Bundesausschuss, 20.03.2021
Wir brauchen nicht nur die Konferenz, sondern einen Konvent zur Zukunft Europas!
Beschluss im Wortlaut:
Nach langen Verhandlungen bringen Europäische Kommission, Europäisches Parlament und der Rat der Europäischen Union die Konferenz zur Zukunft Europas auf den Weg. Die Organe der Europäischen Union werden gemeinsam den Vorsitz einnehmen und ein Exekutivdirektorium übernimmt die Steuerung der Konferenz. Es ist eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, die wir zwar begrüßen, die aber dennoch hinter unseren Erwartungen zurückbleibt und viele Fragen offen lässt. So wird etwa die Einbeziehung der Zivilgesellschaft sowie junger Menschen explizit genannt – doch bleibt die konkrete Form deren Einbindung in der gemeinsamen Erklärung weitestgehend unklar.
Wir haben bereits im März 2020 gefordert, dass die Konferenz zur Zukunft Europas keine Zuhörübung werden darf. Diese Forderung ist heute aktueller denn je. Es ist unerlässlich, dass europäische Bürger*innen und die organisierte Zivilgesellschaft in den kommenden Monaten eine wichtige Rolle in der Gestaltung der Zukunftskonferenz spielen werden. Auch müssen die Ergebnisse der Debatte zu verbindlichen Resultaten führen. Andernfalls droht der Anspruch der Bürger*innenbeteiligung, zu einer Farce zu verkommen. Dabei ist im Kontext der Pandemie die Notwendigkeit für Reformen der Europäischen Union überdeutlich geworden. Damit Europa vor dem Hintergrund vielfältiger Herausforderungen für die Zukunft gerüstet ist, müssen wir jetzt die Weichen für eine ambitionierte Neugestaltung der bestehenden Institutionen der Europäischen Union stellen.
Wir fordern daher:
Die Konferenz zur Zukunft Europas muss in einen Konvent zur Zukunft Europas münden!
Seit dem Europäischen Konvent 2002-03 wurde nicht grundlegend über die Zukunft der Europäischen Union debattiert. Noch nie konnten Bürger*innen ihre Vision einer gemeinsamen europäischen Zukunft formulieren und in den politischen Entscheidungsprozess einbringen.
Damals wie heute gilt: Eine institutionelle Neugestaltung der Europäischen Union zur Bewältigung jetziger und künftiger Herausforderungen ist unabdingbar! Vor dem Hintergrund zunehmend illiberaler und antidemokratischer Tendenzen mitten in Europa, wachsender geopolitischer Bedrohungen, längst überfälliger Reformen hin zu einer humanitären Asyl- und Migrationspolitik, zunehmender Herausforderungen von Digitalisierung und nachhaltigem Wirtschaftswachstum, des sich zuspitzenden Klimawandels sowie einer wachsenden sozialen Fragmentierung in der europäischen Gesellschaft, steht das jetzige politische System der Europäischen Union vor einem Wendepunkt. Wenn es zu keiner grundlegenden Neugestaltung der Europäischen Union kommt, wird der Druck dieser Wandlungsprozesse die Zukunft des europäischen Zusammenhalts gefährden. Daher muss sich die Zukunftskonferenz der Frage nach dem Ziel und dem Zweck der Europäischen Union stellen und einen Aufbruch in eine demokratische, gemeinsame und nachhaltige Zukunft ermöglichen.
Forderungen an den Europäischen Konvent
Im Jahr 2003 verfolgte der vergangene Europäische Konvent das Ziel, die Europäische Union transparenter und demokratischer zu machen. Die Ergebnisse des Verfassungskonvents wurden als Optionen und Empfehlungen den Staats- und Regierungschefs vorgelegt. Die letzte Entscheidung über die Verwirklichung der Konventsergebnisse oblag damit dem Europäischen Rat. Bedauerlicherweise scheiterte der letzte Konvent an Referenden in Frankreich und den Niederlanden. Der anschließende Vertrag von Lissabon nahm zwar einige der vorher vereinbarten Reformen auf, blieb jedoch hinter den Erwartungen und Hoffnungen des Konvents zurück. Daher müssen wir hieraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Die nationalen Regierungen müssen sich dazu bekennen, die Ergebnisse der Zukunftskonferenz in konkrete politische Entscheidungen zu überführen. Ein geeignetes Format ist hierbei ein erneuerter europäischer Verfassungskonvent. Ausgehend von den Ergebnissen der Zukunftskonferenz muss er eine Verfassung erarbeiten, die letztlich auf den Willen der Bürger*innen zurückgeht. Dieses Format ermöglicht zum einen die Umsetzung der Ergebnisse, die in Diskussionen und Gesprächen über die Zukunft Europas im Austausch mit den Ideen der Bürger*innen entstehen werden. Zudem entwickelt der Konvent die skizzierten Ideen der Zukunftskonferenz zu konkreten Maßnahmen weiter.
Die Rolle der Jungen Europäischen Föderalist*innen
Wir fordern eine bedeutende Rolle für die organisierte Zivilgesellschaft in der Zukunftskonferenz – auch für die Jungen Europäischen Föderalist*innen. Die organisierte Zivilgesellschaft arbeitet seit Jahren an Konzepten, wie die Europäische Union der Zukunft aussehen soll. Daher wollen wir gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen als feste Partner*innen in die Konferenz eingebunden sein. Die Mitwirkung muss den Zugriff auf Informationen und Mitgestaltungsmöglichkeiten umfassen, denn wir möchten die Debatten konstruktiv mitgestalten. Die JEF sowie weitere Vertreter*innen der organisierten Zivilgesellschaft sollen darüber hinaus offiziell als Expert*innen zu institutionellen Reformen und weiteren Themen eingebunden werden. Die umfängliche Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft kann auch im Laufe der Konferenz noch erreicht werden, etwa indem sich die JEF zur*m beständigen Partner*in und Berater*in der Bürgerräte etabliert.
Die JEF wird sich dafür einsetzen, die Zukunftskonferenz durch ihre beständige Prozessbegleitung und ihre konstruktive Kritik zu einer Plattform werden zu lassen, die widerstreitende Meinungen zulässt, die organisierte Zivilgesellschaft verbindlich und ergebnisoffen einbindet sowie Vertragsänderungen nicht ausschließt und vor allem in einem anschließenden Konvent mündet. Im Geiste von über 70 Jahren “just a generation ahead” setzen wir uns dafür ein, unsere demokratische, europäische und föderale Zukunft mitzugestalten – Europäischer Konvent, jetzt!