Beschluss im Wortlaut:
Im achten Jahr nach der globalen Finanzkrise, die auch eine europäische Krise war und immer mehr wurde, versammeln sich die JEF Deutschland erneut, um die offensichtlichen Lösungen erneut zu benennen. Die Geduld der Jugend Europas mit dem Stillstand des europäischen Projektes hat ihr Ende erreicht. Die Zahl der Gegner Europas wächst an. Sogar in Deutschland, wo man vor wenigen Jahren den Aufstieg der rechtspopulistischen Parteien in den anderen europäischen Ländern noch mit Kopfschütteln quittierte, ist der „europafeindliche Populismus angekommen. Es gibt jetzt eine Opposition nicht nur zum europäischen Projekt, sondern zur freien und offenen Gesellschaft insgesamt.
Obschon die Jugend Europas diejenige Gruppe ist, welche am längsten darunter leiden wird, dass zur Zeit unsere Zukunft verspielt wird, verschafft sie sich nicht das nötige Gehör. Nicht erst seit Beginn der Krise geben die JEF der Jugend Europas eine Stimme. In diesem Antrag zeigen wir erneut die Probleme und auf und skizzieren Lösungen, die bereits lange überfällig sind.
Probleme und Beobachtungen der Gegenwart
a) Mit Sorge betrachten wir das Aufkommen und die Verbreitung von europafeindlich-populistischen Meinungen, welche von Politiker*innen unterschiedlicher Parteien in unverantwortlicher Weise bedient oder sogar befeuert werden. Auf Schwarz-Weiß-Denken basierende Vorschläge werden als vermeintliche Lösungen für komplexe und vielschichtige Herausforderungen der Gegenwart verkauft. Allzu oft werden hierbei antieuropäische Antworten angeboten und populär gemacht. Die JEF appelliert daher an die Politik sich auf ihre Verantwortung für die Erarbeitung tragfähiger und umsetzbarer sowie zukunftsweisender Lösungsvorschläge zu besinnen, mögen diese auch manchmal unpopulär sein. Denn es ist im Sinne des Altbundespräsidenten Walter Scheel nicht die Aufgabe des Politikers, die öffentliche Meinung abzuklopfen, sondern vielmehr, das Richtige zu tun und es dann populär zu machen. Die JEF bekennen sich zu einer Stärkung der Demokratie auf europäischer Ebene in einem föderalen Bundesstaat.
b) Seit Beginn der Krise haben die Regierungen der Nationalstaaten die europäische Demokratie systematisch geschwächt. Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs waren das Mittel der Wahl, um Probleme der Gemeinschaft zu lösen. Das kurzfristige Ergebnis sind ohne öffentliche Kontrollmöglichkeit entstandene Verhandlungslösungen, die von den Volksvertretungen nur noch abgenickt werden konnten, weil eine Ablehnung eine Blockade in der EU ausgelöst hätte. Das langfristige Ergebnis ist noch weit schädlicher. Aus politischen Debatten, in denen Menschen mit verschiedenen politischen Positionen um die Gunst der Wähler wetteifern, sind zwischenstaatliche Debatten geworden. In einer politischen Debatte hat der einzelne Bürger die Möglichkeit, zwischen politischen Programmen zu wählen und Politiker streiten um den richtigen Weg zum Gemeinwohl. In zwischenstaatlichen Debatten hat der Bürger keine Wahlmöglichkeit, sondern findet sich aufgrund seiner Nationalität in einem politischen Lager wieder. Deutsche und Griechen, Finnen und Spanier geraten in einen unversöhnlichen Gegensatz zueinander. Unser Ansatz ist eine Europäisierung der Politik. Die Rolle des EP wurde durch den ER geschwächt. Diesem Demokratiedefizit müssen wir gegensteuern zB dadurch, dass die freiwerdenden 73 Sitze von UK im EP durch Wahlen für EU-weite Listen besetzt werden. Dies ist ein erster Schritt zu einem einheitlichen europäischen Wahlrecht. Europäische Parteien, Gewerkschaften und Verbände müssen der Katalysator der politischen Debatte in Europa sein, nicht nationale Regierungen. In einer solchen Debatte stehen nicht mehr Iren und Malteser oder Franzosen und Rumänen gegeneinander, sondern Konservative und Linke, Sozialdemokraten und Liberale.
c) Mit Sorge betrachten wir:
dass die Fidesz-Partei in Ungarn die liberale Demokratie unterläuft. Das Verfassungsgericht ist entmachtet, die freie Presse stark eingeschränkt und Opposition wird von der Regierung als illegitim und als Werkzeug ausländischer Agenten diffamiert. In Ermangelung einer vorausgegangenen freien politischen Debatte ist das Referendum vom 2. Oktober 2016 zur Flüchtlingspolitik kaum aussagekräftig und stellt eher den Versuch der Regierung dar, ihren Anspruch auf Repräsentation des ungarischen oder sogar europäischen Volkswillens künstlich zu legitimieren.
dass die polnische Regierung Entscheidungen des Verfassungsgerichts demonstrativ ignoriert unter der Begründung, dass dieses ein politischer Gegner sei und dass sie die öffentlich-rechtlichen Medien unter dem Vorwand der Objektivität in Regierungsmedien umgewandelt.
dass Parteien wie der Front National, die AfD, die PVV, die Lega Nord, Movimento Cinque Stelle und andere die liberale Demokratie ablehnen und jede politische Debatte durch einen wahren Willen des Volkes, den nur sie zu kennen vorgeben, ersetzen wollen.
d) Die demokratiefeindlichen Kräfte in der EU sind Teil eines internationalen Trends. Wir kritisieren dabei insbesondere:
dass Wladimir Putin und seine Partei “Einiges Russland” seit Jahren die Presse- und Meinungsfreiheit in Russland unterdrücken, Oppositionelle einsperren, Wahlen manipulieren und Minderheiten bekämpfen. Die verkappte Unterstützung des Krieges in der Ostukraine durch die Russische Föderation ist ein Bruch des Völkerrechts gefährdet die Stabilität von ganz Europa. „Wir rufen die russische Regierung dazu auf, rechtsstaatlich und friedlich an einer europäischen Friedensordnung zu arbeiten.
dass der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Putsch zum Anlass genommen hat, einen offensichtlich lange vorbereiteten Staatsstreich durchzuführen. So hat er Kriminelle vorzeitig aus der Haft entlassen, um Platz für zehntausende Regierungsgegner zu machen. Ihm potentiell nicht ergebene Mitarbeiter des Staatsapparates hat er entlassen, um diesen von jeder Opposition zu säubern. Die Pressefreiheit unterdrückt er bereits seit Jahren. Außerdem hat Erdogan den Friedensprozess mit den Kurden aufgekündigt und setzt stattdessen auf einen Bürgerkrieg. In Syrien unterstützt Erdogan den IS zumindest indirekt. Einen EU-Beitritt der Türkei unter der Führung Erdogans lehnen wir ab. Ferner muss die EU ihrer Verantwortung in der Flüchtlingspolitik selbst nachkommen und darf sich nicht in die Abhängigkeit eines Unrechtstaates begeben. Erdogan führt ein solches Regime.
Das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei erfüllt nicht die rechtsstaatlichen Standards, welche die EU für sich selbst als rechtsverbindlich erachtet.
e) Die Entscheidung des britischen Volkes, nicht mehr Teil der EU sein zu wollen, bedauern wir. Das erklärte Ziel der britischen Regierung ist, Großbritannien im europäischen Binnenmarkt zu halten, aber die Freizügigkeit für EU-Bürger in Großbritannien abzuschaffen. Das lehnen wir ab. Man kann nicht den Markt mit uns teilen wollen und uns gleichzeitig aussperren. Das Vereinigte Königreich darf gerne, so wie Norwegen, am Binnenmarkt teilhaben, wenn wir und auch die Briten weiter Freizügigkeit genießen.
Ausrichtung auf die Zukunft
Die JEF bekräftigen ihr politisches Programm und fordern den nächsten Bundesvorstand auf, dieses, gemeinsam mit den Landesverbänden, einer Generalrevision zu unterziehen. Die JEF zeichnet sich durch ihre differenzierte Betrachtung der Globalisierung aus. Sie lehnt diese weder grundsätzlich ab, noch steht sie ihr unkritisch gegenüber. Wir sind dafür, dass Europa nicht dazu dient, die Globalisierung zu beschränken, sondern dass es die globalen Trends setzt und die Globalisierung konstruktiv gestaltet. Wir befürworten freien und fairen Welthandel. Freihandelsabkommen können dabei auch ein Werkzeug sein, hohen europäischen Sozial-, Umwelt- und Sicherheitsstandards in der Welt zu verbreiten. Deshalb wenden wir uns nicht gegen per se gegen die transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA, fordern aber, dass diese zu höheren, und nicht zu niedrigeren Standards führen dürfen, sowie, dass die demokratischen Prozesse nicht ausgehöhlt werden. Des Weiteren lehnen wir die Verankerung von internationalen Schiedsgerichten in Handelsabkommen ab. Auch fordert die JEF mehr Transparenz bei der Verhandlung von Freihandelsabkommen. So ist die Einbeziehung des Europäischen Parlamentes als demokratisch legitimierte Vertretung der Bürger*innen dringend notwendig.
Globale Trends können wir nur setzen, wenn wir bei der Innovation und der wirtschaftlichen Stärke führend sind. Die EU muss mehr in Wissenschaft und Forschung investieren und den Standort Europa attraktiv für Wissenschaftler machen. Der wissenschaftliche Fortschritt muss genutzt werden, um die Innovationsfähigkeit unserer Unternehmen zu fördern. Der Binnenmarkt ist nach wie vor unvollendet. Beispielhaft sei der Kampf um die Abschaffung der Roaming Gebühren genannt, die nun 2017 tatsächlich erfolgen soll. Nationale Ökonomien verhindern aber auch eine Europäisierung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer bzw. die Schaffung der Rahmenbedingungen hierfür, Einer der entscheidenden Faktoren bei den gegenwärtigen antieuropäischen Bewegungen ist, dass viele Bürger die mit der zunehmenden internationalen Verflechtung als unkontrollierbare Entgrenzung wahrnehmen, bei der in den letzten Jahrzehnten gewonnene Lohn- und Sozialstandards durch internationale Konkurrenz untergraben werden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang jedoch auch die schädlichen Praktiken der Steuervermeidung sowohl innerhalb der EU als auch mithilfe außereuropäische Steueroasen Das Fehlen dieser beträchtlichen Steuereinnahmen schränkt die staatlichen Gestaltungsmöglichkeiten zum Wohle der Bürger, beispielsweise in der Sozialpolitik, deutlich ein Globaler Handel erfordert deshalb auch globales Handeln z.B. im Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerflucht. Nur wenn die Europäische Union als Ganzes mehr soziale Sicherheit garantiert als die Nationalstaaten alleine, wird die Akzeptanz wachsen. Gegenwärtig kann man jedoch den gegenläufigen Trend beobachten. Insbesondere in Südeuropa hält die Europäische Union ihr Wohlstandsversprechen nicht ein.
Die Jugendarbeitslosigkeit bleibt eines der drängenden Probleme in Europa. Wenn die Innovationskraft der europäischen Wirtschaft gestärkt, der Binnenmarkt vollendet und das Steuersystem transparenter gestaltet wird, können junge Menschen Arbeit finden oder selbst Unternehmen gründen.
In der gegenwärtigen Lage ist es illusorisch, zu glauben, dass alle Mitgliedstaaten an einer Weiterentwicklung der EU in den oben skizzierten Bereichen mitzuwirken bereit sind. Wir befürworten deshalb, dass einige Staaten vorausgehen. Ein erfreuliches Beispiel ist die kürzlich beschlossene vertiefte Kooperation zwischen den deutschen und französischen Streitkräften. In Zukunft muss militärische Kooperation zu einem integrierten europäischen Militär fortentwickelt werden. Die zur Rettung des Euro geschaffenen Institutionen müssen in eine echte europäische Wirtschaftsregierung umgewandelt werden. Auch eine europäische Sozialpolitik kann mit einigen wenigen Ländern gestartet werden. Das seit dem Amsterdamer Vertrag vorgesehene und im Lissabonner Vertrag fest verankerte Prinzip der „verstärkten Zusammenarbeit“ kann hier als rechtliche Grundlage herangezogen werden.
Der Bundestagswahlkampf muss, so wie in Landtagswahlkämpfen die Bundespolitik eine Rolle spielt, auch die europäischen Auswirkungen der Bundestagswahl berücksichtigen. Wir brauchen eine Bundesregierung, die nicht nur etwa in der Renten- und Gesundheitspolitik, sondern auch auf europäischer Ebene zukunftsgewandte Politik macht.