Zweigeteilt blicken wir als deutsche Sektion des größten proeuropäischen, überparteilichen und europaweiten Jugendverbands auf die Ergebnisse der Europawahl 2019.
Wir sind begeistert von der überall in Europa gestiegene Wahlbeteiligung! Das zeigt: die europäische Demokratie wurde nicht abgewählt – sondern gestärkt! Laut Umfragen waren europäische Themen, in Deutschland, genauso entscheidend für die Wahlentscheidung wie bundespolitische. Die jetzige Europawahl war endlich eine stärker tatsächlich transnationale Wahl. Das sehen wir als positives Zeichen auf dem Weg hin zu einer breiteren europapolitischen Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit.
“Nicht nur die europäische Demokratie sondern auch das europäische Parlament wurde gestern durch die Wählerinnen und Wähler gestärkt. Das ist ein klares Zeichen, dass die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer europäische Zusammenarbeit will. Es ist wichtig, dass jetzt auch eine oder einer der Spitzenkandidatinnen oder Spitzenkandidaten zur Präsidentin oder Präsidenten der Europäischen Kommission gewählt wird. Alles andere wäre schwer vermittelbar und würde der europäischen Demokratie schaden.
Wir hoffen bei der Besetzung des europäischen Spitzenpersonals deshalb auf einen Streit zwischen den politischen Richtungen statt Streit des Europäischen Parlaments mit dem Europäischen Rat. Auch bezüglich der Inhalte, die zur Wahl standen, zeigt das vorläufige Ergebnis, dass Wählerinnen und Wähler eine insgesamt proeuropäische Entscheidung getroffen haben – aber durchaus unterschiedliche Visionen und konkrete Positionen gewählt haben. Die Erfolge der Nationalist*innen und Populist*innen in einigen Länder und dürfen nicht missachtet werden.
Europa ist nach dieser Wahl aber insgesamt als Lebensrealität angekommen. Dass über deren genaue Ausgestaltung und zukünftige Richtung vermehrter und mehrheitlich demokratischer Streit herrscht, ist gut und wichtig. Auf diese Weiterentwicklung muss sich die Europäische Union konzentrieren. Das Wahlergebnis war insofern auch ein klares Signal der Wählerinnen und Wähler für Reformen und Weiterentwicklungen,” kommentiert Malte Steuber, Bundesvorsitzender der JEF Deutschland das Wahlergebnis.
Negativ stimmt das Wahlergebnis in vielen osteuropäischen Ländern und Frankreich. Der befürchtete immense Rechtsruck in Europa ist zwar ein Stück weit ausgeblieben, ein Wahlsieg für den Rassemblement National in Frankreich, über 30% für die Lega Nord in Italien, über 40% für die PiS in Polen und über 50% für die Rechtspopulisten in Ungarn zeugen von einer zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung, tiefer Verunsicherung und Europaskepsis in der europäischen Bevölkerung. Auch die vorläufigen 11% für die AfD in Deutschland sind ein Indiz für eine gefestigte Kernwählerschaft der Populist*innen und Antieuropäer*innen. Besonders besorgniserregend sind dabei die hohen Wahlergebnisse in Ostdeutschland.
Das kommende Europaparlament aber auch die Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat müssen sich diesem negativen Teil des Wahlergebnisses widmen. Steuber: “Bei aller Freude über die Wahlbeteiligung und die weiterhin existierende deutliche Mehrheit der Proeuropäerinnen und Proeuropäer im Europaparlament: Europäische und nationale Politik müssen schnell wirksame Antworten finden auf diese zunehmend zementierte gesellschaftliche Spaltung, damit die europäische Zusammenarbeit langfristig in ganz Europa eine Zukunft hat.”
Bemerkenswert sind auch die Unterschiede zwischen dem deutschen Wahlergebnis bei Erstwählerinnen und Erstwählern im Vergleich zu älteren Wählerinnen und Wählern. CDU/CSU und SPD büßen hier massiv ein, während Bündnis90/Die Grünen mit großem Vorsprung stärkste Kraft werden. Die Ergebnisse der Europawahl und der Europawahlkampf sind ein Indiz für eine stärker werdende Kluft zwischen Jung und Alt. Es ist wichtig, dass junge Stimmen und Positionen im nächsten Europaparlament noch mehr Gehör finden als bislang. Ansonsten besteht die Gefahr von Politikverdrossenheit gerade solcher jungen Wählerinnen und Wähler, die erstmals zur Wahl gegangen sind oder sich im Wahlkampf engagiert haben.
Mit dem gestrigen Wahltag werden auch unsere Anstrengungen deshalb nicht enden, im Gegenteil! Wir werden die mit unserer Kampagne “Europa machen” verbundenen inhaltlichen überparteilichen und föderalistischen Forderungen an das neue Europaparlament herantragen und weiter an der überparteilichen Umsetzung arbeiten. Wir werden Europa weiter erklären und erlebbar machen, damit 61,4 % Wahlbeteiligung nur ein Zwischenschritt sind und die Stimmanteile der Antieuropäer*innen und Populist*innen im Europaparlament bei der nächsten Wahl wieder sinken.
Eine erste Gelegenheit dafür bietet die Europawerkstatt vom 5. bis 7. Juli 2019 in der Hertie School of Governance in Berlin, bei der wir junge Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Zivilgesellschaft und Politik vernetzen und mit ihnen Ideen und Konzepte für eine vorwärtsgerichtete Politik für Europa erarbeiten. Auch in Hinblick auf die Landtagswahlen in einigen Bundesländern im Herbst werden wir dort unsere Aktivitäten für ein offenes und geeintes Europa vorantreiben!