II. Verbandsakademie 2015 in Halle (Saale): Rechtspopulismus in Europa

Vom 19. – 21. Juni 2015 fand in Halle (Saale) die zweite ‘verband:stoff’-Akademie diesen Jahres zum Thema „Rechtspopulismus in Europa“ statt.  Gemeinsam mit den JEF Halle und der JEF Sachsen-Anhalt organisierten wir die Ehrenamtsakademie erstmals in Sachsen-Anhalt.  

Der Umgang mit Populismus ist gerade in Zeiten der Krise, aber auch generell, für uns Föderalisten eine große Herausforderung. Auf allen politischen Ebenen gibt es organisierte rechtspopulistische Gruppierungen und Parteien, die unsere Version von einem demokratischen und vereinten Europa ablehnen. In den nationalen Parlamenten sowie im EU-Parlament haben die Rechtspopulisten deutlich an Sitzen hinzugewonnen. Seit es die AFD und PEGIDA gibt, ist auch in Deutschland der politische Diskurs schärfer geworden und populistische und völkische Parolen finden Anklang in den öffentlichen Debatten. Erst am 15. Juni ist mit der Gründung der „ENF“ (Europa der Nationen und der Freiheit) im EU-Parlament eine neue rechtspopulistische Fraktion entstanden. Mit der ENF, der EFDD (Europa der Freiheit und der direkten Demokratie) und (zum Teil) der EKR (Europäische Konservative und Reformisten) gibt es nun drei Fraktionen im EU-Parlament, die rechtspopulistische Mitglieder haben und eine EU-skeptische Haltung einnehmen. Diese Entwicklungen müssen wir als JEF beobachten und daraus Konsequenzen für unsere Arbeit ziehen. Auf der Akademie haben wir daher nicht nur die aktuellen Probleme rund um das Thema „Rechtspopulismus in Europa“ betrachtet, sondern auch diskutiert, was jede*r Einzelne und wir als JEF tun können.

Nachfolgend eine Übersicht über unser Akademie-Wochenende:

Am Freitag hat uns Fabian Sieber von der JEF Halle eine Einführung dazu gegeben, was Populismus eigentlich ist und weshalb wir uns damit beschäftigen sollten. In nahezu allen europäischen Ländern sind rechtpopulistische Parteien in Parlamenten vertreten, während Linkspopulisten lediglich in Griechenland eine bedeutende Kraft darstellen. Die griechische Regierung besteht aus einer Koalition aus Links- und Rechtspopulisten.

Am Samstag präsentierte uns Franziska Schmidtke vom Kompetenzzentrum Rechtsextremismus an der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine Analyse über die Arbeit von rechtspopulistischen Parteien im EU-Parlament. Dabei wurde die Partizipation der verschiedenen Parteien im EU-Parlament analysiert, indem Statistiken zur Anwesenheit, zum Abstimmungsverhalten, zu Wortmeldungen, zu parlamentarischen Anträgen, zu Entschließungsanträgen und zur Ausschussaktivität ausgewertet wurden. Insgesamt stellen die rechtspopulistischen Parteien im EU-Parlament eine sehr heterogene Masse da. Obwohl mit der EFDD und der neuen ENF zwei eindeutig rechtspopulistische Fraktionen existieren, ist das Abstimmungsverhalten der Parteien sehr unterschiedlich. Auch die Arbeitsweise im Parlament ist sehr unterschiedlich. Während einige Parteien wie die FPÖ und die Lega Nord aktiv die Möglichkeiten nutzen parlamentarische Anfragen zu stellen oder sich im Plenum zu Wort zu melden, gibt es andere Parteien wie die britische UKIP oder die französischeFront National (FN), die vor allem durch Abwesenheit in Ausschusssitzungen und geringe parlamentarische Aktivitäten auffallen. Bemerkenswert bei allen Rechtsaußenparteien ist, dass sie einen besonderen Fokus auf die medienwirksamen Plenardebatten legen, bei denen sie anders als sonst sehr aktiv dabei sind.

Am Nachmittag haben sich die Teilnehmer*innen mit zwei Länderanalysen beschäftigt. Vanda Sárai aus Budapest/Ungarn stellte die Entwicklungen der letzten Jahre in Ungarn vor. Nach der Wahl Viktor Orbáns, bei der die Fidesz-Partei eine Zweidrittel-Mehrheit erlangte, wurde die ungarische Verfassung im Sinne der Fidesz geändert. Zudem wurde ein neues Mediengesetz erlassen, welches eine staatliche Zensurbehörde geschaffen und die Pressefreiheit eingeschränkt hat. So wurden kritischen Medien die Lizenzen entzogen. Die Rechtsstaatlichkeit Ungarns wird auch infrage gestellt, seitdem die Kompetenzen der Justiz beschränkt und zahlreiche Richterstellen durch die Fidesz neu besetzt wurden. Obdachlosigkeit wurde per Gesetz verboten und an der serbischen Grenze wird eine befestigte Mauer errichtet, um Asylsuchende aufzuhalten. Diese Entwicklung hat sich von 2010 bis heute kontinuierlich fortgesetzt. Die EU-Staaten sind bisher ratlos, wie sie mit der Situation in Ungarn umgehen sollen. Als JEF haben wir bereits 2011 die EU zum Handeln aufgefordert. Die europäischen Regierungen dürfen nicht länger schweigen, wenn sich ein Mitgliedstaat der EU immer weiter von den gemeinsamen Werten entfernt und elementare Beitrittsvoraussetzungen (Art. 2 EU-Vertrag) inzwischen nicht mehr erfüllt.

Link zum Beschluss

Als zweites Länderbeispiel haben wir uns Österreich und die FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) angeschaut. David Horn von der JEF Halle hat mit den Teilnehmer*innen anhand verschiedener Beispiele die Rolle der FPÖ in Österreich dargestellt. In Österreich ist sie seit einigen Jahrzehnten eine fest etablierte Kraft. Die Partei ist im Nationalrat und in allen neun Landtagen Österreichs vertreten und war von 2000 bis 2007 in einer Koalition mit der ÖVP an der Bundesregierung beteiligt. Die damals 14 EU-Staaten sowie einige andere einigten sich darauf, Maßnahmen gegen die österreichische Regierung einzuleiten, die in Österreich als Sanktionen gewertet wurden. Der Effekt war, dass die Zustimmung zur rechtspopulistischen FPÖ weiter anstieg. Die Partei ist seit 1996 im EU-Parlament vertreten und arbeitet dort sehr eng mit dem rechtsextremen Front National und dem rechtsextremen Vlaams Belang zusammen. Im Juni 2015 wurde verkündet, dass die SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs) und die FPÖ gemeinsam die Landesregierung des Burgenlandes bilden wollen. Die FPÖ ist somit eine fest verankerte politische Kraft in Österreich, die eine zentrale Rolle in der österreichischen Politik inne hat.

Am Abend haben Fabian Sieber und Gerhard Soyka (JEF-Bundesvorstand) gemeinsam mit den Teilnehmenden die Bedeutung des Rechtspopulismus für die Arbeit der JEF herausgearbeitet. Bei verschiedenen öffentlichen Aktionen wurde in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich, dass wir bei unserer Arbeit vor Ort mit Rechtspopulisten in Berührung kommen. Die Teilnehmer*innen sind sich einig, dass auf JEF-Veranstaltungen Rechtspopulisten keine Bühne geboten werden soll. Zudem brainstormten wir auch generell über Maßnahmen, die gegen Rechtspopulismus in Europa gewählt werden könnten. Da wir zuvor ausgiebig über die Probleme in Ungarn gesprochen hatten, diskutierten wir nun, ob es sinnvoll sei, dass die EU Sanktionen gegen Ungarn einleitet, damit diese die Reformen zur Beschränkung der Justiz und der Minderheitenrechte wieder zurück nimmt. Während die Befürworter*innen die Meinung vertraten, dass die EU eine Wertegemeinschaft sei und dies auch konsequent vertreten müsse, nötigenfalls auch durch Sanktionen, haben die Gegner von Sanktionen darauf verwiesen, dass am Ende die Bevölkerung die einzige Verliererin wäre und dabei der Reputation der EU weiterer Schaden zugeführt werde.

Am Samstagabend haben wir dann die Fête de la Musique in Halle besucht. Im Club Drushba haben wir den Abend in netter Atmosphäre bei Live-Musik ausklingen lassen.

Der Sonntag stand ganz im Zeichen des Argumentationstrainings mit Stephan Schack. Nachdem am Samstagabend deutlich wurde, dass wir bei unserer Arbeit vor Ort immer wieder mit populistischen Parolen zu tun haben, folgte am Sonntag das Training zum richtigen Umgang mit Stammtischparolen. In mehreren Rollenspielen erprobten wir verschiedene Kommunikations- und Argumentationsstrategien und qualifizierten die Teilnehmer*innen dazu, künftig souveräner in Situationen mit Rechtspopulisten zu reagieren.

Weitere Informationen:

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