Gestern war der Auftakt des zweiten bundesweiten Bürgerrats, der unter dem Thema “Deutschlands Rolle in der Welt” tagt. Konkret geht es dabei darum, dass zufällig ausgeloste Bürger*innen in den Bürgerräten zu bestimmten Themenfeldern Empfehlungen erarbeiten, das sogenannte “Bürgergutachten”, die dann dem Bundestag vorgelegt werden.
Seit heute ist der Bürgerrat "Deutschlands Rolle in der Welt" @buergerrat_de aktiv: Eine Gruppe zufällig ausgeloster Menschen, die die deutsche Bevölkerung repräsentieren, trifft sich und redet über Politik. Wie gut kann das klappen? https://t.co/QljSfOFpps
— Deutschlandfunk Nova (@dlfnova) January 13, 2021
Bürgerräte sind ein demokratisches Experiment, das wir bereits aus anderen Ländern in Europa kennen. Wir finden: Bürgerräte sind eine innovative, aber nicht die beste Lösung für die Herausforderungen, vor denen Demokratien heute stehen.
Befürworter*innen von Bürgerräten sehen in solchen Konsultationsformaten die Möglichkeit, festgefahrene Verhandlungen, in denen das Parlament gegenüber der Regierung nicht weiterkommt, zu durchbrechen. Außerdem sollen Bürgerräte dabei helfen, Menschen, die sich vom politischen Prozess ausgeschlossen fühlen, einzubinden. Deshalb sollte man sie ausprobieren und daraus lernen.
Kurzfristig können Bürgerräte möglicherweise politisch interessierten Bürger*innen Politik näher bringen und Einblicke in die Ideen von Menschen erhalten, die sich sonst weniger politisch vernehmbar äußern können. Genau hier liegt jedoch auch die Gefahr einer möglichen Frustration, nämlich, wenn die mitunter mühsam erarbeiteten Empfehlungen aus welchen Gründen auch immer von den politischen Entscheidungsträger*innen nicht angenommen werden. Strebt man also die langfristige und nachhaltige Stärkung von Demokratien und darin demokratischer Teilhabe und Funktionsfähigkeit an, können Bürgerräte wenn, dann nur ein konsultativer Zusatz zu den bestehenden demokratischen Strukturen sein. Gerade im Engagement vor Ort, in Parteien, Vereinen und Verbänden, das (fast) jedem*r Bürger*in offen steht, wird Demokratie Tag für Tag erlebt, erlernt und weitergegeben. Dieses Engagement bildet das Fundament einer wehrhaften Demokratie. Bürgerräte erreichen dies nur bedingt, da sie kein wiederkehrendes Engagement ermöglichen.
Damit also Demokratie mit ihren Werten und Prinzipien auch zukünftig verstanden und gelebt wird, kommt es vor allem darauf an, die Integrationsfähigkeit von Parteien, Vereinen und Verbänden zu erhöhen. Das gelingt, indem solche demokratische Strukturen vor Ort beispielsweise durch die Einbindung in politische Entscheidungen gestärkt werden. Zugleich dürfen die Parteien, Vereine und Verbände nicht müde werden, selbst stets inklusiver und damit letztlich auch repräsentativer zu arbeiten.