von Katharina Volk
Berlin – Eine Vision, so kühn wie hoffnungsvoll. Junge Israelis und Palästinens:erinnen starteten eine Bewegung, um etwas zu wagen, an dem schon viele gescheitert sind: Frieden in Nah-Ost. Im Bundestag stellten sie ihre föderale Zukunftsvision beim Parlamentarischen Europaforum vor.
Der Auftakt ihrer Arbeit: Ventotene, wo 1941 das Manifest „für ein freies und einiges Europa“ entstand. Dort trafen sie sich im Sommer – unterstützt von den Jungen Europäischen Föderalist:innen (JEF) und Experten wie Emanuel Shahaf. Ihr Ziel: ein Zusammenleben in Frieden.
Die wichtigsten Punkte: Ein föderaler Staat für Israelis wie Palästinenser:innen. Jerusalem als Hauptstadt. Gemeinsame Institutionen. Gleiche Rechte. Keine Binnengrenzen. Freizügigkeit. Religionsfreiheit. Zugang zu allen heiligen Stätten.
Interessant: Der Plan umfasst nicht nur Gaza und die Golanhöhen, sondern kann nach Bedarf auf die gesamte Levante ausgeweitet werden – also Libanon, Syrien, Jordanien und Teile der Türkei.
Shahaf, stellvertretender Vorsitzender der Israelisch-Deutschen Gesellschaft und Mitglied des Rates für Frieden und Sicherheit, bringt es auf den Punkt: „Die föderalistische Idee Europas, mit in Vielfalt geeinten Ländern, ist aus dem Grauen des Krieges entstanden. Es fühlt sich heute idealistisch an, aber das war die EU auch.“
Die EU als Vorbild
Klar ist für alle Anwesenden: „Unsere Vision erkennt an, dass beide Völker ihre Wurzeln auf demselben Boden haben. Auch 1945 glaubte niemand, dass Deutsche und Juden je wieder zusammenleben können“, sagte der Israeli Dvir Aviam-Ezra.
Melanie Thut, Bundesvorsitzende der JEF Deutschland, erinnert an Europas Anfang: „Alles begann mit bilateralen deutsch-französischen Jugendprojekten.“ Aus Feinden wurden Partner, aus Nationalstaaten ein Friedensprojekt – mit der israelisch-palästinensischen Bewegung hin zum Föderalismus sei nun der erste Schritt in die Richtung des Friedens getan.
Bundestagsabgeordnete Chantal Kopf (Grüne) drückt auf die Bremse: Grundlage müsse die Zwei-Staaten-Lösung bleiben. Föderalismus? Eher Zusatz. Und militärische Souveränität einer tief gespalteten Region sieht sie äußerst kritisch.
Die nächsten Schritte für die jungen Aktivist:innen: Bei Politiker:innen in Brüssel für die Idee werben. Doch ob Deutschland und Europa gegen US-Präsident Donald Trump die Kraft hätten, diese Utopie zu stützen? Zukunftsmusik.
Ein-Staaten-Lösung sei realisierbar
Sören Keil, Professor mit Schwerpunkt Föderalismus an der Uni Passau, verweist auf historische Ansätze aus den 70er- bis 90er-Jahren: Da gab es die ersten Versuche für eine Ein-Staaten-Lösung.
Keil war selbst an einer Arbeitsgruppe für die Ein-Staaten-Lösung beteiligt. Er sagt: „Basierend auf dem Angriff vom 7. Oktober und dem nachfolgenden Krieg, ist die Zwei-Staaten-Lösung de facto tot.“ Ein israelischer, wie palästinensischer Staat wäre nicht überlebens- und funktionsfähig.
Unrealistisch sieht er also die Idee eines föderalen Staates nicht. Es gäbe etliche Beispiele, bei denen verschiedene Völker, Religionen oder Sprachgruppen in einem Land zusammenleben – Belgien, Schweiz oder Bosnien. Verfassungsgrundlagen gäbe es.
Das Problem sieht Keil darin: Wie kann politischer Wille kreiert werden? Israel müsste sich davon verabschieden, ein Staat für Juden und Jüdinnen zu sein, Palästina müsste sich eingestehen, kein eigener Staat werden. Die Alternative wäre die jetzige Situation, die aber immer wieder eskalieren könne.
Es müsste ein gesellschaftliches Umdenken, besonders in Israel, geben. Keil betont: „Es braucht dafür junge Menschen, die Mut haben und bereit sind, sich für ihre Zukunft einzusetzen.“
Hilfe könnte von der EU kommen. Europa sei Vorbild nach Kriegen zusammenzuarbeiten. Auch finanziell kann sie unterstützen beim Wiederaufbau von Ländern und der Ökonomie. Denn: Trump sei nur an kurzfristigen Gewinnen interessiert. Die EU könnte in einem föderalen Staat als Streitschlichterin fungieren und neutral an Lösungen mitwirken.
