Bundesauschuss, 12.03.2022
Umweltschutz hier und jetzt! EU-Umweltrecht effektiv durchsetzen
Beschluss im Wortlaut:
Umweltrecht bildet als Querschnittsthema in der Europäischen Union einen wichtigen Bereich. Über die Jahrzehnte hat die EU ein umfassendes und ambitioniertes Umweltrecht entwickelt. Der Schutz der Umwelt und des Klimas sind ein politischer Schwerpunkt der Kommission von der Leyen bis 2024. Mit dem European Green Deal und dem Klimagesetz steuert die Kommission eine umfassende nachhaltige Transformation der Europäischen Union an, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen und bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Um diese großen politischen Ziele erreichen zu können, müssen die Vorgaben des Umweltrechts in den Mitgliedsländern effektiv durchgesetzt werden. Hierbei ist seit langem ein großes Vollzugsdefizit in der europäischen Umweltpolitik bekannt und dies wird auch regelmäßig von der EU-Kommission unter anderem im jährlichen Bericht über die Anwendung des Unionsrechts thematisiert. Hier sehen wir strukturelle Herausforderungen in fehlendem politischen Willen, ungenügende Information der Zivilgesellschaft, ungenügende lokale Kontrolle und mangelnde Ressourcen. Daher möchten wir muss der Bereich der effektiven Um- und Durchsetzung des Umweltrechts stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden.
Europäisches Umweltrecht muss, um in den Mitgliedstaaten effektiv zu werden, zunächst in nationales Recht überführt werden. Bereits hier lassen sich Umsetzungsdefizite erkennen, die zu regelmäßigen Vertragsverletzungsverfahren führen. Diese Vertragsverletzungsverfahren werden jedoch häufig als nicht gewinnbringend oder zielführend betrachtet und benötigen daher einer Effektivierung; vor allem weil Vertragsverletzungsverfahren erst nach langer Zeit ansetzen und lange brauchen. Eine effektive Umsetzung muss daher grundsätzlich bereits früher ansetzen und nicht nur auf nachgelagerten Rechtsschutz angewiesen sein. Um die Umsetzung des Umweltrechts in nationales Recht zu erleichtern, schlagen wir daher die folgenden Reformen vor:
- Einführung eines jährlichen Berichtsverfahrens von allen Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission über die nationale Umsetzung von europäischem Umweltrecht durch Neustrukturierung des Environmental Implementation Reviews mit einer stärkeren Verpflichtung von Mitgliedstaaten und einer erhöhten Öffentlichkeits
- Einführung eines Inspektor*innen-Rates der Kommission, der bei konkreten Vollzugsdefiziten auf nationaler Ebene von lokalen Umweltverbänden und anderen zuständigen lokalen Institutionen angerufen werden kann. Nach Anrufung würde dieser Rat einen Bericht verfassen und erhielte dazu die Möglichkeit, vor Ort Kontrollen durchzuführen, Beweise zu sammeln und lokale Expert*innen und Zeug*innen anzuhören
- Personelle Aufstockung der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission zur Erstellung der Berichte, der Kontrollen vor Ort und der Bearbeitung von Vertragsverletzungsverfahren
- Entschiedenes Vorgehen durch die EU-Kommission gegen Nicht-Umsetzung in den Mitgliedstaaten
Ein weiteres Problem der Durchsetzung liegt auf nationaler Ebene. Jedoch kann aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen vor Ort und der Vielzahl an Verwaltungsentscheidungen, die Bezug zum Umweltrecht haben, eine Verlagerung der Kontrolle auf die EU-Ebene nicht die Lösung sein. Vielmehr schlagen wir hierzu folgendes vor:
- Um ein einheitliches Niveau von europäischem Umweltrecht zu gewährleisten, sollten technische Konkretisierungsnormen und die Verwaltungsverfahren bezüglich Anhörungs-, Informations- und Mitentscheidungsmöglichkeiten in der ganzen EU harmonisiert werden, wobei jedoch die Möglichkeit, auf lokale Voraussetzungen einzugehen, beibehalten werden soll
- Um nicht nur Entscheidungen im Nachhinein zu kontrollieren, sondern von Vorneherein effektiver zu machen, sollte es zu einer noch besseren Einbeziehung und einer höheren Wertschätzung der Mitentscheidungsmöglichkeiten der Bürger*innen vor Ort kommen
- Darüber hinaus sollte es verbesserte Klagemöglichkeiten vor dem Europäischen Gerichtshof auch für Bürger*innen geben, wenn die nationalen Behörden EU-Umweltrecht nicht oder nur mangelhaft anwenden