Für ein Schengen-System, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird!

1. Bundesausschuss 2016 in Brüssel, 08.04.16

Für ein Schengen-System, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird!

Beschluss im Wortlaut:

Wir, die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland, fordern ein SchengenSystem, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird.

Ein solches Schengen-System muss erstens zur wirksamen Migrationssteuerung beitragen, zweitens die Verbesserung der inneren Sicherheit auf dem Territorium der EU sowie den Schutz nach außen gewährleisten und drittens dem Grundsatz der Freizügigkeit Priorität einräumen.

Deshalb fordern wir:

1. Dublin-Verordnungen abschaffen und eine Gemeinsame Europäische Asylpolitik einführen

Unter dem Druck der anhaltenden Fluchtbewegungen in die EU hat sich die Schwäche der Dublin-Verordnungen offenbart und als ineffektiv, ungerecht und nicht mehr zeitgemäß erwiesen. Anstelle der Dublin-Verordnungen muss eine gemeinsame europäische Asylpolitik treten. Deren Kern muss erstens aus der Harmonisierung administrativer und rechtlicher Standards in der Asylpolitik der Mitgliedstaaten, zweitens aus der Einführung einer verbindlichen Verteilung von Flüchtlingen unter Koordination der EU-Kommission und drittens der Umgestaltung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen zu einer Europäischen Asylbehörde (European Asylum Authority), die mit entsprechenden Kompetenzen, Kapazitäten und Ressourcen ausgestattet ist, bestehen.

2. Kein “Mini-Schengen”: Griechenland nicht alleine lassen

Ein vielerorts diskutiertes Szenario, wonach Griechenland gemäß Artikel 26 des Schengener Kodex aus dem Schengen-System suspendiert werden könnte, widerspricht dem europäischen Solidaritätsprinzip und trüge nicht zur Lösung der Probleme bei, welche aus der hohen Zahl von nach Europa flüchtenden Menschen resultieren. Ein “Mini-Schengen” unter Aufnahme einiger weniger Mitgliedstaaten würde einen Rückschritt im europäischen Integrationsprozess bedeuten. Vielmehr muss Griechenland bei seinem Grenzmanagement und der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt werden (vergleichbar mit Forderung 1,2,3,4,7).

3. Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke (Rapid Border Intervention Teams) unter die Führung der EU-Kommission stellen

Zahlreiche Mitgliedstaaten der EU, insbesondere Staaten entlang der Balkanroute und Griechenland, haben innerhalb der letzten Monate die Kontrolle über die Sicherung ihrer europäischen Außengrenzen verloren. Gleichzeitig hat sich die humanitäre Situation unzähliger Flüchtlinge dramatisch verschärft. Es zeigt sich, dass das Krisenmanagement dieser Staaten nicht ausreicht, um effektives Grenzmanagement zu gewährleisten und um die humanitäre Notlage dieser Flüchtlinge zu verhindern. Die EU muss sich dieses Problems unverzüglich annehmen, um wieder geordnete Verhältnisse an den Grenzen herzustellen. Hierfür muss die EU die Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke weiterentwickeln. Damit einher geht einerseits die Erhöhung von Personal, Kapazität und Budget und andererseits die konzeptionelle Veränderung, die sich im Wesentlichen dadurch auszeichnet, dass ab sofort die EU-Kommission über die Entsendung der Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke entscheidet und nicht – wie bisher – die betroffenen Mitgliedstaaten.

4. Das Recht, tätig zu werden: Europäischen Zivilschutzmechanismus stärken und EU-Kommission mit Entscheidungskompetenz ausstatten

Der Europäische Zivilschutzmechanismus hat im vergangenen Jahr zahlreiche EU-Mitgliedstaaten, wie Ungarn, Griechenland und Kroatien, bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen unterstützt, die bei ihrer Einund Durchreise in EU-Mitgliedstaaten festsaßen. Gleiches leistete der Europäische Zivilschutzmechanismus für Nicht-EU-Staaten, wie Serbien und Mazedonien, die ebenfalls große Anzahl von Flüchtlingen aufnahmen. Aufgrund dieser zunehmenden Inanspruchnahme des Europäischen Zivilschutzmechanismus müssen seine finanziellen Mittel kurzfristig erhöht werden.

5. Entwicklung eines Frühwarnsystems für Fluchtbewegungen durch die Europäische Asylbehörde

Die neugeschaffene Europäische Asylbehörde (siehe Forderung 1: DublinVerordnung abschaffen und eine Gemeinsame Europäische Asylpolitik einführen) muss mit der Aufgabe betraut werden, ein Frühwarnsystem für Fluchtbewegungen zu entwickeln, sodass die EU zukünftig in der Lage ist, vorbereitende humanitäre Maßnahmen zu treffen, ehe Fluchtbewegungen die EU erreicht haben. Die Flüchtlingskrise entstand nicht aus dem Nichts.

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Zeitgemäße und humane Asyl- und Migrationspolitik in der EU

62. Bundeskongress in Berlin, 04.10.15

Zeitgemäße und humane Asyl- und Migrationspolitik in der EU

Beschluss im Wortlaut:

Zeitgemäße und humane Asyl- und Migrationspolitik in der EU

Die Europäische Union steht im Rahmen der derzeitigen Flüchtlingssituation vor einer ihrer größten Herausforderungen. Die anhaltenden Flüchtlingsströme, die steigende Anzahl der Toten im Mittelmeer, die Überlastung vieler Mitgliedsstaaten und ihrer föderalen Untergliederungen, die humanitär katastrophalen Zustände für Flüchtlinge in einigen Mitgliedsstaaten, verstärkter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie die wachsende Konzentration auf nationale Grenzen stellen die EU vor eine neue Situation, in der sie es derzeit weder schafft ihren Grundwerten, noch ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Daher fordern die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland die Entwicklung einer neuen gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik.

1. Gegen Rassismus und Hetze

a. Die JEF Deutschland stellt sich gegen jede Form rassistischer und fremdenfeindlicher Hetze gegenüber Migrant*innen und insbesondere gegenüber Geflüchteten. Ausschreitungen nationalistischer und extremistischer Gruppierungen wie Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte zeugen von einer Intoleranz, die in der deutschen und der europäischen Zivilgesellschaft glücklicherweise bisher keine Mehrheit findet und auch keinen Platz finden darf. In den letzten Wochen wurde die Hilfsbereitschaft der europäischen Bürger*innen an vielen Stellen deutlich, die Leistung von Haupt- und Ehrenamtlichen in München, Wien, Budapest und andernorts ist beeindruckend. Umso bedauerlicher ist es, wenn gerade die Regierungen einiger Mitgliedstaaten weiterhin nationale Ressentiments schüren und unberechtigte Vorurteile bedienen. Geflüchtete sind keine Invasoren, sondern benötigen einen sicheren Ort – wir fordern deshalb eine solidarische Asylpolitik.

b. Die EU muss gemeinsam mit weiteren europäischen Ländern offen Antiziganismus in Europa thematisieren und begegnen. Ein großer Teil der Flüchtlinge aus der BalkanRegion sind Sinti und Roma. Sie sind systematisch in ihren Herkunftsländern benachteiligt, wie beispielsweise durch den Ausschluss der Kinder vielerorts von der Schule. Dadurch ist eine Eingliederung in das Arbeitsleben häufig unmöglich. Auch innerhalb der EU sind Sinti und Roma in einigen Ländern benachteiligt, eine von Behörden und Bevölkerung benachteiligte Minderheit und täglichem Rassismus ausgesetzt. Dies hat zu starker innereuropäischer Migration dieser Personengruppe geführt. Wir fordern daher, dass die Mitgliedsstaaten gemeinsam mit den Balkanländern an einer konsequenteren Umsetzung der Antiziganismusstrategie arbeiten, um die Situation von Sinti und Roma im Balkan als auch in allen EU-Mitgliedsstaaten zu verbessern. Nur durch Anerkennung, dass Europa insgesamt hier ein gesellschaftliches Problem hat und durch bewusste gemeinsame strukturelle Maßnahmen, kann dieses Problem überwunden und können die starken Wanderbewegungen gelindert werden.

2. Sicher sein – Für eine solidarische Asylpolitik

a. Wir fordern sichere Wege zur Geltendmachung des Menschenrechts auf Asyl. Niemand darf sein Leben riskieren müssen, um die letzte Etappe in die EU zu meistern. Wir begrüßen die Aufstockung der finanziellen Mittel und die Ausweitung des Einsatzgebietes der Operation Triton. Wir fordern, dass Triton die finanzielle Aufstockung nach dem Vorbild von Mare Nostrum verwendet, um dem Ziel der Küstenwache zur Seenotrettung gerecht zu werden. Trotz aller Bemühungen wird es sich voraussichtlich nicht vermeiden lassen, dass dennoch Menschen im Mittelmeer sterben. Ein pietätvoller Umgang mit den Leichnamen ist ein Grundwert unserer Gesellschaft, eine würdige Einzelbestattung muss in Europa ermöglicht werden. Die Errichtung von Stacheldrahtzäunen und der Einsatz von militärischen Einheiten zur Grenzsicherung durch einzelne Mitgliedsstaaten zeigt in diesen Tagen die inhumane Dimension der Asylpolitik Europas: Ein Grundrecht endet nicht am Grenzzaun!

b. Wir fordern neue Einreisebestimmungen, die es Menschen ermöglichen, im Ausland Schengen- Visa aufgrund humanitärer Dringlichkeit zu erhalten. Nur so ist eine legale Einreise, die dem massenhafte Sterben auf dem Mittelmeer entgegenwirkt, möglich. Weiterhin fordern wir die Entkriminalisierung von Menschen, die ohne ein Visum einreisen. Zahlreiche Mitgliedsstaaten verabschiedeten Gesetze, die es ermöglichen Geflüchtete ohne Einreisepapiere zu inhaftieren. Dies ermöglicht behördliche Willkür und befeuert institutionelle Diskriminierung. Dem muss durch eine Entkriminalisierung vorgebeugt werden. Flucht ist kein Verbrechen – Geflüchtete gehören nicht ins Gefängnis!

c. Wir fordern eine solidarische Lastenteilung unter den Mitgliedsstaaten. Ungleichbelastung der Mitgliedstaaten führt zu Spannungen, die rationale Entscheidungen zum Wohle der Betroffenen erschweren. Alle Mitgliedsstaaten haben sich mit dem Beitritt in die EU für die gemeinsame Ausübung ihrer Souveränitätsrechte entschieden und dies in der Asylpolitik zuletzt im Vertrag von Lissabon (Art. 78 Abs. 1 AEUV) bestärkt. Befürchtungen vor Überfremdung oder angebliche kulturelle und historische Verschiedenheit können keine Ausreden für unsolidarisches Verhalten sein. Die Initiativen der Kommission sind begrüßenswert und in der aktuellen Krisensituation richtige Sofortmaßnahmen. Doch auch diese sind am Ende nur ein Tropfen auf dem heißen Stein: Es braucht einen dauerhaften Mechanismus zur gerechten Verteilung von Asylbewerber*innen innerhalb der EU. Das in Art. 78 Abs. 2 lit. f AEUV beschlossene Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines Antrags zuständig ist, muss den Schutz der Geflüchteten sicherstellen. Das Dublin-System hat hierin versagt. Daher fordern wir die Außerkraftsetzung der Dublin-III-Verordnung und die Einsetzung einer neuen Verordnung, welche ein einheitliches Verfahren durch eine gerechte und quotierte Verteilung auf die Mitgliedsstaaten sichert. Indikatoren für eine quotierte Verteilung können dabei das BIP sowie die Größe der Population der jeweiligen Mitgliedsstaaten sein. Einzelne Mitgliedsstaaten dürfen sich nicht mehr von der Aufnahme von Asylbewerber*innen, der finanziellen Unterstützung der Seenotrettung oder Unterbringung von Geflüchteten ausnehmen und sollten mit Sanktionen, z.B. durch Verringerung von EFRE- und EFS-Mitteln, rechnen müssen, falls sie diese Maßnahmen weiterhin verweigern. Zu einer Europäisierung des Asylrechts gehört auch, dass die EU eine gemeinsame politische Einschätzung von Drittstaaten vorlegen und eine EU-Liste von sicheren Herkunftsstaaten die nationalen Listen ablöst.

d. Wir unterstreichen unsere bereits im Politischen Programm der JEF Deutschland verankerte Forderung, die Asylpolitik umfassend zu vergemeinschaften und diese mittelfrisitig in die alleinige Zuständikeit der Europäischen Union zu überführen. Wesentlicher Bestandteil ist dabei die Schaffung einer europäischen Asylbehörde, die solidarisch und europaweit einheitlich über Asylanträge entscheidet.

e. Sofern sich die EU vorbehält, sichere Herkunftsstaaten zu beschließen, fordern wir dabei insbesondere auch die Situation für aufgrund von sexueller Orientierung und Identität in den Herkunftsländern Verfolgten zu berücksichtigen. Länder in denen sexuelle Orientierung und Identität rechtlich verfolgt oder vom Staat nicht vor der Willkür der Bevölkerung geschützt werden, dürfen nicht als sichere Herkunftsländer gelten.“

f. Die Europäische Union soll ihre Kooperation mit dem UNHCR für das ResettlementProgramm ausweiten.

g. Wir fordern die sofortige Personalaufstockung in den Botschaften der Mitgliedsstaaten in der Türkei, dem Irak, Jordanien und dem Libanon. Personen, die auf ein berechtigtes Visum zur Nachreise im Sinne der Familienzusammenführung warten, dürfen nicht in einer gefahrenvollen und prekären Situation über Monate hingehalten werden. Unsere Forderung der Personalaufstockung bezieht sich auch auf die jeweils zuständigen Stellen der Asylrechtsprüfung in den Mitgliedsstaaten. Es ist im Interesse aller Beteiligten, die Prüfverfahren zu beschleunigen, um so eine frühestmögliche Integration in die Gesellschaft oder bei negativem Bescheid und Verwaltungsgerichtsverfahren eine alsbaldige Entlastung der Aufnahmekapazitäten zu erreichen.

h. Wir fordern eine nachhaltige Integration von Geflüchteten in die Gesellschaft durch kostenlose und bedarfsgerechte Sprachkurse, Integrationskurse, gegebenenfalls Alphabetisierungskurse, eine konsequente Beschulung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie die Möglichkeit, schnellstmöglich eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten.

3. Der andere Weg – Für eine vernünftige Einwanderungspolitik

a. Nicht jeder, der in die Europäische Union einwandern möchte, sollte Asyl beantragen müssen. Es muss einen anderen Weg geben – wir fordern eine vernünftige Einwanderungspolitik. Menschen muss verstärkt ermöglicht werden auf legalem Weg Arbeitsvisa zu beantragen. Zahlreiche Mitgliedsstaaten klagen über Fachkräftemangel, die derzeitig legalen Möglichkeiten einer Arbeitsmigration in die EU sind jedoch begrenzt. Menschen aus Nicht-EU-Ländern muss deshalb verstärkt ermöglicht werden, auf legalem Weg Arbeitsvisa zu beantragen. Die EU sollte sich den Chancen einer Erweiterung der legalen Arbeitsmigration endlich bewusst werden.

b. Insbesondere in Anbetracht des Zustroms von Menschen aus den Ländern des Balkans, für die das Asylrecht häufig keine Bleibeperspektive bietet, muss eine ehrliche Einwanderungspolitik von einer nachhaltigen Nachbarschaftspolitik begleitet werden. Hierzu gehört es, diese Länder weiter bei staatlichen Reformen und Transformationsprozessen zu unterstützen und das wirtschaftliche und politische System zu stärken. So können langfristig die Voraussetzungen geschaffen werden, die den Menschen ein selbstbestimmtes Leben in ihren Heimatländern ermöglichen.

4. Nationale Egoismen überwinden – Für eine europäische Lösung

Nationale Egoismen lösen keine europäischen Krisen sind keine Lösung – wir fordern deswegen ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Die verbale Eskalation zwischen den Mitgliedsstaaten in den letzten Wochen war erschreckend und sollte eine Mahnung sein, wie sehr und wie schnell nationale Alleingänge den Betroffenen und der EU schaden können. Der im Rat geführte Verhandlungspoker hat zu nationalen Kurzschlussreaktionen geführt, die berechtigte Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Wertegemeinschaft genährt haben. Die Verträge der EU bieten mit den klar geregelten Prozeduren der Gesetzgebungsverfahren – auch in der Asyl- und Migrationspolitik – bessere Arten der Problembewältigung als improvisierte Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs. Die notwendige Einstimmigkeit auf diesen Gipfeln blockiert allzu häufig eine effiziente Lösungsfindung, weswegen wir die Mehrheitsbeschlüsse des Rats begrüßen und seine Mitglieder auffordern, dieses demokratische Instrument auch in anderen Politikbereichen intensiver zu nutzen.

Die von den Verträgen vorgesehenen Verfahren müssen genutzt und ihre Ergebnisse müssen umgesetzt werden – gerade bei der Überführung der bereits beschlossenen Richtlinien des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in nationales Recht sind Verzögerungen fahrlässig. Gemeinsames europäisches Handeln muss die Antwort auf gemeinsame europäische Krisen sein.

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EU-Asylpolitik

60. Beschluss des Bundeskongress in Münster, 26.-27. Oktober 2013

EU-Asylpolitik

Beschluss im Wortlaut:

Die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland e.V.,

Bezug nehmend auf das beschlossene Asylpaket des Europäischen Parlaments vom 12.06.2013, welches die neuen Aufnahmerichtlinien für Asylbewerber*innen, die neue Dublin-III-Verordnung und die Neufassung der EUODAC-Verordnung enthält,

davon überzeugt, dass nur ein solidarisches und einiges Europa den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sein wird,

ferner davon überzeugt, dass der europäische Einigungsprozess in der EU nur dann von Erfolg gekrönt sein wird, wenn diese ihrem Selbstverständnis als Wertegemeinschaft gerecht wird,

im Bewusstsein, dass sich dies nicht zuletzt an der Frage, wie die EU mit Asylsuchenden umgeht, zeigt,

sich darüber bewusst, dass der außenpolitische Einfluss der EU, etwa auf die demokratische Transition seiner Nachbarstaaten und die Einhaltung von Menschenrechten, nicht unwesentlich auch davon abhängt, ob die EU als glaubwürdiger wertegeleiteter Akteur wahrgenommen wird,

vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Situation in der europäischen Asylpraxis, in der die Anerkennung als Flüchtling weniger davon abhängt, in welcher Lage sich die/der Asylsuchende befindet, sondern vielmehr davon, in welchem Nationalstaat der Antrag gestellt wird,

im Bewusstsein, dass das Flüchtlingsaufkommen derzeit sehr ungleich auf die Mitgliedstaaten verteilt ist und es einzelnen Mitgliedsstaaten nicht mehr gelingt, menschenwürdige Standards aufrechtzuerhalten (vgl. das Urteil des EuGH vom 21.12.2011 zum Verbot der Abschiebung von Flüchtlingen in EU-Mitgliedstaaten, die grundlegende Menschenrechte nicht gewährleisten können),

1. Fordern einen gemeinsamen Schutzraum für Flüchtlinge in Europa bei solidarischer Übernahme der Verantwortung durch alle Mitgliedstaaten statt Abschreckungspolitik, undurchschaubare Regelungen und nationaler Egoismen.

2. Begrüßen, dass mit dem neuen europäischen Asylrecht formal europaweit einheitliche Standards für die Anerkennung als Flüchtling, die Rechte als Asylsuchende, die Dauer eines Asylverfahrens sowie den Ablauf eines Abschiebeverfahrens eingeführt wurden.

3. Fordern eine schnelle Umsetzung der einheitlichen Standards in allen Mitgliedstaaten, die eine menschenwürdige Behandlung aller Asylsuchenden sicherstellt.

4. Sind jedoch empört über das Recht der Mitgliedstaaten, eigene Listen sicherer Drittstaaten außerhalb der EU zu erstellen, in die ohne weitere Prüfung abgeschoben werden kann, da hier in drastischer Weise die Zielsetzung europaweit einheitlicher Regelungen ad absurdum geführt wird.

5. Missbilligen aufs Schärfste das Verfehlen eine einheitliche Regelung zu finden, um die Abschiebung in einen Mitgliedstaat dessen Asylsystem zusammengebrochen ist oder nicht den ausreichenden Schutz bieten kann zu stoppen, sowie die weitere Aufrechterhaltung der unsolidarischen Erst-Land-Regel in der neuen Dublin IIIVerordnung.

6. Widersprechen entschieden der Erlaubnis zur Aussetzung des SchengenAbkommens im Falle erhöhten Flüchtlingsaufkommens statt eines solidarischen europäischen Ansatzes.

7. Fordern stattdessen die Aufhebung der Drittstaaten-Regelung sowie der ErstLand-Regelung gemäß der Dublin-III-Verordnung und einen solidarischen europäischen Verteilungsschlüssel nach nachvollziehbaren Faktoren, wie etwa der Einwohnerzahl, dem Bruttoinlandsprodukt und den berechtigten Wünschen des Antragstellers. Dieser würde zur Entlastung überproportional betroffener Staaten führen und zugleich mehr Planbarkeit für Aufnahmekapazitäten und Asylverfahren ermöglichen. Mithin würde sich so auch die Situation für die Asylsuchenden wesentlich verbessern.

8. Fordern eine europäische Asylbehörde zur Umsetzung dieses Verteilungsschlüssels.

9. Fordern zudem die sofortige Rücknahme der neuen EURODAC-Verordnung, die Flüchtlinge unter den Generalverdacht stellt, Kriminelle zu sein, indem sie Polizeibehörden europaweit Zugriff auf die EU-Asyldatenbank EURODAC und damit auf persönliche Daten wie etwa Fingerabdrücke gewährt.

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Für eine verantwortungsbewusste und menschenwürdige Europäische Flüchtlingspolitik

58. Bundeskongress, 7. bis 9. Oktober 2011 in Kiel

Für eine verantwortungsbewusste und menschenwürdige Europäische Flüchtlingspolitik

Beschluss im Wortlaut:

Auf der Flucht vor politischer und religiöser Verfolgung, Armut und Hunger, Gewalt und Krieg riskieren unzählige Menschen ihr Leben, um nach Europa zu gelangen. Jedes Jahr sterben dabei an Europas Grenzen tausende Menschen. Bis 2020 werden bis zu 50 Millionen Klimaflüchtlinge erwartet; die kritische Situation wird sich also nicht entspannen. Die Europäische Union wird ihrer Verantwortung diesen Menschen gegenüber trotz oft gegenteiliger Bekundungen in keinster Weise gerecht. Eine auf der Menschenwürde jedes Einzelnen basierende Flüchtlingspolitik in der EU ist dringend notwendig!

Ausgelöst durch den Anstieg der Flüchtlingsströme ist das Politikfeld der Flüchtlingspolitik bei Kommission, Europäischem Rat und Parlament wieder stärker in den Fokus gerückt. Von diesen Institutionen und auch zivilgesellschaftlichen Organisationen wurden Initiativen gestartet, um schnell
auf die gegebene Situation in Lampedusa etc. zu reagieren. Diese Ereignisse wurden von den Medien stark begleitet, andere Flüchtlingsströme (zum Beispiel aus Syrien in die Türkei) werden dagegen außer Acht gelassen. Diese einseitige Berichterstattung ist häufig auf innenpolitische Gründe zurückzuführen.

Dabei liegt ein Schwerpunkt zunächst auf der Unterscheidung zwischen Wirtschaftsmigration einerseits und MigrantInnen, die aufgrund der Verfolgung in ihren Ursprungsländern nach Europa kommen wollen, andererseits. Großer Wert wird dabei auf die Feststellung gelegt, dass Europa durch den steigenden Fachkräftemangel einen hohen Bedarf an gut ausgebildeten MigrantInnen hat.

Die meisten Flüchtlinge kommen im Mittelmeerraum in der EU an. Nach dem Dublin II-Abkommen ist der Mitgliedsstaat für Asylanträge zuständig, in dem ein Flüchtling die EU zuerst betreten hat. Eine Folge dieses geltenden Prinzips ist, dass die administrativen Kapazitäten in den betroffenen Regionen überlastet sind und lange nicht alle Asylanträge bearbeiten können.

Obwohl der Vertrag von Lissabon die Entwicklung eines gemeinsamen Asylstatus anstrebt, fehlt bisher die entsprechende Umsetzung. Derzeit bestehen keine Asylbestimmungen für Klimaflüchtlinge und Verfolgte auf Grund von Gender sowie Flüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen. Im Gegenteil sind die Asylverfahren in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU weiterhin sehr unterschiedlich. Wenn ein Asylantrag abgelehnt wird, müssen die Betroffenen teilweise bis zu 15 Jahre in Abschiebehaft verbringen, ohne die Möglichkeit, Arbeit aufzunehmen, ohne Zukunftsperspektive. Dies widerspricht den Prinzipien der Genfer Flüchtlingskonvention.

Die Nationalstaaten haben die Möglichkeit, die EU-Agentur Frontex zur Unterstützung bei der Grenzsicherung anzufordern. Frontex werden regelmäßig Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die Befugnisse, Kompetenzen sowie die demokratische Legitimierung von Frontex sind nicht eindeutig geregelt, ebenso ist eine mangelhafte Transparenz ihrer Arbeit festzustellen. Dies verhindert einen objektiven Meinungsbildungsprozess der Gesellschaft.

Forderungen der JEF:

1. Die Motive der europäischen Flüchtlingspolitik müssen grundlegend überdacht werden. Eine „Festung Europa“ ist nicht hinnehmbar. Flüchtlingspolitik muss auf den Menschenrechten basieren und entsprechend umgesetzt werden. Insbesondere sind die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention zu achten.

2. Die europäische Flüchtlingspolitik muss von Solidarität getragen werden: Einzelne Mitgliedstaaten dürfen nicht mit den Problemen, die durch Migration entstehen können, allein gelassen werden. Die finanzielle, logistische und administrative Last ist zu teilen. Alle Länder der Europäischen Union müssen – in Abhängigkeit ihrer Kapazitäten – Flüchtlinge aufnehmen. Dies heißt auch, dass das Dublin II-Abkommen grundsätzlich modifiziert werden muss.

3. Die Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und das Budget der EU-Grenzschutzagentur Frontex müssen klargestellt und durch das Europäische Parlament kontrolliert werden.

4. Die vertraglich vorgesehene gemeinsame Europäische Asylpolitik (Vgl.: Art. 78 AEUV) muss entwickelt und umgesetzt werden. Asylanträge müssen in einer angemessenen Frist bearbeitet werden – unabhängig vom Mitgliedsstaat, in dem diese eingebracht werden.

5. Die Zusammenarbeit in Fragen der Flüchtlingspolitik zwischen den Regierungen der Länder, aus denen Menschen flüchten, und der EU muss sich an den Bedürfnissen der Flüchtlinge orientieren. Die Politik gegenüber diesen Ländern muss kohärent sein. Viele Flüchtlingsströme ließen sich durch eine besser koordinierte Entwicklungs- und Aufbauarbeit verhindern. Gezielt Gründen für Migration entgegenzuwirken und nachhaltige Veränderungen in den Herkunftsländern stellen wohl die humanste Art und Weise dar den Flüchtlingswellen Einhalt zu gebieten. Zudem sollen zivilgesellschaftliche Organisationen mit einbezogen werden. Insbesondere soll die Achtung der Menschenrechte und die Konzeption einer effektiven entwicklungspolitischen Strategie im Mittelpunkt stehen.

6. Die Gründe für die Gewährung von Asyl müssen der aktuellen Lage und prognostizierbaren Szenarien angepasst werden. Unter anderem müssen MigrantInnen aus Katastrophenregionen Aufnahme finden und die Situation, unter welchen Verfolgung und Bedrohung des Lebens als Kriterium für Asyl angewandt werden.

7. Es müssen Regelungen eingeführt werden zur vorläufigen Aufnahme von Flüchtlingen aus wirtschaftlichen Gründen, die sonst durch Armut bedroht in ihren Heimatländern kein menschenwürdiges Leben führen können.

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