Offener Brief: Europawahlen wirklich europäisch machen, jetzt endlich transnationale Listen einführen!

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

die Europäische Union als Werte- und Rechtsgemeinschaft steht zunehmend unter Druck, die Distanz zwischen Brüssel und der europäischen Bürgerschaft scheint nach wie vor sehr groß. Gerade deswegen ist es für die Zukunftsfähigkeit der EU umso wichtiger, dass europäische Bürgerinnen und Bürger sich das Projekt Europa wieder zu eigen machen. Die Stärkung europäischer Demokratie ist daher eine der wichtigsten Aufgaben, die wir hier und heute in den Blick nehmen müssen. 

Wir, die Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Deutschland, sind überzeugt: Europawahlen müssen europäisch sein! Damit diese ihrem Anspruch aber auch wirklich gerecht werden, streiten wir als überparteilicher, überkonfessioneller und pro-europäischer Jugendverband bereits seit Jahren für die Einführung transnationaler Wahllisten mit einem europäischen Wahlkreis und einer Verankerung des Spitzenkandidatenprinzips. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich, dass sich der Ausschuss für konstitutionelle Fragen (AFCO) im Europaparlament erneut mit einer Wahlrechtsreform für die kommende Europawahl 2024 beschäftigen wird. Mit auf der Agenda: die Einführung transnationaler Listen. 

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„Europa muss man heute machen!“ – Forderungen der JEF Deutschland an die Koalitionsparteien

Europa muss man heute machen!

Berlin, November 2021
Forderungen der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Deutschland an die Koalitionsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP

Nach 20 Jahren Stillstand in der europäischen Integration kann Europa nicht länger warten. Die verschiedenen Krisen, die in den letzten Jahren die europäische Idee bedrohten, können nicht länger mit Minimalaufwand gelöst werden. Vielmehr gilt es jetzt den großen Wurf zu wagen, bevor es zu spät ist. Als überparteilicher und überkonfessioneller Jugendverband, der sich seit über 70 Jahren für ein föderales Europa einsetzt, fordern wir die zukünftige deutsche Bundesregierung daher jetzt dazu auf, sich in den nächsten vier Jahren proaktiv für echte und wirkungsvolle Reformen einzusetzen, die Europa demokratischer, nachhaltiger und handlungsfähiger machen.

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State of the Union Address 2021: Von uns leider nur 2 von 5 Sternen

Heute vor einer Woche hielt Kommissionspräsdentin Ursula von der Leyen ihre Rede zur Lage der EU, #SOTEU, im Europaparlament in Straßburg. Angesichts der ernsten Lage in der die EU sich derzeit befindet, hätten wir uns stellenweise mehr Mut und Ambitionen gewünscht, das machte auch unsere Bundesvorsitzende Clara Föller in einem Erstkommentar in der Europäischen Kommission in Deutschland klar.

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Statement zur Einigung über die Konferenz zur Zukunft Europas: Nicht nur reden, Europa machen!

Nach monatelangen Verhandlungen haben sich das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Rat der EU nun endlich auf eine gemeinsame Erklärung zur Konferenz zur Zukunft Europas geeinigt und diese feierlich am 10. März 2021 unterzeichnet. Die Erklärung bildet die politische Grundlage für die Konferenz, die am 9. Mai 2021 beginnen und groß angelegte Konsultationen in allen Mitgliedstaaten zur Reform der EU und ihrer Politiken umfassen soll. Die #CoFoE sollte eigentlich am 9. Mai 2020 beginnen, wurde aber aufgrund der COVID19-Pandemie und der fehlenden interinstitutionellen Einigung über ihren Vorsitz und ihr Anspruchsniveau verschoben.

Die Erklärung zur Konferenz zur Zukunft Europas ist eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, denn viel ist von den ursprünglichen Ambitionen der Konferenz als einem substantiellen Instrument, durch das Europäer*innen die Zukunft der EU gestalten würden können, nicht geblieben. Trotzdem freuen wir uns, dass nach einem Jahr langwieriger Verhandlungen, Blockaden und Fehlschlägen die Konferenz nun endlich beginnen kann und nehmen auch einige positive Aspekte in der Gemeinsamen Erklärung wahr.

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#UnlockCoFoE! – Offener Brief zum Start der Konferenz zur Zukunft Europas

Am  05. Februar hat die JEF Deutschland einen offenen Brief and Seine Exzellenz den Botschafter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union Herrn Michael Clauß gesandt, in dem sie ihn darum bitten, sich für den unverzüglichen Start der Konferenz zur Zukunft Europas und eine aktive Rolle europäischer Bürger*innen darin einzusetzen.

Die Konferenz zur Zukunft Europas darf keine Zuhör-Übung werden!


Sehr geehrter Herr Botschafter,

als Repräsentant*innen junger Bürger*innen in Deutschland, die sich für ein geeintes und demokratisches Europa einsetzen, bedauern wir, die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland, dass die Konferenz zur Zukunft Europas noch immer nicht begonnen hat. Auch wenn die Covid-19 Pandemie eine ernste Herausforderung darstellt, sollte sie nicht als Ausrede für den Aufschub demokratischer Reformbestrebungen der EU genutzt werden. Im Gegenteil – die Pandemie zeigt deutlicher denn je, dass Solidarität und engere Zusammenarbeit in Europa unbedingt notwendig sind.

Als Bundesvorsitzende der Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland möchte ich Sie daher bitten, alles in Ihrer Macht Stehende zu unternehmen, damit die Konferenz ohne weitere Verzögerung beginnen kann und die Diskussionen zu Europas Zukunft in einem offenen, transparenten und inklusiven Prozess ermöglicht werden. Europäische Bürger*innen sollten dabei eine führende und aktive Rolle einnehmen, die sich nicht nur im Format, sondern insbesondere auch in den Ergebnissen der Konferenz niederschlägt.

Ich möchte Sie daher auch dazu auffordern, sich für die Umsetzung von Reformen und sowie möglichen Vertragsänderungen, die als Empfehlungen aus der Konferenz resultieren, einzusetzen.

Die Konferenz zur Zukunft Europas darf keine Zuhör-Übung werden!

Mit freundlichen Grüßen

Clara Föller

Bundesvorsitzende JEF Deutschland

 

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Im Gedenken an die Opfer des Holocausts – Gemeinsam für eine Welt ohne Hass und Gewalt!

Am 27.01.1945 befreiten Soldaten der Roten Armee das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Dieses Vernichtungslager steht wie kein anderer Ort für die massenhafte Ermordung von über 6 Millionen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangenen, Opfern der staatlichen Euthanasie, Homosexuellen und vielen weiteren Menschen, die nicht in das Bild der nationalsozialistischen Rassenideologie passten. Der Begriff “Holocaust” (griechisch für völlig verbrannt) bezeichnet diese Gräultaten. Er beschreibt einen Völkermord, der von Deutschen und ihren Helfer*innen maschinell betrieben und uhrwerkhaft ausgeführt wurde – auf deutschem und europäischem Boden. Die Befreiung von Auschwitz-Birkenau markiert den Abschluss des dunkelsten Kapitels der deutschen und europäischen Geschichte. 

Der europäische Zusammenschluss baut auf der kollektiven Verurteilung der Verbrechen des NS-Regimes und der Überzeugung, dass sich die Gräueltaten des Dritten Reichs #NieWieder wiederholen dürfen. Seit fast 76 Jahren ist Westeuropa geprägt von Frieden und Freiheit. Heute, am 27. Januar, gedenken wir den Opfern des Holocausts. Zugleich ermahnt uns dieser Gedenktag, wachsam zu sein und den Frieden und die Freiheit nicht für selbstverständlich zu erachten. Auch heute werden Menschen aufgrund ihres Glaubens, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung Opfer von Gewalt und Anfeindungen. Antisemitismus und rassistische Gewalt nehmen in Deutschland und in Europa immer weiter zu. Rechtsextreme Anschläge sind keine Einzelfälle mehr, sondern Resultat gewaltbereiter, rechtsextremer Netzwerke, die zu lange von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen ignoriert wurden. 

Als überzeugte Europäer*innen treten wir dem entschieden entgegen. Wir stehen für ein friedliches, sicheres und tolerantes Europa und eine offene Gesellschaft. Der europäische Bundesstaat, für den wir uns stark machen, fußt auf Menschenwürde, Toleranz, Gleichberechtigung, Religionsfreiheit und anderen fundamentalen Menschenrechten und Prinzipien. Er ist unsere Strategie, um die Verbrechen der Vergangenheit auch in Zukunft zu verhindern. Wir sind überzeugt: ein Zusammen und Miteinander von Geschwisterstaaten, die auf Kooperation und gut nachbarschaftlichen Beziehungen bauen, die sich auf Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Rechtsstaatlichkeit stützen und in denen das höchste Gut die Verteidigung der Menschenwürde ist, ist der Garant, damit #NeverAgain Realität bleibt. Vereinigung statt Spaltung; Kooperation statt nationaler Alleingänge; Frieden statt Krieg. Leben in Würde für alle Menschen frei von der Angst verfolgt, unterdrückt oder getötet zu werden.

Lest auch hier unseren Beschluss von 2019: #WirStehenZusammen – Verurteilung der rechtsextremisitischen, antisemitischen Tat in Halle

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Quantensprung der Europäischen Integration: Deutsch-Französische Freundschaft

Am 22. Januar jährt sich die Unterzeichnung des Élysée-Vertrags. Die Deutsch-Französische Freundschaft war und ist entscheidender Motor europäischer Einigung. Dieses Tandem sollte auch in Zukunft eine treibende Kraft der europäischen Integration sein.

Am 22. Januar 1963 unterzeichneten der französische Präsident, Charles de Gaulle, und der deutsche Bundeskanzler, Konrad Adenauer, den Élysée-Vertrag, der ein völlig neues Kapitel der Versöhnung und Freundschaft in den Beziehungen Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland öffnete.

Heute fühlt sich die enge deutsch-französische Zusammenarbeit selbstverständlich an. Aber kaum 18 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, nachdem Truppen eines deutschen Staates innerhalb von zwei Generationen insgesamt dreimal in Frankreich einmarschiert waren, gleicht der Vertrag einem Wunder. Dieser Freundschaftsvertrag ebnete den Weg zu wachsendem Vertrauen zwischen ehemaligen “Erbfeinden” und damit auch zur gesamteuropäischen Einigung. Die Ereignisse von damals könnten heute Orientierung zur friedlichen Beilegung von Konflikten auf der ganzen Welt geben.

Kernpunkte des Vertrags: Eine Konsultationspflicht in außenpolitischen Fragen, welche Alleingänge der BRD verhindern sollte, eine gemeinsame Abstimmung in Bezug auf europapolitische Fragen und die Entwicklung von deutsch-französischen Jugendbegegnungen. Es bleibt bemerkenswert, wie schon zu jener Zeit die Bedeutung von Austausch und Vernetzung der jungen Menschen für die zwischenstaatlichen und freundschaftlichen Beziehungen erkannt wurde.

Der Élysée-Vertrag förderte den “Motor” der europäischen Integration. Diese Metapher beschreibt das französisch-deutsche Duo gerade so gut, weil Frankreich und Deutschland die Integration des Kontinents gemeinsam antrieben  und dies noch immer tun. Versöhnung und eine wachsende Freundschaft sind auch weiterhin die Grundlage für starke Kooperation, die den beiden Partnern sowie ganz Europa nützen. 

56 Jahre nach dem Élysée-Vertrag unterzeichneten der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel den Aachener Vertrag. Er ist eine Bekräftigung der deutsch-französischen Freundschaft und eine erneute Versicherung der Kooperation beider Staaten. In seiner epochalen Bedeutung bleibt er hinter dem Élysée-Vertrag zurück. Entsprechend wird er in Deutschland als zu wenig ambitioniert wahrgenommen. Seine internationale und europäische Ausrichtung sollte jedoch nicht unterschätzt werden, befürchten doch Politiker aus Nachbarstaaten gar die Errichtung eines deutsch-französischen Superstaates (Václav Klaus). Bei aller Kritik gießt der Vertrag vor allem bestehende Verbindungen in schriftliche Form. Erfreulich für die JEF Deutschland betont der neue Vertrag das Bekenntnis zu einem starken, zukunftsfähigen und souveränen Europa.

Wir fordern: Diese Aussage soll kein reines Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss in konkrete Maßnahmen umgewandelt werden. Wir erwarten, dass die deutsch-französische Freundschaft auch weiterhin eine treibende Kraft bleibt – ein Motor für ein geeintes Europa.

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Bürgerräte als demokratisches Instrument – eine innovative, aber nicht die beste Lösung

Gestern war der Auftakt des zweiten bundesweiten Bürgerrats, der unter dem Thema “Deutschlands Rolle in der Welt” tagt. Konkret geht es dabei darum, dass zufällig ausgeloste Bürger*innen in den Bürgerräten zu bestimmten Themenfeldern Empfehlungen erarbeiten, das sogenannte “Bürgergutachten”, die dann dem Bundestag vorgelegt werden.  

Bürgerräte sind ein demokratisches Experiment, das wir bereits aus anderen Ländern in Europa kennen. Wir finden: Bürgerräte sind eine innovative, aber nicht die beste Lösung für die Herausforderungen, vor denen Demokratien heute stehen. 

Befürworter*innen von Bürgerräten sehen in solchen Konsultationsformaten die Möglichkeit, festgefahrene Verhandlungen, in denen das Parlament gegenüber der Regierung nicht weiterkommt, zu durchbrechen. Außerdem sollen Bürgerräte dabei helfen, Menschen, die sich vom politischen Prozess ausgeschlossen fühlen, einzubinden. Deshalb sollte man sie ausprobieren und daraus lernen. 

Kurzfristig können Bürgerräte möglicherweise politisch interessierten Bürger*innen Politik näher bringen und Einblicke in die Ideen von Menschen erhalten, die sich sonst weniger politisch vernehmbar äußern können. Genau hier liegt jedoch auch die Gefahr einer möglichen Frustration, nämlich, wenn die mitunter mühsam erarbeiteten Empfehlungen aus welchen Gründen auch immer von den politischen Entscheidungsträger*innen nicht angenommen werden. Strebt man also die langfristige und nachhaltige Stärkung von Demokratien und darin demokratischer Teilhabe und Funktionsfähigkeit an, können Bürgerräte wenn, dann nur ein konsultativer Zusatz zu den bestehenden demokratischen Strukturen sein. Gerade im Engagement vor Ort, in Parteien, Vereinen und Verbänden, das (fast) jedem*r Bürger*in offen steht, wird Demokratie Tag für Tag erlebt, erlernt und weitergegeben. Dieses Engagement bildet das Fundament einer wehrhaften Demokratie. Bürgerräte erreichen dies nur bedingt, da sie kein wiederkehrendes Engagement ermöglichen. 

Damit also Demokratie mit ihren Werten und Prinzipien auch zukünftig verstanden und gelebt wird, kommt es vor allem darauf an, die Integrationsfähigkeit von Parteien, Vereinen und Verbänden zu erhöhen. Das gelingt, indem solche demokratische Strukturen vor Ort beispielsweise durch die Einbindung in politische Entscheidungen gestärkt werden. Zugleich dürfen die Parteien, Vereine und Verbände nicht müde werden, selbst stets inklusiver und damit letztlich auch repräsentativer zu arbeiten.

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Statement des JEF-Bundesvorstands zum Jahreswechsel 2020/2021

Wenn die Uhr heute um Mitternacht das neue Jahr verkündet, markiert dies sogleich das Ende eines in jeder Hinsicht turbulenten und historischen Jahres 2020. Selten zuvor war unser Zusammenhalt als demokratische Gesellschaft so gefordert, wie unter den Erfahrungen der Corona-Pandemie. In diese Zeit fiel außerdem die sechsmonatige deutsche EU-Ratspräsidentschaft sowie die Brexit Übergangsphase. Zentrale Sinn- und Zukunftsfragen sind mit den Herausforderungen der letzten Monate nur umso deutlicher geworden. Daher werden uns diese im nächsten Jahr und vermutliche weit darüber hinaus beschäftigen. Wie steht es um unser demokratisches Verständnis, wenn Ergebnisse wissenschaftlicher Erkenntnis angezweifelt und demokratische Werte in Frage werden? Welche Themen sind uns in Anbetracht der Erfahrungen im Jahr 2020 wirklich wichtig und was wollen wir lieber hinter uns lassen? Und wie soll die Zukunft Europas aussehen? Ein Begriff, der in den letzten Monaten immer wieder betont wurde, war der der Solidarität. Solidarität als Antwort auf die durch die Pandemie hervorgerufenen Sorgen und Ängste. Solidarität als das Versprechen, dass wir vor allem in Krisenzeiten #BesserZusammen sind, als jede*r für sich alleine. 

Aber was bedeutet Solidarität eigentlich? Sprachwissenschaftlich leitet sich der Begriff u.a. aus dem französischen Wort solidaire ab, was nicht nur mit „gemeinschaftlich“ oder „gegenseitig“ sondern auch mit „gemeinsam verantwortlich“ übersetzt wird. Im Kontext Europas bedeutet Solidarität also, dass man eine gemeinsame Verantwortung nicht etwa für sich selbst, sondern für den jeweils anderen und damit für die Gemeinschaft trägt. Gelebte Solidarität – das ist die Überzeugung, dass man einander hilft, dass man zusammenhält, dass man für den anderen da ist. Angesichts einer Pandemie, die nicht nur die Gesundheit der Menschen weltweit bedroht, sondern auch den Alltag vieler massiv veränderte, gewann die Bedeutung dieses gemeinschaftlichen Miteinanders im Sinne einer besseren Zukunft für alle, in Europa und weltweit, immens an Bedeutung. 

In ihrer Neujahrsansprache 2020 betonte die deutsche Bundeskanzlerin, dass es “Deutschland auf Dauer nur dann gut geht, wenn es auch Europa gut geht”. Wie wahr diese Feststellung ist, zeigte sich in den vergangenen Monaten sehr deutlich. In den ersten Tagen und Wochen, in denen die Corona-Pandemie vor allem in Italien verheerende Folgen hatte, drängten allzu schnell nationale Reflexe die bis dato hoch gelobte europäische Solidarität zur Seite. Anstelle regionaler und bedarfsorientierter Kooperationen standen pauschale Grenzschließungen und protektionistische Maßnahmen, etwa in der Verteilung medizinischer Schutzausrüstung. Dennoch lernten die Staats- und Regierungschefs aus diesen anfänglichen Fehlern und konzentrierten sich verstärkt auf gemeinsame Anstrengungen zur Bewältigung der Krise. Auch wenn die Ergebnisse der letzten Monate zweifelsohne das Resultat einer institutionenübergreifenden Gesamtanstrengung sind, sollte hier der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in ihrer Rolle als Motor und Moderatorin zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten eine nennenswerte Bedeutung in den politischen Entscheidungen der letzten Monate zugesprochen werden. 

Bereits im Juli verhandelten die EU-Mitgliedstaaten ein in der Geschichte bisher nie dagewesenes Gesamtpaket von 1,8 Billionen Euro, das neben dem Wiederaufbaufonds #NextGenerationEU auch die Mittel für den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 beinhaltet. Neben der finanziellen Ausstattung dieses Gesamtpakets, bringen zusätzlich der Eigenmittelbeschluss sowie der Konditionalitätsmechanismus zwei wichtige Neuerungen in das Finanzpaket, die beide für sich erste Schritte in Richtung einer effizienteren und stärkeren EU darstellen. 

  • Der Eigenmittelbeschluss, der neben der temporären Erhöhung des Eigenmittelanteils der Mitgliedstaaten vor allem auch die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung des 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds beinhaltet, gilt als wichtiger Schritt hin zu einer Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion. 
  • Gleichzeitig schafft die Einigung auf den Konditionalitätsmechanismus, der die Vergabe von EU-Mitteln an die Einhaltung rechtsstaatlicher Kriterien knüpft, ein ebenso wichtigen ersten Schritt, der der EU Handlungsfähigkeit in der Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien geben kann. Insbesondere bei letzterem aber steht fest, dass es auch hier noch viel zu tun bleibt. Der Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission muss uns eine Warnung sein, bezeugt er doch, dass elementare rechtsstaatliche Prinzipien, wie die Unabhängigkeit der Justiz, Pressefreiheit und der Schutz von Minderheiten europaweit zunehmend unter Druck geraten. Wollen wir diesen Entwicklungen entgegenwirken und in den europäischen Mitgliedstaaten eine wirkliche Veränderung erzielen, braucht es mehr. Damit die EU die Einhaltung der in Artikel 2 TEU verankerten Werte durchsetzen kann, müssen ihr dafür auch effektive Maßnahmen an die Hand gegeben werden.

Die mittel- und langfristigen Folgen der Krise werden aber erst noch sichtbar werden. Während das finanzielle Gesamtpaket dazu dient, vor allem die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern, müssen nun ebenso dringend die sozioökonomischen Auswirkungen in den Blick genommen werden. Gerade junge Menschen, die aufgrund ihrer Lebenssituation etwa als Berufsanfänger*innen besonders unter der Krise leiden, gilt es besonders zu schützen und ihnen Chancen zu bieten, damit diese nicht zu einer weiteren verlorenen Generation werden. Dies muss eine der zentralen Aufgaben der beiden Trio-Präsidentschaftspartner Portugal und Slowenien sein.  

Ein weiterer Hoffnungsschimmer in der Bekämpfung der Coronapandemie liegt in den gemeinsamen Anstrengungen auf europäischer Ebene im Gesundheitssektor. Mit dem Ziel einer gemeinsamen Impfstrategie wurde der EU-Kommission, ungeachtet fehlender europäischer Kompetenzen in der Gesundheitspolitik, die Koordinierung von Beschaffung, Zulassung und Verteilung des ersten Impfstoffs übertragen. Und auch über die Grenzen Europas hinaus bemühen sich EU-Mitgliedstaaten sowie EU-Institutionen gemeinsam als Team Europe ihrer Verantwortung in der Welt, gerade auch gegenüber Ländern des globalen Südens, nachzukommen, um eine gerechte Bekämpfung der Pandemie zu erreichen.  

Auch in Sachen Klima wurden wichtige Erfolge erzielt. So kam es etwa mit der Einigung der Länder auf die Senkung der Treibhausgasemissionen auf 55% (gegenüber dem Jahr 1990) bis zum Jahr 2030 zu einem wichtigen Meilenstein in der Bekämpfung des Klimawandels. Jetzt aber gilt es, umgehend Maßnahmen und Strategien zu entwickeln, diese Ziele auch tatsächlich zu erreichen. 

Mit Blick auf eine angekündigte Reform der Asyl- und Migrationspolitik bleibt der dargelegte Vorstoß eines Asyl- und Migrationspakts an vielen Stellen stark hinter den Erwartungen zurück. Während eine langfristige Strategie, die ebenfalls auf dem Gedanken europäischer Solidarität bauen muss, noch immer in weiter Ferne scheint, erfordern die katastrophalen Zustände in den Geflüchtetenlagern an den EU-Außengrenzen und die Not der schutzsuchenden Menschen jedoch unmittelbares Handeln. Das Gebot der Menschenwürde steht über allem anderen. Hier dürfen die EU-Mitgliedstaaten sich nicht länger hinter festgefahrenen Verhandlungen verstecken. 

Wenige Tage vor Ablauf der Frist am 31.12.2020 gelang es schließlich auch beim Thema Brexit auf einen Minimalkonsens bauenden Vertrag zu beschließen, und so das Schreckensszenario eines No Deal abzuwenden. Diesen Deal zu haben, ist ein wichtiger Erfolg für ein weiterhin friedliches und freundschaftliches Miteinander, Wohlstand und einen fairen wirtschaftlichen Umgang miteinander. Dennoch fehlen dem Abkommen zentrale Kooperationsvereinbarungen, etwa im Bereich Erasmus+. Als Junge Europäische Föderalist*innen wissen wir zu einem Großteil aus eigenen Erfahrungen, wie zentral der Austausch mit jungen Menschen aus anderen Ländern und Regionen für interkulturelle Verständigung und damit letztlich auch für einen nachhaltigen Frieden ist. Dass ausgerechnet dieses bildungspolitische Förderprogramm, das in besonderer Weise die Freundschaft zwischen Europäer*innen innerhalb und außerhalb der EU stärkt, nicht Teil des Deals ist, bedauern wir zutiefst. Gleichzeitig werden wir uns dafür einsetzen, dass es weiterhin zu einem Austausch zwischen jungen Menschen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich kommen kann. 

Europa steht an einer wichtigen Wegmarke. Das vergangene Jahr war uns allen als Europäer*innen eine schwierige Prüfung, an deren Ende heute die Erkenntnis über den Mehrwert gemeinschaftlichen Handelns aber auch die Notwendigkeit grundlegender Reformen in der EU steht. Lasst uns diese Erkenntnis ins nächste Jahr weitertragen. Übersetzen wir die Erfahrungen und Lehren der letzten Monate in politische Schlussfolgerungen. Nutzen wir die gegenwärtige Aufbruchstimmung als Blaupause, um ehrlich, konstruktiv und im demokratischen Streit, die Zukunft Europas gemeinsam zu gestalten. 

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Trio Talks: Die Junge Zivilgesellschaft zieht Bilanz!

Kurz vor Weihnachten neigt sich 2020 nicht nur das Jahr, sondern auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ihrem Ende zu. Grund genug, bereits jetzt eine erste Bilanz zu wagen: Welche Ziele wurden erreicht, welche Erwartungen erfüllt? Und  welche Aufgaben kommen nun auf die beiden Trio-Partnerländer Portugal und Slowenien zu? Um diesen Fragen etwas näher auf den Grund zu gehen, lud die JEF Deutschland am vergangenen Freitag zu der Veranstaltung „Trio Talks: Young Civil Society Takes Stock“, drei Vertreter*innen der jungen Zivilgesellschaft ein, mit uns gemeinsam auf drei zentrale Themen der letzten Monate zurückzublicken.

Los ging es mit Joscha Wagner, Vize-Präsident des Jugendausschusses des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB) bzw. European Union Trade Union Confederation (EUTC), der mit uns über den sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie sprach. Er betonte, dass junge Menschen in ganz Europa von den Folgen der Krise besonders hart getroffen werden. Zusätzlich zu den wirtschaftlichen Hilfen, die von dem #NextGenerationEU-Wiederaufbaufonds getragen werden, bräuchte es deshalb vor allem starke und EU-weite Anstrengungen im sozialen Bereich, etwa in der Bildung, der Schaffung von fairen Arbeitsbedingungen und den Arbeitnehmer*innenrechten. Um junge Menschen zukünftig besser gegen die Folgen einer Krise abzusichern, setzt Joscha sich daher unter anderem für eine Stärkung der Jugendgarantie ein.

Lest hier die Forderung der JEF zur Stärkung der Europäischen Säule Sozialer Rechte nach.

Als nächstes sprachen wir mit Christoph Schuch, Menschenrechtsaktivist für Amnesty International und der Refugee Law Clinic in Göttingen über das Thema Asyl und Migration. Er verwies auf die anhaltend untragbaren Zustände in den Geflüchtetenlagern auf der griechischen Insel Lesbos sowie die sich häufenden Berichte von Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen und fordert  angesichts dessen umgehende Maßnahmen seitens der EU-Mitgliedstaaten. Der vorgestellte Migrationspakt, so merkt er an, sei keine ausreichende Antwort auf die verschiedenen Herausforderungen der Geflüchtetenkrise. Gleichzeitig könne aber eine europäische Lösung nicht in erzwungenen Kompromissen gefunden werden, sondern müsse vielmehr das Ergebnis europäischer Solidarität sein. Von den kommenden beiden EU-Ratspräsidentschaften wünscht Christoph sich daher konkrete Maßnahmen, um den schutzsuchenden Menschen sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU zu helfen.

Bereits seit 2015 fordert die JEF eine gemeinsamen europäische Asyl- und Migrationspolitik. Lest sie hier nach.

Abschließend diskutierten wir mit Maria Popzcyk, Chefredakteurin des Kurier Europejski, der polnischen Version von treffpunkteuropa.de, über das Thema Rechtsstaatlichkeit. Die Anstrengungen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, einen verbindlichen Rechtsstaatsmechanismus im Mehrjährigen Finanzrahmen zu verankern, begrüßt sie. Gleichzeitig kritisiert sie aber, dass dieser zu vage sei, um zu echten substanziellen Veränderungen etwa in Polen zu führen. Die polnische Gesellschaft sei gegenwärtig sehr gespalten. Schuld daran sei unter anderem das Fehlen von wirklich freien Medien, in denen unterschiedliche Perspektiven über ein Thema zu Wort kommen. Für die Zukunft wünscht sie sich daher die Stärkung unabhängiger Medien, auch mithilfe der EU, sowie vermehrt europäische Austauschprogramme, damit langfristig auch die polnische Zivilgesellschaft wieder zu einer treibenden Kraft der Europäischen Integration werden kann.

Die Veranstaltung ist Teil der #BesserZusammen Kampagne der JEF Deutschland und der Europa-Union Deutschland zur deutschen Ratspräsidentschaft. Die Diskussion fand online und auf englisch statt, während der gesamten Zeit hatten die Zuschauer*innen die Gelegenheit, Fragen zu stellen.  Moderiert wurde die Veranstaltung von Clara Föller, Bundesvorsitzende der JEF.


Europa geht #BesserZusammen!- Junge Stimmen zur Trio-Ratspräsidentschaft“ ist ein Projekt der JEF Deutschland e.V. und wird gefördert vom Auswärtigen Amt.

BundesverbandTrio Talks: Die Junge Zivilgesellschaft zieht Bilanz!
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