“Europa muss man heute machen!” – Forderungen der JEF Deutschland an die Koalitionsparteien

Europa muss man heute machen!

Berlin, November 2021
Forderungen der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Deutschland an die Koalitionsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP

Nach 20 Jahren Stillstand in der europäischen Integration kann Europa nicht länger warten. Die verschiedenen Krisen, die in den letzten Jahren die europäische Idee bedrohten, können nicht länger mit Minimalaufwand gelöst werden. Vielmehr gilt es jetzt den großen Wurf zu wagen, bevor es zu spät ist. Als überparteilicher und überkonfessioneller Jugendverband, der sich seit über 70 Jahren für ein föderales Europa einsetzt, fordern wir die zukünftige deutsche Bundesregierung daher jetzt dazu auf, sich in den nächsten vier Jahren proaktiv für echte und wirkungsvolle Reformen einzusetzen, die Europa demokratischer, nachhaltiger und handlungsfähiger machen.

Mit der derzeit stattfindenden Konferenz zur Zukunft Europas und einer Reihe wichtiger bevorstehender Wahlen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten bieten sich aktuell viele Möglichkeiten, europäische Politik und die EU nachhaltig zu gestalten. Vor allem angesichts immer dringlicher werdender Herausforderungen und der zunehmenden Erosion demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien wie in Polen und Ungarn, ist schnelles Handeln angesagt! Hier muss die zukünftige deutsche Bundesregierung eine zentrale Rolle einnehmen. Sowohl als Motor der europäischen Integration als auch als Moderatorin in der europäischen Gemeinschaft, gilt es, eine ambitionierte Vision mit klaren Ansprüchen zu definieren.

  1. Junge Menschen schon heute an der Zukunft von morgen beteiligen! Ob Corona-, Klima-, oder die Finanzkrise: Insbesondere junge Menschen leiden unter den kurz-, mittel- und langfristigen Folgen der aktuellen und zukünftigen Krisen. Generationengerechtigkeit sieht anders aus. Wir fordern, dass das Wohlergehen und die Bedürfnisse junger Menschen mehr Beachtung finden und junge Menschen durch verschiedene Beteiligungsformate (Jugendstrategie, EU-Jugendziele, Jugendcheck) sowie ein Wahlrecht ab 16 schon heute über ihre Zukunft mitentscheiden dürfen.
  1. Zivilgesellschaftliche Strukturen fördern, Demokratie stärken! Jugendverbände und -strukturen vermitteln insbesondere junge Menschen schon früh ein demokratisches Bewusstsein, befähigen sie, sich als mündige Bürger*innen in politische Prozesse mit einzubringen und tragen damit wesentlich zur Wehrhaftigkeit von Demokratien bei, auch jenseits von Grenzen. Sie sind daher besonders schützens- und förderwert. Wir fordern, dass die zukünftige deutsche Bundesregierung ein Demokratiefördergesetz verabschiedet, das die Arbeit zivilgesellschaftlicher Strukturen rechtlich stärker schützt und finanziell mehr fördert und das auch Mittel zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Strukturen in anderen europäischen Ländern bereit hält.
  1. Konferenz zur Zukunft Europas als Anstoß für Reformen nutzen! Das seit Mai 2021 laufende Bürger*innenbeteiligungsformat findet in der deutschen Debatte bisher kaum statt. Wir fordern, dass die zukünftige deutsche Bundesregierung ein strukturiertes Vorgehen entwickelt, bei dem “bottom-up” und in einem demokratischen Verfahren, die Stimmen deutscher Bürger*innen sowie die des Bundestags in die Konferenzdebatte eingespeist werden. Außerdem soll die Konferenz Anstoß für Reformen in der EU sein, die in einem sich anschließenden Konvent die EU umfassend erneuern.
  1. Europäische Demokratie im Vorfeld der Europawahl stärken! Das Europaparlament ist die zentrale Vertretung der Bürger*innen auf EU-Ebene, geben wir ihm die Bedeutung, die es verdient hat. Wir fordern, dass die zukünftige deutsche Bundesregierung sich zeitnah auf die Europawahl vorbereitet und sich für eine umfassende Stärkung der europäischen Demokratie einsetzt, beispielsweise durch die Einführung des Initiativrechts für das Europaparlament, die Einhaltung des Spitzenkandidat*innenprinzips, transnationale Listen und ein europaweit einheitliches Wahlrecht.
  1. Handlungsfähigkeit der EU stärken, Einstimmigkeitsprinzip im Rat abschaffen! Das Einstimmigkeitsprinzip im Rat der Europäischen Union schränkt die EU regelmäßig massiv in ihrer Handlungsfähigkeit ein und schwächt ihre Position, gerade auch auf der globalen Bühne. Wir fordern eine Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzip im Rat und mehr Transparenz in dessen politischen Entscheidungsprozess.
  1. Klimaschutz europäisch gestalten! Klimaschutz ist eine globale Notwendigkeit und es ist an uns, alles in unserer Macht stehende dafür zu tun, gerade zukünftige Generationen vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels zu bewahren. Wir fordern, dass die zukünftige deutsche Bundesregierung ihre Verpflichtungen im nationalen Aktionsplan Klimaschutz einhält und sich darüber hinaus unermüdlich in Deutschland wie auch global für eine Einhaltung der Pariser Klimaziele einsetzt. Darüber hinaus fordern wir die Bundesregierung dazu auf, durch einen umfassenderen Europäischen Emissionshandel, eine gemeinsame europäische Mobilitäts- und Energiepolitik, nachhaltige Landwirtschaft und eine EU-Biodiversitätsstrategie den European Green Deal mit Leben zu füllen. Die EU muss beim Klimaschutzes globale Vorreiterin werden.
  1. Europa koordinieren! Europäische Politik findet nicht nur in Brüssel, sondern gerade auch in Berlin sowie in den einzelnen Ländern und Kommunen statt. Das muss von den Wähler*innen gesehen werden können! Wir fordern, dass die zukünftige deutsche Bundesregierung sich für eine bewusste und effiziente Koordinierung europapolitischer Verantwortlichkeiten einsetzt, mit klaren und transparenten Verantwortungsstrukturen, der Abschaffung von Doppelstrukturen und einer verbesserten zivilgesellschaftlichen und parlamentarische Mitwirkung an EU-Entscheidungsfindung.
  1. Eine humanitäre Asyl- und Migrationspolitik! Die Situation flüchtender Menschen an den EU-Außengrenzen ist anhaltend katastrophal, eine Besserung nicht in Sicht. Wir fordern, dass die zukünftige deutsche Bundesregierung kurzfristig Maßnahmen ergreift, die das Wohlergehen der Menschen in den Mittelpunkt stellt und schnell und unbürokratisch Hilfe leistet und mittelfristig auf ein gemeinsames, vor allem aber auch humanes und solidarisches Asyl- und Migrationssystem hinwirkt.
  1. Mehr Soziales in Europa! Die Coronakrise hat nochmal in aller Deutlichkeit gezeigt, was ohnehin längst schon klar war: die teils sehr ungleichen sozialen Standards in den einzelnen europäischen Ländern führen über kurz oder lang zu einer immer größeren Spaltung der europäischen Gemeinschaft, die den Zusammenhalt und Frieden in Europa bedrohen. Wir fordern, dass die zukünftige deutsche Bundesregierung sich für eine Angleichung sozialpolitischer Mindeststandards sowie verstärkt gegen Jugendarbeitslosigkeit und Jugendarmut einsetzt und eine stetige Angleichung der Lebensverhältnisse wieder zu einem zentralen Ziel einer zukünftigen Europavision wird.
  1. Perspektive geben, Westbalkan integrieren! Die Länder auf dem Westbalkan streben seit ihrer Unabhängigkeit in die EU und zeigen seit Jahren, dass sie es damit wirklich ernst meinen. Es ist nun unsere Aufgabe, insbesondere den dort lebenden jungen Menschen durch die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen echte Perspektiven zu geben. Wir fordern, dass die zukünftige deutsche Bundesregierung sich klar für einen zeitnahen Beitritt der Länder des Westbalkan ausspricht und sich auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten dafür einsetzt.
Forderungen der JEF Deutschland an die Koalitionsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP
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Bürgerräte als demokratisches Instrument – eine innovative, aber nicht die beste Lösung

Gestern war der Auftakt des zweiten bundesweiten Bürgerrats, der unter dem Thema “Deutschlands Rolle in der Welt” tagt. Konkret geht es dabei darum, dass zufällig ausgeloste Bürger*innen in den Bürgerräten zu bestimmten Themenfeldern Empfehlungen erarbeiten, das sogenannte “Bürgergutachten”, die dann dem Bundestag vorgelegt werden.  

Bürgerräte sind ein demokratisches Experiment, das wir bereits aus anderen Ländern in Europa kennen. Wir finden: Bürgerräte sind eine innovative, aber nicht die beste Lösung für die Herausforderungen, vor denen Demokratien heute stehen. 

Befürworter*innen von Bürgerräten sehen in solchen Konsultationsformaten die Möglichkeit, festgefahrene Verhandlungen, in denen das Parlament gegenüber der Regierung nicht weiterkommt, zu durchbrechen. Außerdem sollen Bürgerräte dabei helfen, Menschen, die sich vom politischen Prozess ausgeschlossen fühlen, einzubinden. Deshalb sollte man sie ausprobieren und daraus lernen. 

Kurzfristig können Bürgerräte möglicherweise politisch interessierten Bürger*innen Politik näher bringen und Einblicke in die Ideen von Menschen erhalten, die sich sonst weniger politisch vernehmbar äußern können. Genau hier liegt jedoch auch die Gefahr einer möglichen Frustration, nämlich, wenn die mitunter mühsam erarbeiteten Empfehlungen aus welchen Gründen auch immer von den politischen Entscheidungsträger*innen nicht angenommen werden. Strebt man also die langfristige und nachhaltige Stärkung von Demokratien und darin demokratischer Teilhabe und Funktionsfähigkeit an, können Bürgerräte wenn, dann nur ein konsultativer Zusatz zu den bestehenden demokratischen Strukturen sein. Gerade im Engagement vor Ort, in Parteien, Vereinen und Verbänden, das (fast) jedem*r Bürger*in offen steht, wird Demokratie Tag für Tag erlebt, erlernt und weitergegeben. Dieses Engagement bildet das Fundament einer wehrhaften Demokratie. Bürgerräte erreichen dies nur bedingt, da sie kein wiederkehrendes Engagement ermöglichen. 

Damit also Demokratie mit ihren Werten und Prinzipien auch zukünftig verstanden und gelebt wird, kommt es vor allem darauf an, die Integrationsfähigkeit von Parteien, Vereinen und Verbänden zu erhöhen. Das gelingt, indem solche demokratische Strukturen vor Ort beispielsweise durch die Einbindung in politische Entscheidungen gestärkt werden. Zugleich dürfen die Parteien, Vereine und Verbände nicht müde werden, selbst stets inklusiver und damit letztlich auch repräsentativer zu arbeiten.

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Stellungnahme des JEF Bundesvorstandes zum Ausgang der US-Präsidentschaftswahl

Außerhalb der USA sorgte der Gedanke, Donald Trump könne der nächste US-Präsident werden, nur für Unglaube. Was wir in den USA erleben durften war das Ergebnis eines sich abzeichnenden Trends zu mehr Protektionismus, selbstüberschätzendem Nationalismus und Ignoranz gegenüber allem Fremden. Lange galt Trump als unwählbar, wurde belächelt wie die AfD, die Front National, die PiS-Partei. Die rechts-nationalistischen Parteien schafften es, Menschen mit ihrer Angst vor dem Ungewissen, dem Unbekannten zu ködern. Ohne wirkliche Lösungsansätze werden vorgeschobene Probleme thematisiert und die entstandenen Ängste mit Hilfe von Halb- und Unwahrheiten in der Bevölkerung potenziert.
2017 wird in Europa gewählt. In den Niederlanden, in Frankreich und auch in Deutschland. Lassen wir nicht ein Klima der Angst entstehen, in dem wir unseren Nachbarn misstrauen. Kämpfen wir für eine gesamteuropäische Antwort auf die neuen Entwicklungen in der Außenpolitik. Denn Europa ist nicht das Problem, Europa ist die Lösung.
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