64. Bundeskongress in Bremen, 14.10.17
Positionspapier zum EU-Weißbuch der Europäischen Kommission
Beschluss im Wortlaut:
Wir als Junge Europäische Föderalisten wollen die EU weiterentwickeln. Unser Ziel sind dabei die „Vereinigten Staaten von Europa“. Als Ansatzpunkt für die Diskussion um die Weiterentwicklung der Europäischen Union hat Jean-Claude Juncker das Weißbuch vorgelegt, dessen fünf Szenarien wir vorliegend kritisch beleuchten wollen.
1. Szenario: Weiter so wie bisher
Die JEF steht diesem Szenario des „Weiter so wie bisher“ kritisch gegenüber. Das jetzige System ist noch nicht ausreichend darauf eingestellt, auf aktuelle Krisen zu reagieren. Zum Beispiel funktioniert das von der Kommission vorgeschlagene System der Flüchtlingsverteilung bis heute nicht. Die Europäische Union kann solche weiteren Krisen mit den bestehenden Instrumenten nicht effektiv lösen, sondern muss sich verändern. Ein Aufrechterhalten des Status quo ist daher für uns als progressive, föderalistische und pro-europäische Organisation keine Option.
2. Szenario: Schwerpunkt Binnenmarkt
Der Binnenmarkt ist zweifellos eine der größten Errungenschaften der Europäischen Integration, sowie der erste gemeinsame Nenner der europäischen Einigung der Mitgliedstaaten. Dennoch begreifen wir die europäische Union nicht nur als ein Wirtschaftsmodell der Nationalstaaten, sondern sehen in ihr auch ein gemeinsames Lebensmodell und Wertegemeinschaft, die den Menschen in den Mittelpunkt rückt. Die EU hat auch in ihrer gegenwärtigen Verfassung mehr zu bieten wie Schengen, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Unionsbürgerschaft, den Euro etc. Europa braucht mehr Demokratie und Parlamentarismus, einer Konzentration auf den Binnenmarkt stehen wir weiterhin kritisch gegenüber.
3. Szenario: Wer mehr tun will, tut mehr
Ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“ könnte eine Möglichkeit sein, die EU zumindest teilweise weiterzuentwickeln. Bei diesem Szenario sehen wir Chancen und Risiken gleichermaßen, die wir in einem offenen Diskussionsprozess der JEF berücksichtigen sollten. Als Chance sehen wir die Möglichkeit mit den Ländern, die dazu bereit sind, die Europäische Union zumindest in bestimmten Bereichen weiterzuentwickeln. So zumindest würden wir einen Raum schaffen, der die Möglichkeit eröffnet, dass progressive Ideen sich frühzeitig entfalten können. Andererseits sehen wir auch die Befürchtung einiger Mitgliedstaaten, durch ein “Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten” vom europäischen Reformprozess abgehängt zu werden. Sollten wir ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten in Betracht ziehen, so muss für jeden Mitgliedstaat zu jeder Zeit die Möglichkeit bestehen, weitere Reformschritte vorzunehmen und bei bereits bestehenden Integrationsstufen mitzuwirken. Zudem werden dadurch institutionelle Grundprobleme der EU nicht gelöst.
4. Szenario: Weniger, aber effizienter
Einer Konzentrierung auf einzelne Teilbereiche der EU stehen wir grundsätzlich kritisch gegenüber. In einzelnen Bereichen wäre es sicherlich sinnvoll im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips Kompetenzen von der europäischen auf die nationale Ebene zurück zu verlagern. Jedoch braucht die EU dringend mehr Zusammenarbeit bei der Währungspolitik, bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, beim Klimaschutz, beim Datenschutz, bei sozialen Mindeststandard oder auch bei der (Jugend-)Arbeitslosigkeit. Die EU würde vielleicht schneller, einfacher und verständlicher funktionieren, bliebe jedoch weit unter ihren Möglichkeiten.
5. Szenario: Viel mehr gemeinsames Handeln
Insgesamt ist hervorzuheben, dass wir als JEF das Weißbuch der Juncker-Kommission begrüßen. Generell begrüßt die JEF eine stärkere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene in allen Bereichen. Die Krisen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene besser geeignet ist, die Herausforderungen gemeinsam zu lösen. Zudem stimmt das Szenario 5 am meisten mit dem Ziel der JEF eines europäischen föderalen Bundesstaats überein. Gleichzeitig muss aber sichergestellt werden, dass die europäische Bevölkerung auf diesem Weg mitgenommen wird und nicht das Gefühl entsteht, es mangele in der EU an Legitimität. Es ist in der aktuellen Krisensituation der EU wichtig, mögliche Zukunftsszenarien darzustellen und über diese zu diskutieren. Erst durch die Vorstellung des Weißbuches und der kritischen Diskussion dieses gelingt es uns herauszustellen und aufzuzeigen, dass nur ein gemeinsames Handeln für uns als JEF eine denklogische Konsequenz ist. Seit 70 Jahren setzen wir uns bereits für ein vereintes Europa ein und wir verteidigen dieses gemeinsame Handeln in unserer täglichen Arbeit. Ein Mehr an gemeinsamem Handeln ist dringend notwendig, wenn die Europäische Union den großen Herausforderungen unserer Zeit gewachsen sein will. Weltweiter Migration, international organisierter Kriminalität, Terrorismus, Umwelt- und Klimaschutz, Digitalisierung, Schutz des geistigen Eigentums, biopolitischen Fragestellungen, und vielem mehr kann die EU nur dann wirksam und progressiv begegnen, wenn sie geeint auftritt und handelt. Schließlich ist die Strategie „Viel mehr gemeinsames Handeln“ der einzige Weg zu einem europäischen Bundesstaat. Wir sind überzeugt, dass durch den europäischen Föderalismus viele Entscheidungsverfahren demokratischer und das Europäische Parlament gestärkt würden. Dadurch wäre es einfacher für die Europäischen Bürger*innen die EU zu verstehen und die Vorteile würden deutlich sichtbarer werden.