Bundesausschuss, 21.03.20
Die Konferenz zur Zukunft Europas darf keine Zuhör-Übung werden!
Beschluss im Wortlaut:
Der Rat der Europäischen Union berät noch immer über die Vorschläge des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission zur Konferenz zur Zukunft Europas. Nach dem Willen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sollen in diesem Großprojekt über zwei Jahre zwischen Politik und Zivilgesellschaft die zentralen Fragen zukünftiger europäischer
Politik diskutiert werden. Während der Konferenz, die bereits im Mai offiziell angekündigt und über zwei Jahre andauern soll, sollen Bürgerinnen und Bürger dauerhaft eingebunden sein, beispielsweise durch Diskussionsplattformen, Bürger- und Jugendräte.
Ein Aufbruch für Europa
Noch ist Vieles unklar, aber feststeht: Die Zukunftskonferenz muss das neue große Projekt für Bürgerbeteiligung und Weiterentwicklung der EU werden. Nach dem Parlament und der Kommission dürfen deshalb auch die Regierungen der Mitgliedstaaten der EU keinen Zweifel daran lassen, dass ihnen dabei eine souveräne Europäische Union und eine echte Bürgerbeteiligung ein großes Anliegen sind. Eine deutliche Abschwächung der sinnvollen Vorschläge des Parlaments wäre ein fatales Signal, gerade an junge Menschen in Europa.
Eine Zuhör-Übung birgt die Gefahr der Entfremdung und Demotivation junger Europäer*innen
Die Kommissionspräsidentin hat in der Vorstellung des Projekts deutlich gemacht, sie wolle, dass Bürgerinnen und Bürger in Europa eine “führende, eine aktive Rolle” bei der Festlegung der Prioritäten für die Zukunft Europas spielen. Die Konferenz solle ein Schub für die europäische Demokratie sein.
Wir warnen deshalb vor dem Effekt, dass sich gerade junge Europäerinnen und Europäer, die sich seit der Europawahl für Europa engagieren, von der europäischen Demokratie entfernen, falls die Konferenz trotz der geäußerten Absichten zu Bürgerbeteiligung und inhaltlicher Ausrichtung eher eine Zuhör-Übung wird.
Es braucht mutige Nationalstaaten, die keinen Konflikt der Institutionen herbeiführen
Es ist an der Zeit, dass die Nationalstaaten sich trauen und den Weg frei machen für echte, mutige und nötige Reformen für eine souveräne, handlungsfähige Europäischen Union im neuen Jahrzehnt. Was Europa jetzt nicht braucht, ist ein Konflikt zwischen Nationalstaaten, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission über dieses Zukunftsprojekt.
Verbindlichkeit der Ergebnisse der Zukunftskonferenz sicherstellen
Die führende und aktive Rolle, die die Bürger*innen einnehmen sollen, muss sich nicht nur im Format der Konferenz sondern insbesondere bezüglich der Ergebnisse der Konferenz niederschlagen. Durch eine Verbindlichkeit der Ergebnisse und ihrer Einbeziehung in die europäische Politik, soll nicht nur die Legitimation und Ernsthaftigkeit der gesamten Konferenz gefördert werden, sondern auch den Willen der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an ihr.
Vertragsänderungen nicht ausschließen sowie zentrale Zukunftsthemen und Wünsche behandeln
Um die großen Fragen der europäischen Zukunft zu diskutieren, sollte die Konferenz ein Mandat bekommen, am Ende auch Vertragsänderungen vorschlagen zu können. Dazu gehören in jedem Falle institutionelle Reformen, und damit allen voran ein echtes europäisches Wahlrecht, das bei der Europawahl mit dem gescheiterten Spitzenkandidaten-Prinzip so nötig gewesen wäre. Fehlen dürfen zudem nicht weitere zentrale Themen: ein zukunftsgerechter europäischer Haushalt, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in einigen europäischen Ländern, die europäische Antwort auf den Klimawandel, ein starkes und gemeinsames außenpolitischen Auftreten in einer Welt, die zunehmend von Autokraten geprägt wird, Lösungen für die sozialen Ungleichheiten in Europa, die europäische Asyl- und Migrationspolitik und die tiefgreifenden Veränderungen im Leben der Menschen auf dem Land und in der Stadt durch Digitalisierung und Globalisierung. Ohne Vertragsveränderungen wird das nicht gehen.
Erwartungen an eine inklusive, nachhaltige Beteiligung insbesondere junger Menschen
Die Konferenz muss die Vielfalt der europäischen Zivilgesellschaft einbinden. Es sollte allen Menschen in Europa offen stehen, sich zu beteiligen. Die Beteiligung sollten vor innovativen Formaten nicht zurückschrecken und immer das Ziel haben, Beteiligung möglichst niedrigschwellig zu ermöglichen. Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden, in denen sich Millionen Menschen organisieren und die die europäische Demokratie seit Jahren tragen, sollten ebenso Berücksichtigung finden, wie eine repräsentative Auswahl von Bürgerinnen und Bürgern über Losverfahren. Wir unterstützen zudem sehr den Vorschlag der Kommission, multilinguale und digitale Tools während der gesamten Laufzeit der Konferenz einzusetzen.