Am vergangenen Wochenende vom 17.-19. April 2015 fand in Berlin die erste Verbandsakademie der Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland e.V. des Jahres statt. Unter dem Thema “Schutz von, oder Schutz vor Flüchtlingen?” diskutierten 21 hochmotivierte Teilnehmer*innen aus dem gesamten Bundesgebiet über die Europäische Flüchtlings-, Asyl- und Migrationspolitik.
Der Freitag stand dabei wie gewohnt im Zeichen des Kennenlernens. Nach einer Vorstellungs- und Einführungsrunde, bei der viele Teilnehmer*innen bereits beeindruckende Vorkenntnisse im Bereich Migrationspolitik vorweisen konnten, musste die Gruppe in einem ‘Migration-Standogram’ Stellung zu Fragen wie ‘Würde ich einen geflüchteten Menschen in meiner Wohnung aufnehmen?’, oder ‘Ist Flüchtlingsbetreuung eher eine Aufgabe des Staates oder der Zivilgesellschaft?’ beziehen.
Anschließend wurde der Dokumentarfilm ‘The Land Between’ von David Fedele gezeigt, der die Lebensrealität von Migrant*innen in Nordmarokko an der Grenze zu den spanischen Enklaven Melilla und Ceuta abbildet und über das Grenzregime des marrokanischen Militärs, finanziell unterstützt von den spanischen Behörden und der EU, aufklärt.
Der Film, wenngleich schockierend, regte dennoch die Diskussionsbereitschaft der Teilnehmenden nochmals an, die sich im Folgenden bei einem Fakten-Pubquiz in ihrem Wissen über globale Migration und Hintergründe messen und den Abend gemütlich ausklingen lassen konnten.
Am Samstag startete die Gruppe direkt mit einem Word-Cafe in die sachliche Diskussion. Gemeinsam mit Pauline Endres de Oliveira vom UNHCR, Julian Lehmann von Amnesty International Berlin, Anne Koch von der Europa Universität Viadrina in Frankfurt Oder und Rechtsanwalt Volker Gerloff von der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM) konnte der komplexe Bereich in vier verschiedenen Themenblöcken intensiv diskutiert werden, wobei sowohl die Referent*innen durch ihre Expertise und ihren gut strukturierten Input, als auch die Teilnehmer*innen durch ihre vielseitigen interessierten Fragen zu einer äußerst konstruktiven Gesprächsatmosphäre beitrugen, bei der direkt einige politische Forderungen, wie zum Beispiel die Einführung eines Visums, welches auf der der Genfer Menschenrechtskonvention basiert, erarbeitet wurden.
Nach einer Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse startete die Gruppe am Nachmittag in ein großes Planspiel, welches eigens für die Akademie konzeptioniert wurde: Die Reise nach ‘Euphoria’. Angelehnt an die momentane Situation in der EU und Migrationsströme in- bzw. aus dem nordafrikanischen Raum, war es Aufgabe der Teilnehmenden, in einer fiktiven Staatenkonferenz eine Lösung und insbesondere Verteilung für Migrationsströme zu finden. Dabei gab es sowohl einen Kriegsausbruch und eine Hungersnot auf dem Nachbarkontinent – im gegebenen Szenario im Norden von Euphoria – zu berücksichtigen, wie auch koloniale Altlasten, spontane Bündnisse unter den Staaten, kurzfristige Geheimdienstinformationen sowie eine anstehende WM mit verbundenem Wirtschaftsaufschwung.
Auch wenn die vier Staaten der ‘euphorischen Gemeinschaft’ sich weder von den Lobbyorganisationen ‘Dignitas’ und ‘Securitas’ in ihre Migrationspolitik hineinreden lassen wollten und kein einstimmiger Beschluss zu einem gemeinsamen Vorgehen bezüglich der sich über das Land ‘Transira’ und über das Wasser nach ‘Euphoria’ machenden Migrant*innen gefasst werden konnte, so wurden doch die Machtstrukturen und politischen Motivationen täuschend echt abgebildet und die Teilnehmenden stellten in ihrer ‘Euphorie’ und ihren spontanen Einfällen wie einer ‘Operation Good Neighbourhood’ echtes diplomatisches Gespür, Schauspieltalent sowie großes Einfühlungsvermögen in politische Verhandlungssituationen unter Beweis.
Nach diesem anstrengenden Seminartag stand letztlich noch ein Restaurantbesuch auf dem Programm, bevor sich die Gruppe zum ‘Borders against Racism’-Festival mit Kundgebungen und Musik aufmachte, wo passend zum Thema der Forderung nach einer menschenwürdigeren Migrationspolitik Ausdruck verliehen wurde, wenngleich mit etwas anderen und radikaleren Mitteln als dies den Teilnehmer*innen vorschwebte.
Am Sonntag stand dann ganz im Zeichen des zukünftigen Engagements und eigener Projektideen. Zunächst arbeiteten die Teilnehmenden anhand einer Wertebörse gemeinsame Forderungen heraus und stellten diese dem Plenum vor. Anschließend wurde anhand früherer Beschlüsse der JEF zur Migrationspolitik und der eigenen Initiativen anderer Teilnehmer*innen konstruktiv überlegt, wie das Thema in die eigene politische Arbeit eingebracht werden könnte und wo die Teilnehmer*innen womöglich gemeinsam eine Initiative auf die Beine stellen könnten.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen war die erste verband:stoff Akademie dann auch schon wieder vorüber, wobei die gerade eintreffenden Neuigkeiten von einem weiteren im Mittelmeer gesunkenen Flüchtlingsboot die Relevanz und Wichtigkeit des politischen Engagements im Bereich der Migrationspolitik noch einmal auf dramatische Art und Weise verdeutlichten. Die schockierende Meldung eines vor der libyschen Küste gekenterten Flüchtlingsbootes mit hunderten ertrunkenen Menschen zeigt noch einmal, wie dringend europäische Flüchtlingshilfe verändert und verbessert werden muss.
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmer*innen und Referenten*innen für die inspirierende und konstruktive Arbeitsatmosphäre zu diesem schwierigen Themenblock.
Bisherige Beschlüsse der JEF zu Flüchtlings- und Asylpolitik:
- Für eine verantwortungsbewusste und menschenwürdige Europäische Flüchtlingspolitik (BuKo Beschluss, 7.-9. Oktober 2011 in Kiel)
- Beschluss in Bezug auf das beschlossene Asylpaket des Europäischen Parlaments vom 12.06.2013 (BuKo Beschluss, 26.-27. Oktober 2013 in Münster)