Nach monatelangen Verhandlungen haben sich das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Rat der EU nun endlich auf eine gemeinsame Erklärung zur Konferenz zur Zukunft Europas geeinigt und diese feierlich am 10. März 2021 unterzeichnet. Die Erklärung bildet die politische Grundlage für die Konferenz, die am 9. Mai 2021 beginnen und groß angelegte Konsultationen in allen Mitgliedstaaten zur Reform der EU und ihrer Politiken umfassen soll. Die #CoFoE sollte eigentlich am 9. Mai 2020 beginnen, wurde aber aufgrund der COVID19-Pandemie und der fehlenden interinstitutionellen Einigung über ihren Vorsitz und ihr Anspruchsniveau verschoben.
Die Erklärung zur Konferenz zur Zukunft Europas ist eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, denn viel ist von den ursprünglichen Ambitionen der Konferenz als einem substantiellen Instrument, durch das Europäer*innen die Zukunft der EU gestalten würden können, nicht geblieben. Trotzdem freuen wir uns, dass nach einem Jahr langwieriger Verhandlungen, Blockaden und Fehlschlägen die Konferenz nun endlich beginnen kann und nehmen auch einige positive Aspekte in der Gemeinsamen Erklärung wahr.
So bekennen sich die Institutionen etwa zu einer bürgernahen Umsetzung der Konferenz, die ausdrücklich junge Menschen und die Zivilgesellschaft mit einschließen soll. Zwar bleibt die Erklärung hinsichtlich der Frage recht vage, wer genau damit gemeint ist und wie konkret diese einbezogen werden sollen. Der angekündigte Feedback-Mechanismus kann aber, wenn ernsthaft umgesetzt, ein wirkungsvolles Instrument sein, sicher zu stellen, dass die Ergebnisse der Konsultationen einen tatsächlichen Einfluss auf die Konferenz haben werden.
Kritisch sehen wir hingegen vor allem die gekürzte Dauer der Konferenz: Statt der angedachten zwei Jahre sollen zentrale Debatten über die Zukunft der Europäischen Union nun innerhalb von neun Monaten geführt werden. Das ist zu wenig. Das Startdatum wurde (verständlicherweise) vor dem Hintergrund der globalen Covid-19 Pandemie verschoben, doch an dem Enddatum im Frühjahr 2022 wird starr festgehalten. Wieder einmal, so scheint es, werden nationale Interessen über europäische Belange gestellt. Als europäische Föderalist*innen kritisieren wir diese Prioritätensetzung stark, denn sie schaden der Glaubwürdigkeit dieser Konferenz. Deshalb fordern wir die Bürger*innen,die Zivilgesellschaft und die Entscheidungsträger*innen dazu auf, ihre Arbeit im Rahmen der Konferenz über den Stichtag im Frühjahr 2022 hinaus fortsetzen, und zwar so lange, bis die Erwartungen der Europäer*innen erfüllt sind. Wir werden nicht stillschweigend zulassen, dass die Konferenz zu einer weiteren Zuhörübung verkommt! Die Bundesvorsitzende der JEF Deutschland Clara Föller sagt dazu:
“Die vorliegende Einigung bleibt hinter unseren Erwartungen zurück, ein echter deliberativer Prozess, der Europäer*innen ein wirkliches Mitspracherecht an ihrer Zukunft eröffnet, sieht anders aus. Als europäische Föderalist*innen geben wir aber nicht so einfach auf. Wir begreifen die Konferenz als eine Möglichkeit, um dringende Themen zu besprechen und längst überfällige Reformen anzustoßen.
Wir fordern daher: Nicht nur reden, Europa machen!”
Seit dem Scheitern des Verfassungskonvents folgt eine Krise der nächsten und Politik wie auch Zivilgesellschaft betonen fortlaufend, dass Europa – die EU – den Anforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gewachsen ist. Doch nur darüber zu sprechen, hilft nicht. Es braucht substanzielle Veränderungen. Damit die EU den in sie gelegten Erwartungen gerecht werden kann, muss sie handlungsfähiger werden. Dazu braucht sie entsprechenden Kompetenzen: Was kann auf Länderebene geregelt werden, was muss auf europäischer Ebene koordiniert werden? Die vereinzelten Bemühungen der letzten Jahre gingen zwar in die richtige Richtung, waren aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine starke EU baut auf einem sturmfesten demokratischen Fundament. Wir müssen die Rechte und Pflichten der europäischen Bürger*innen stärken und ihr Mitspracherecht an Europäischer Politik auch auf EU-Ebene ausbauen. Wir brauchen eine verfassungsgebende Versammlung, die eine föderale europäische Verfassung entwirft – und als JEF setzen wir uns weiterhin dafür ein, die Konferenz als Sprungbrett zu nutzen, um dieses Ziel zu erreichen.
Wichtige Punkte:
- Wir begrüßen die Verpflichtung, die Konferenz bürgernah zu gestalten, und dabei insbesondere die ausdrückliche Erwähnung von jungen Menschen sowie der Zivilgesellschaft in der gemeinsamen Erklärung.
- Wir begrüßen auch die Aufnahme einer strukturierten Feedback-Schleife zwischen den Empfehlungen der Bürger*innen und der Konferenz.
- Wir sind besorgt, dass eine neunmonatige Konferenz Gefahr läuft, zu einer reinen inhaltsleeren und ergebnislosen Gesprächsrunde reduziert zu werden.
- Wir fordern alle Europäer*innen auf, im Rahmen der Konferenz so lange mitzuwirken, bis all ihre Erwartungen erfüllt sein werden, wenn nötig auch über die angegebene Frist hinaus.
- Wir setzen uns weiterhin für ein föderales Europa und eine echte europäische Verfassung ein. Die Konferenz kann ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel sein.
- Nicht nur reden, Europa machen!