nichts mit europäischen Werten der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu tun haben. Wir dürfen vor allem die jungen Menschen in diesen Staaten nicht enttäuschen und müssen sie als gleichwertige Teile der europäischen Familie anerkennen. Gleichzeitig darf die erneute Erweiterung der EU Bestrebungen der tiefgreifenden Integration nicht aufhalten, die wenn nötig auch nur mit einigen Mitgliedstaaten voranschreiten muss. Auch die neu geschaffene europäische politische Gemeinschaft darf Beitrittsbestrebungen von einzelnen europäischen Ländern nicht verhindern sondern muss einen zusätzlichen Mehrwert als breites europäisches Dialogforum liefern.

Jahr der Jugend nutzen.

Die Europäische Kommission hat das europäische Jahr der Jugend vor mehr als einem Jahr proklamiert – ohne einen konkreten Plan, geschweige denn eine Einbindung junger Menschen in den Entscheidungsprozess. Dieses Jahr der Jugend ist emblematisch für den Umgang von politischen Entscheidungsträger*innen mit der jungen Zivilgesellschaft: eine Beziehung auf Augenhöhe sieht anders aus. Gerade aus diesen Gründen hätte man das Jahr der Jugend für komplett gescheitert erklären können, bevor es überhaupt begonnen hatte. Aber noch können die europäischen Politiker*innen und insbesondere jene in den Mitgliedstaaten zum Ende des Jahres der Jugend die Forderungen junger Menschen ernst nehmen und einen Europäischen Verfassungskonvent einberufen. Dafür müssen sie jedoch zwingend junge Menschen und Vertreter*innen der jungen Zivilgesellschaft als gleichwertige Partner*innen in Entscheidungsprozessen beteiligen.

Europäischen Konvent erzwingen.

Die Staats- und Regierungschefs haben beim informellen Treffen des Europäischen Rats Anfang Oktober noch immer nicht auf das Bestreben des Europäischen Parlaments geantwortet, einen Konvent einzuberufen. Es gilt den Konvent nun durch noch stärkere Anstrengungen zu erzwingen, denn die Hoffnungen der Bürger*innen aus der Konferenz zur Zukunft Europas dürfen nicht unbeantwortet bleiben, wie es der Fünf-Praäsidenten Bericht 2015 und das Weißbuch über die Zukunft der EU 2017 geblieben sind. Es besteht ein Fenster der Möglichkeiten zur Einberufung eines Konvents, für den sich auch die Kommissionspräsidentin bei ihrer diesjährigen Rede zur Lage der Nation ausgesprochen hat. Der Europäische Rat steht damit zwischen den Institutionen isoliert da und wir fordern von der Bundesregierung, sich lautstark für die Einberufung eines Konvents auszusprechen. Mit skeptischen Mitgliedstaaten muss die Bundesregierung kreative Lösungen finden, wie ein Konvent einberufen werden kann. Denn insbesondere junge Menschen hatten noch nie die Möglichkeit, eine ambitionierte EU-Reform voranzutreiben, nachdem der letzte Anlauf Anfang der 2000er Jahre gescheitert war.

Die Zeit für eine EU Verfassung ist jetzt.

Wir werden uns mit nicht weniger als einer grundlegenden Neugestaltung der Europäischen Union zufriedengeben. Es gibt immer die Zögerer*innen, die aus Ideenlosigkeit, Gleichgültigkeit und Angst gegen Neuerungen stehen. Aber wenn in Zukunft gefragt wird, was wir getan haben, um unser Europa zu gestalten, werden wir sagen: Wir haben die Ideale europäischer Zusammenarbeit hochgehalten, auch wenn sie von unseren Politiker*innen zurückgelassen wurden. Das bedeutet für uns die klare Forderung: Die Zeit für eine EU-Verfassung ist jetzt!

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Für vollen föderalistischen Einsatz für transnationale Listen und EU-Spitzenkandidaten zur Europawahl 2024

Bundesausschuss, 12.03.22

Für vollen föderalistischen Einsatz für transnationale Listen und EU-Spitzenkandidaten zur Europawahl 2024

Beschluss im Wortlaut:

Die überparteiliche Europa-Union Deutschland (EUD) und Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland (JEF) fordern alle pro-europäischen Parteien im Europäischen Parlament und im Rat auf, rechtzeitig für 2024 allen EU-Bürgerinnen und Bürgern eine zweite Stimme in der Europawahl zu geben für neue Sitze in einem EU-weiten Wahlkreis über transnationale Listen der europäischen Parteien. Eine Wahl von Spitzenkandidatinnen und Kandidaten der europäischen Parteien auf EU-weiten transnationalen Listen stärkt die demokratische Legitimität der EU-Kommission durch einen noch klareren Zusammenhang zwischen dem Wahlergebnis und der Besetzung der europäischen Spitzenämter. Dass Kandidierende für EU-Spitzenämter nach dem Prinzip “ein Mensch, eine Stimme” EU-weit gewählt werden und dafür im Wahlkampf allen EU-Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort stehen, stärkt die demokratische Rechenschaftspflicht. Wo die Europawahl bisher zu sehr in 27 einzelne nationale Wahlen zerfiel kann die Wahl für Sitze in einem EU-weiten Wahlkreis, in dem alle Stimmen zusammen und gleich viel zählen, die europäische Qualität der Wahl so konkret und fühlbar machen wie nie zuvor.
Um den EU-Bürgerinnen und Bürgern für 2024 eine europäische Zweitstimme zu geben, muss das Europaparlament im Frühling einen Vorschlag vorlegen, der Rat noch im Sommer darüber verhandeln. Es braucht jetzt vollen Einsatz um diese große Chance zu ergreifen und die Europawahl 2024 zur Europäischsten jemals zu machen und eine große Enttäuschung der Bürger:innen, ähnlich wie 2019 als der Spitzenkandidatenprozess scheiterte, zu vermeiden. Der Bundesausschuss fordert das EUD-Präsidium, den JEF-Vorstand, die Landesverbände und alle Gliederungen der Europa-Union und JEF dazu auf, offensiv und mit Nachdruck für diese politische Forderung zu werben und den Einfluss ihrer Mitglieder in den verschiedensten europäischen und nationalen Institutionen dafür zu nutzen.

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Der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine – eine Zeitenwende für die EU

Bundesausschuss, 12.03.22

Der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine – eine Zeitenwende für die EU

Beschluss im Wortlaut:

Die Europa-Union Deutschland und Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland verurteilen den Angriffskrieg des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, auf das Schärfste. Wir stehen solidarisch an der Seite der Ukraine und ihrer Bevölkerung, über die dieser Krieg unsägliches Leid bringt, sowie auch all derjenigen, die sich in Russland und Belarus für Frieden, Demokratie und Freiheit einsetzen.

Die Gräuel des Krieges und das unermessliche Leid der Menschen in der Ukraine sind ein erneuter Tiefpunkt in der europäischen Geschichte und ein Rückschlag in den Bemühungen um eine dauerhafte Friedensordnung in Europa. Vor mehr als 70 Jahren haben sich mutige Frauen und Männer auf den Weg gemacht, nach den Schrecknissen zweier Weltkriege und des Nazi-Terrors ein neues Europa zu aufzubauen. Diese „vertiefte Gemeinschaft unter Völkern (…), die lange Zeit durch blutige Auseinandersetzungen entzweit waren“, wie es im Vertrag zu Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl von 1952 hieß, ist auf der Anerkennung der Freiheit und der Selbstbestimmung der Völker, von Demokratie und Menschenrechten gegründet.

Der Angriff Putins auf die Ukraine ist eine Absage an alles, wofür die europäische Idee steht, und daher eine Zeitenwende für Europa. Dieser Krieg ist ein Krieg gegen alle Menschen in Europa, die in Frieden leben wollen, und auch gegen eine liberale Weltordnung, die Demokratie und den Frieden in Europa und der Welt. Der Krieg bedeutet vor allem eine humanitäre Krise für alle Menschen in der Ukraine und daher müssen wir vornehmlich diesen Menschen jetzt helfen.

Der Schrecken des Krieges in der Ukraine macht andererseits die Notwendigkeit für die Weiterentwicklung und Stärkung der EU umso dringlicher. Langfristig bedeutet er, dass wir unsere europäische Friedens- und Sicherheitsordnung umgestalten müssen. Mit dem Angriffskrieg Russlands werden die Bündnis- und Zukunftsinteressen vieler europäischer Staaten neu geordnet: sie sehen ihre Zukunft jetzt noch viel mehr in der EU. Die EU als zentrale Friedensorganisation muss daher auch der Ukraine, Georgien und der Republik Moldau eine realistische Beitrittsperspektive eröffnen. Außerdem müssen die Staaten auf dem Westbalkan, die bereits den Status eines Beitrittskandidaten oder potenziellen Beitrittskandidaten innehaben, gerade jetzt noch stärker an die europäischen Strukturen angebunden werden, um in absehbarer Zeit eine realistische Beitrittsperspektive zu erhalten.

Der Krieg mitten in Europa führt uns Bürgerinnen und Bürgern in der EU erneut vor Augen, dass der Zustand des friedlichen und konstruktiven Miteinanders keine Selbstverständlichkeit ist, sondern immer wieder neu errungen werden muss. Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte können am besten durch eine starke und handlungsfähige Europäische Union geschützt und bewahrt werden.

Im Hertensteiner Programm von 1946 heißt es „Nur die Europäische Union wird in der Lage sein, die Unversehrtheit des Gebietes und die Bewahrung der Eigenart seiner Völker, größer oder kleiner, zu sichern.“

Vor diesem Hintergrund fordern die Europa-Union Deutschland und die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland:

  • die zügige Prüfung weiterer Sanktionen gegen den russischen Aggressor, um dessen Ressourcen zeitnah zu erschöpfen
  • die Fortsetzung der Bemühungen um eine Waffenruhe und echte Friedensverhandlungen auf allen Ebenen und mit aller Intensität;
  • humanitäre Hilfe vor Ort, Flüchtlingsaufnahme und eine Lebensperspektive für die geflüchteten Menschen in Europa;
  • weitere finanzielle Hilfen und Waffenlieferungen an die Ukraine;
  • eine enge politische Zusammenarbeit mit den legitim gewählten Regierungen der Ukraine, der Republik Moldau und Georgien für eine glaubwürdige EU-Beitrittsperspektive dieser Länder sowie für deren Anbindung an die europäische Wertegemeinschaft. Die sofortige Prüfung zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen durch die Europäische Kommission soll Priorität haben, um realistische Wege für diese Perspektive zu finden.
  • die Entwicklung und Umsetzung eines konkreten Plans zur zeitnahen Integration der Ukraine in weitere EU-Programme, zur schrittweisen Teilnahme am Binnenmarkt und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie zur engeren Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres;
  • die Entwicklung eines Wiederaufbauplans einschließlich eines EU-Fonds für die Ukraine für die Zeit nach dem Krieg;
  • Anklage aller Verantwortlichen dieses Angriffskrieges vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag;
  • Die Russische Föderation soll die Opfer dieses Angriffskrieges entschädigen;
  • weitere Verfolgung der Ziele: Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik, Stärkung des Außenbeauftragten (Vertretung bei den VN etc.) und des Europäischen Auswärtigen Dienstes EAD, schrittweise Schaffung einer echten Verteidigungsunion, erster Schritt gemeinsame Beschaffung aller Waffensysteme (in enger Abstimmung mit der NATO), Stärkung des Europäischen Parlaments etc.
  • die Stärkung der gemeinsamen Sicherheitspolitik durch einen europaweit koordinierten Ausbau militärischer Kapazitäten mit kompatiblen Systemen, die den Übergang zu gemeinsamen Einsätzen erleichtern;
  • massive europaweite Investitionen in die Entwicklung von Energiespeichertechnologien, um mittelfristig die Abhängigkeit von Öl- und Gas exportierenden Staaten zu erreichen
  • die Schaffung eines Gemeinsamen Asylsystems mit solidarischem Verteilungsmechanismus und gemeinsamen Verfahren und Grenzmanagement;
  • eine Initiative für eine globale Koalition der Demokratien.
BundessekretariatDer Angriffskrieg Putins auf die Ukraine – eine Zeitenwende für die EU
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Dem Westbalkan endlich eine echte Beitrittsperspektive bieten und der EU wieder näherbringen!

Bundesausschuss, 12.03.22

Dem Westbalkan endlich eine echte Beitrittsperspektive bieten und der EU wieder näherbringen!

Beschluss im Wortlaut:

Bereits 2003 sprach der Gipfel von Thessaloniki von einer europäischen Perspektive für den Balkan und damit letztendlich von seiner Integration in die Europäische Union (EU). Seitdem sind jedoch von den Ländern des Westbalkans nur Slowenien 2004 und Kroatien 2013 der Union beigetreten. Insbesondere durch den Angriffskrieg des russischen Präsidenten und seiner Regierung gegen die Ukraine wird erneut deutlich, dass Europa ein vereinter Kontinent werden muss. Denn die Bedrohung Russlands gilt ganz Europa und wird auch die Staaten des Westbalkans betreffen, sollte die russische Regierung ihre Aggressionen weiterverfolgen. Bereits jetzt übt sie Druck aus und nimmt Einfluss. Die EU-Mitgliedstaaten und die EU stehen daher in der Pflicht, endlich die ausreichenden notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um den Westbalkan vor der Erhöhung des russischen Drucks mit dem Ziel eines großrussischen Einflussgebiets zu schützen. Daneben ist seit Langem zu beobachten, dass die EU sowie die EU-Beitrittsperspektive, und damit auch die damit einhergehenden Versprechen, insbesondere unter jungen Menschen in den Staaten des Westbalkans an Glaubwürdigkeit verlieren. Das leistet auch der Gefahr einer Abkehr der pro-europäischen Ausrichtung Vorschub.
Die Erweiterung der EU war sowohl in der kroatischen als auch slowenischen Ratspräsidentschaft eine Priorität. Die aktuelle geopolitische Lage zeigt, dass dieser Fokus fortgeführt werden muss. Die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland (JEF) und die Europa-Union Deutschland (EUD) bekräftigen und unterstützen die Vertiefung der Gespräche, um dem Westbalkan mit ehrlicher Absicht eine echte Beitrittsperspektive zu bieten.
Angesichts des stagnierenden und langsamen Prozesses zur Beitrittsperspektive für die sechs Länder der Westbalkan Region (Montenegro, Serbien, Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina, Albanien und Kosovo) fordern die überparteiliche Europa-Union Deutschland und die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland daher von der Bundesregierung: gestützt auf den Beschluss der JEF vom 4. Oktober 2015:

  1. den Impuls für die gemeinsame europäische Entwicklung einer neuen Westbalkan-Strategie mit klaren Stufen und Zielen,
  2. die Verleihung des Kandidatenstatus für Bosnien-Herzegowina und Kosovo, die Aufnahme von Verhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien, sowie die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Serbien und Montenegro, wobei die Einleitung von weiteren Beitrittsschritten in Einklang mit ambitionierten Reformen innerhalb der Staaten erfolgen sollte,
  3. konkrete Beitrittsperspektiven und klar definierte Zwischenschritte für alle Westbalkan-Staaten,
  4. Anreize für stärkere intraregionale Kooperation des Westbalkans, etwa durch die gezielte Förderung gemeinsamer, grenzübergreifender Infrastrukturprojekte,
  5. verstärkte Möglichkeiten für die Jugend der Westbalkan-Staaten, in der EU zu studieren, vorübergehend zu arbeiten und mit europäischer Unterstützung Start-ups in ihren Heimatländern zu gründen,
  6. die Einbettung der neuen Westbalkan-Strategie in eine neue EU-Strategie der offenen Integration, die es Staatengruppen erlaubt voranzuschreiten, ohne andere EU-Mitglieder dauerhaft von den gemeinsamen Projekten auszuschließen,
  7. eine weitere finanzielle Unterstützung zivilgesellschaftlicher Strukturen, insbesondere von Jugendstrukturen, in den Ländern des Westbalkans, um sie in ihren Bemühungen im Aufbau einer wehrhaften Demokratie zu stärken.
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Für ein demokratischeres Europa – für ein echtes europäisches Wahlrecht

Bundesausschuss, 07.11.20

Für ein demokratischeres Europa – für ein echtes europäisches Wahlrecht

Beschluss im Wortlaut:

Der Bundeskongress der JEF möge beschließen:

1) Einen Antrag in dieser Sache für den nächsten Bundesausschuss der EUD Deutschland einzureichen.

2) Dass der Bundesvorstand die Inhalte dieses Antrags innerhalb der Europa-Union Deutschland aktiv vorantreibt.

Inhaltlicher Teil:

Die JEF nimmt zur Kenntnis, dass für das Wahlrecht zum Europäischen Parlament bislang nur die in Artikel 14 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) definierten allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze gelten und die konkrete Umsetzung bisher den Mitgliedstaaten durch nationale Wahlgesetze überlassen ist.

Die JEF nimmt weiterhin zur Kenntnis, dass bislang kein einheitliches Wahlrecht nach Artikel 223 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) existiert, ein solches nur bei Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten im Rat beschlossen werden kann und die Mitgliedstaaten nach ihren eigenen verfassungsrechtlichen Bestimmungen zustimmen müssen; in Deutschland ist etwa die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat notwendig.

Die JEF nimmt zur Kenntnis, dass das Vorschlagsrecht des Europäischen Parlaments für einen solchen Rechtsakt de facto wertlos ist, da jeder Mitgliedstaat ein Vetorecht hat.

Die JEF fordert: bei einer Reform der EU-Verträge muss Art. 223 AEUV dahingehend abgeändert werden, dass ein gemeinsames Wahlrecht für das Europäische Parlament auf Vorschlag des EP mit qualifizierter Mehrheit der Mitgliedstaaten im Rat beschlossen werden kann.

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Eine europäische Wahl braucht einen europäischen Wahlzettel

Bundesausschuss, 07.11.2020

Eine europäische Wahl braucht einen europäischen Wahlzettel

Beschluss im Wortlaut:

Der Bundeskongress der JEF möge beschließen:

1) Dass der Bundesvorstand die Inhalte dieses Antrags innerhalb der Europa-Union Deutschland aktiv vorantreibt.

Inhaltlicher Teil:

Die JEF nimmt zur Kenntnis, dass das Europawahlgesetz in §9, Abs. 1, Satz 3 die folgende Regelung „Der Bezeichnung ihres Wahlvorschlages kann eine Partei den Namen und die Kurzbezeichnung ihres europäischen Zusammenschlusses […] anfügen.“ trifft.

Die JEF nimmt weiterhin zur Kenntnis, dass diese Regelung entsprechend auch in §32, Abs. 1, Ziffer 1 der Europawahlordnung wie folgt hinterlegt ist: „als Wahlvorschlag einer Partei den Namen der einreichenden Partei und, sofern sie eine Kurzbezeichnung verwendet, auch diese; die Partei kann den Namen und die Kurzbezeichnung ihres europäischen Zusammenschlusses anfügen;“.

Die JEF fordert, dass aus dieser Möglichkeit, den europäischen Zusammenschluss auf dem Wahlzettel aufzuführen, eine Pflicht gemacht wird und die oben genannten gesetzlichen Rahmenbedingungen dementsprechend angepasst werden müssen.

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Die Pressefreiheit in Europa schützen und stärken!

Bundesausschuss, 07.11.20

Die Pressefreiheit in Europa schützen und stärken!

Beschluss im Wortlaut:

Pressefreiheit ist ein zentraler europäischer Wert und ein fundamentaler Baustein einer gesunden Demokratie. Wie die Studie MPM2020, welche im Auftrag der Europäischen Union durchgeführt wurde, aufzeigt, bestehen erhebliche Mängel an den Mediensystemen der Mitgliedsstaaten.

Wie die Studie ergeben hat, bestehen fundamentale Mängel bei dem Schutz von Journalisten, wie die Morde an der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia und dem slowakische Journalist Ján Kuciak gezeigt haben, einem pluralistischen Medienmarkt, wie zum Beispiel in Frankreich, Italien und Griechenland, wo große Teile der Medienlandschaft

Großkonzernen mit diversen anderen Geschäftsinteressen gehören, der politischen Unabhängigkeit von Medien, Sozialer Inklusion und den Herausforderungen der Digitalen Dimensionen. Diese Mängel gefährden eine unabhängige Berichterstattung und somit die Vierte Säule der Demokratie, wie auch in Deutschland durch die Wiederkehr des NS-Propagandabegriffs “Lügenpresse“ in den Sprachgebrauch zu sehen ist. Daher muss die Europäische Union auf diese Probleme eingehen. Es ist nun an der Zeit, ein Zeichen für die Pressefreiheit zu setzen und die JEF Europe-Kampagne “Democracy Under Pressure” durch eine eindeutige Beschlusslage zu ergänzen.

Daher fordern wir:

  • eine konsequente Fortführung der Verfahren wegen Verstößen gegen die Pressefreiheit.
  • eine regelmäßigere Vergleichsstudie zum Stand der Pressefreiheit in den EU-Mitgliedstaaten durch die Europäische Kommission.
  • dass die EU-Institutionen und die EU-Mitgliedstaaten die globale Pressefreiheit im Rahmen ihrer Möglichkeiten fördern.
  • dass die Mitgliedstaaten dazu angehalten werden, den Schutz von Journalist*innen vor Hass und Hetze, insbesondere im Internet, konsequent zu gewährleisten.
  • die Unabhängigkeit von Journalismus, insbesondere dem investigativen Journalismus, sicherzustellen.
  • Monopolisierungstendenzen in der Medienwirtschaft durch das Kartellrecht entschlossen entgegenzutreten. 
  • die Einführung eines europäischen Forschungsfonds zur wissenschaftlichen Identifizierung und Untersuchung neuer Geschäftsmodelle für Medien.
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Föderalistische Vision einer Europäischen Entwicklungspolitik

Bundesausschuss, 07.11.20

Föderalistische Vision einer Europäischen Entwicklungspolitik

Beschluss im Wortlaut:

Entwicklungspolitik sollte nicht nur als Reparaturbetrieb für akute Probleme gesehen werden, sondern auch als Engagement für eine bessere Zukunft der Menschheit. Wir sind überzeugt, dass der Grundsatz der Gleichheit sowie die Achtung der Menschenwürde unser aller Handeln, auch im Internationalen, leiten muss.

Gerade die JEF mit ihrem Bekenntnis zum Weltföderalismus muss deshalb in diesem Politikbereich ein dauerhaftes friedliches weltweites Zusammenleben anstreben. Internationale Zusammenarbeit und interkultureller Austausch sollte daher stets dem Wohle aller dienen. Damit ist die Verbesserung sowohl der rechtlichen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen als auch der kulturellen Lebenssituation von Menschen auf der gesamten Erde und gerade auch zukünftiger Generationen gemeint. Europäische Entwicklungszusammenarbeit sollte sich in diese Zielsetzung eingliedern und multidimensional angegangen werden. Welche Aspekte dabei von besonderer Relevanz sind, wird im weiteren Verlauf erläutert.

Demokratie stärken!

Demokratie und Menschenrechte sind die Grundlagen für Frieden, Wohlstand (im Sinne des Human Development Index) und Gerechtigkeit. Um diese Grundlagen zu ermöglichen, sollte die Europäische Union den politischen Wandel in diese Richtung weltweit stärker unterstützen. Diese zu stärken sollte Kern der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit der EU sein.

Als föderalistischer, demokratisch organisierter Jugendverband setzen wir uns daher nicht nur in Europa, sondern weltweit dafür ein, dass demokratische, freiheitliche und rechtsstaatliche

Prinzipien aufrechterhalten und weiter ausgebaut werden. Grundgedanke demokratischer Politik ist, Menschen an der Ausgestaltung ihrer eigenen Zukunft gleichermaßen zu beteiligen. Dies funktioniert in besonderer Weise durch Ownership, dass also Menschen sich die Zukunft ihrer Region zu eigen machen. Die EU sollte sich daher im Rahmen ihrer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit einerseits für freie und faire Wahlen, darüber hinaus aber auch für die Stärkung partizipativer Instrumente und einer aktiven Einbindung der Gesellschaft einsetzen.

Demokratie erfordert auch Rechtsstaatlichkeit, um die Gleichheit der Menschen zu garantieren, Menschenrechte zu verteidigen, Minderheiten zu schützen und ein vertrauensvolles Miteinander zu ermöglichen. Zudem wird die Gefahr von Korruption, Verfolgung und Enteignung verringert.

In all ihren Bemühungen muss stets das Wohl und die Würde jedes einzelnen Menschen, als Baustein einer Gesellschaft, im Mittelpunkt stehen. Dies setzt jedoch voraus, dass die unterschiedlichen Rollen, Funktionen und Zugehörigkeiten, die jede*r Einzelne in sich vereint, erkannt und respektiert werden. Keinesfalls sollte von der Existenz homogener Gruppen ausgegangen werden, was auf Grund der Unkenntnis der Geschichte anderer Länder häufig geschieht. Gerade benachteiligte Gruppen sollten nicht aus dem Blickfeld der Entwicklungspolitik geraten, auch um zukünftigen Konflikten vorzubeugen.

Multilateralismus leben!

Multilaterale Zusammenarbeit, als Grundprinzip internationalen Handelns, das versucht alle Staaten in ein System gegenseitiger Rechte und Pflichten einzubinden, ist die Grundbedingung einer internationalen Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das Prinzip der Gleichheit, das Multilateralismus unterliegt, sollte folglich auch Entwicklungszusammenarbeit leiten.Die Anerkennung der Gleichheit aller Staaten in einem system des Multilateralismus hilft, dass kleinere Länder bei wichtigen Entscheidungen berücksichtigt werden. Als positives Beispiel ist die African Development Bank zu nennen, an der sowohl Industriestaaten, die einen Beitrag zur Entwicklung Afrikas leisten wollen, als auch die afrikanischen Länder selbst beteiligt sind.

Um den Multilateralismus zu stärken, sollte die Europäische Union eine engere Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen und Organisationen anstreben, um nachhaltig Vertrauen zu den Menschen vor Ort aufzubauen und vor allem um auf die regionalen Herausforderungen einzugehen und regionale Entwicklungschancen zu unterstützen. Auf der anderen Seite muss sich die Europäische Union auch in den internationalen Organisationen, wie der Weltbank, den diversen UN-Organisationen etc., für eine Stärkung des Multilateralismus einsetzen und auf eine gute Repräsentation der Entwicklungsländer achten.

Vom Klimawandel besonders betroffene Regionen besonders unterstützen!

Angesichts des Klimawandels sind Länder des globalen Südens von dessen Auswirkungen am stärksten betroffen. Für diese besteht auf Grund der Änderungen der klimatischen Rahmenbedingungen insbesondere ein immenser Anpassungsdruck auf die lokale Landwirtschaft. Diese aber ist oft Grundlage jeglicher menschlicher Zivilisation. Gerade Entwicklungsländer benötigen Landwirtschaft, die meist vor allem aus Subsistenzwirtschaft besteht, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, ohne auf unsichere Kapitalzufuhr angewiesen zu sein. Die Europäische Union sollte deshalb in Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern kurzfristig die lokale Landwirtschaft unterstützen und langfristig dafür sorgen, dass deren Waren sowohl auf dem heimischen Markt sowie dem europäischen Exportmarkt wettbewerbsfähig sind, dabei sollen auch soziale und ökologische Aspekt berücksichtigt werden.

Wichtig ist hier vor allem aber auch, dass bereits bestehende, international vereinbarte Klimaschutzabkommen weiter durchgesetzt und aufgebaut werden. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sollten daher nur Projekte gefördert werden, die mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens vereinbar sind. Dabei muss die EU ihrer Verantwortung, Klimaanpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern finanziell zu unterstützen, nachkommen.

Darüber hinaus wird im Zuge des Klimawandels und des technischen Fortschritts die Vorhersage von Naturkatastrophen sowohl immer wichtiger als auch immer genauer. Den lokalen Akteur*innen sollten die Ergebnisse von Frühwarnsystemen so bald wie möglich zur Verfügung gestellt werden und sie sollten dabei unterstützt werden, Katastrophenfrühwarnsysteme aufzubauen. Im Zuge dessen sollte auch die Verbesserung der Gesundheitsvorsorge in diesen Ländern auf dem Programm stehen.

Nachhaltige Wirtschaftsmodelle fördern!

Da der Entwicklungszusammenarbeit nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen, sollte es nicht zwanghaft darum gehen, vorrangig die ärmsten Länder zu unterstützen. Mittel sollten eher dort eingesetzt werden, wo sie den meisten Mehrwert für die Menschen vor Ort liefern. Diese Erfahrungen nachhaltiger Zusammenarbeit können dann als Katalysator und Vorbild für die Entwicklung weiterer Regionen dienen.

Um eine nachhaltige lokale Wirtschaft zu fördern, sollte vor allem in Infrastruktur und Energieversorgung investiert werden, um moderne Formen des Wirtschaftens zu ermöglichen. Nachhaltigkeit, sowohl im ökologischen als auch ökonomischen Sinne, muss für diese Investitionen selbstverständlich sein. Der Ausbau der Infrastruktur etwa sollte sich nach den Bedürfnissen der Bevölkerung richten und auch von dieser sinnvoll genutzt werden können. Der Bau einer Autobahn bei einer kaum vorhandenen Motorisierung der Bevölkerung oder der Bau eines Staudammes zur Stromerzeugung ohne ein funktionierendes Stromnetz sind einleuchtende Gegenbeispiele.

Ein weiterer wichtiger Punkt zur Entwicklung eines Landes ist die Förderung der praxisorientierten Ausbildung sowie die allgemeine Verbesserung des Bildungssystems, das dabei noch Defizite aufweist.

Diese würde auch Innovationen in diesen Volkswirtschaften erleichtern. Durch die relativ junge Bevölkerung, das Fehlen von alten ökonomischen Strukturen und die dynamische Verstädterung in den Entwicklungsländern besteht viel Potenzial für neue, digitale und nachhaltige Geschäftsmodelle. Vor allem in diesen Bereichen kann viel von den sich entwickelnden Volkswirtschaften gelernt und wirtschaftliche Zusammenarbeit gestärkt werden. Ein Beispiel ist die starke Verwendung des mobilen Bezahlens in einzelnen Ländern des globalen Südens über Mobiltelefone, welche dort deutlich früher als in den Industriestaaten praktisch angewandt wurde. Die Erleichterung des Marktzuganges und länderübergreifenden Beteiligungen an Unternehmen wäre ein Weg der praktischen Umsetzung dieser Überlegung.

Kulturellen Austausch stärken!

Verstärkte internationale Zusammenarbeit und kulturelle Vielfalt stehen in keinem Widerspruch zueinander. Vielmehr ermöglicht gerade eine solche interregionale und kulturübergreifende Kooperation erst, die Grenzen des eigenen Bekannten zu überwinden und Respekt und Achtung für den einzigartigen kulturellen Schatz dieser Erde aufzubringen.

Die verstärkte Förderung internationaler Austauschprogramme nach dem Vorbild von Erasmus+ mit Entwicklungsländern ist für ein besseres globales Verständnis notwendig. Hierbei sollte insbesondere der Süd-Nord-Austausch gefördert werden. In diesem Zusammenhang bietet auch die Förderung internationaler Bildungsprogramme ein wichtiges Instrumentarium, um gerade jungen Menschen neue Perspektiven zu eröffnen, gegenseitig voneinander zu lernen und letztlich auch internationale Freundschaften zu schließen.

Die Vergabe von zeitlich begrenzten Arbeitsvisa könnte zudem einen Know-How-Austausch sowie den Aufbau von Kapital in Entwicklungsländern fördern. Zudem müssen lokale Partner und Angestellte in der Entwicklungszusammenarbeit fair bezahlt werden.

Zivilgesellschaft fördern und junge Menschen stärken!

Lokale politische und zivilgesellschaftliche Initiativen sind ein wichtiger Bestandteil friedlicher und lebendiger Gesellschaften und sollten daher in einem multidimensionalen entwicklungspolitischen Ansatz berücksichtigt, einbezogen und gestärkt werden. Die Stärkung und Etablierung dieser Initiativen sollte daher auch Ziel einer modernen Entwicklungspolitik sein. In dieser Zusammenarbeit sollte die EU daher vor allem auch ein solches Engagement, sowohl in Europa als auch in anderen Regionen, direkt fördern, entwicklungspolitische Instrumente gemeinsam mit den Einwohner*innen entwickeln und diese verstärkt beteiligen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die Mittel und Maßnahmen effektiv sind, indem sie dort ankommen, wo sie gebraucht werden.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, gerade jungen Menschen echte Repräsentation, Beteiligung und Einflussnahme zu ermöglichen, damit sie eigene Perspektiven auf ihre Heimat entwickeln und die Zukunft in ihrer Region selbst gestalten können.

Die Einbeziehung und Förderung junger Menschen müssen mit einer besseren finanziellen Ausstattung und Qualität öffentlicher Bildungssysteme einhergehen.

Mit starker und einheitlicher europäischer Stimme sprechen – institutionelle Anforderung an die EU und finanzielle Umstrukturierungen

Wie auch im Bereich der Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, gilt ebenfalls in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, dass die EU hier mit einer Stimme sprechen muss. Nur durch konsistentes und zielorientiertes Vorgehen, das sich an Europäischen Werten orientiert, kann die EU das Ziel, weltweit allen Menschen ein gutes, freies und gerechtes Leben zu ermöglichen, effektiv erreichen. Damit dies gelingt, bedarf es jedoch einiger institutioneller Reformen.

  1. Die Entwicklungspolitik der Mitgliedsländer sollte gesamteuropäisch koordiniert werden und gemeinsamen Leitlinien folgen, die sich ergänzen, anstatt im Widerspruch zueinander zu stehen. Dabei soll die EU selbst verstärkt Akzente setzen und bestehende Partnerschaften und Strukturen mittelfristig harmonisieren. Im Fokus muss dabei immer die Zusammenarbeit auf Augenhöhe stehen, um koloniale Muster zu überwinden und Programme im Sinne der Partnerländer zu ermöglichen. 
  2. Die Koordination dieser gemeinsamen EU-Entwicklungspolitik sollte daher in die geteilte Kompetenz der*des Hohen Vertreter*in für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), des Europäischen Auswärtigen Diensts und der*des Kommissar*in für internationale Partnerschaften fallen. 
  3. Konkrete regionale Partnerschaften sollen nach dem Vorbild von Städtepartnerschaften aufgebaut werden. 
  4. Aus finanzpolitischer Sicht sollte der Europäische Entwicklungsfonds in den Mehrjährigen Finanzrahmen eingegliedert werden. Dadurch würde dieser auch unter die strenge demokratischen Kontrolle, Rechenschaftspflicht und Transparenz des Europäischen Parlaments fallen. 
  5. Einheitliche Vergaberichtlinien sowie die transparente Vergabe von Mitteln müssen das Risiko von Korruption verringern. Die zur Verfügung stehenden Mittel sollen die völkerrechtlich im Rahmen der Vereinten Nationen definierten 0,7% des Bruttoinlandsproduktes nicht unterschreiten. 
  6. Für den besseren Schutz von Menschenleben sollte die humanitäre Hilfe konsequent von der Entwicklungszusammenarbeit getrennt und von Sanktionen ausgenommen werden.

Die Werte, die die EU nach außen vertritt, muss sie auch selbst leben. In Bezug auf partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe und Multilateralismus sollte sie ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Der zentrale Lackmustest in diesem Bereich ist die Entwicklungspolitik, da hier ein Machtgefälle vorliegt. Somit wird deutlich, ob Zusammenarbeit oder die Durchsetzung eigener, kurzfristiger Interessen überwiegt.

 

 

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