65. Bundeskongress in Halle (Saale), 13.10.18
Mobilisiert Europas ganze Jugend!
Beschluss im Wortlaut:
In der aktuellen Ausgestaltung der Jugendmobilität sehen wir einige strukturelle sowie politische Probleme, auf die wir im Folgenden eingehen möchten:
Limitierte Teilhabe an Jugendmobilität
Wir müssen feststellen, dass es sozial ungleiche Mobilitätschancen gibt und nicht alle jungen Menschen dieselbe Möglichkeit zur Teilhabe an Austauschprogrammen haben. Die mit Abstand größte Gruppe innerhalb der Jugendmobilität sind Akademiker*innen, die im Rahmen von Erasmus+ auch den größten Anteil an Fördergeldern im EU-Haushalt zur Verfügung gestellt bekommen. Dieser Umstand verdeutlicht aber umso mehr die Notwendigkeit, eine Austauschstruktur zu schaffen, die die Mobilität nicht nur auf eine bestimmte soziale Gruppe konzentriert, sondern grundsätzlich Allen unabhängig ihrer sozialen Zugehörigkeit zur Verfügung steht. In diesem Sinne darf eine solche Mobilität junger Menschen nicht nur als Einbahnstraße gut ausgebildeter Europäer*innen verstanden werden. Vielmehr sollte man eine faire Zirkulation gewährleisten und Mobilität auch in sozial gegenläufigen Richtungen verstärken sowie als ein geeignetes Mittel zur partnerschaftlichen europäischen Zusammenarbeit ansehen. Es geht hierbei also um ein eher kosmopolitisches Verständnis von Jugendmobilität im Sinne einer fairen Zirkulation und verstärkten sozialen Teilhabe, die aktuell in dieser Form nicht gegeben ist.
Ökonomische Aspekte der Jugendmobilität stehen im Vordergrund
Diejenigen, die an Jugendmobilität teilhaben, werden von Funktionär*innen und Politiker*innen nicht als Akteur*innen einer Erneuerung der europäischen Zivilgesellschaft angesehen. Die Endlosschleife europäischer Krisen, neue Nationalismen sowie die ausufernde Diskussion zur Migrationspolitik verwischen die Perspektive der Jugend und den Impuls für eine andere Zukunft. So wird Jugendmobilität regelmäßig darauf reduziert, eine Ressource ökonomischer Entwicklungen und persönlicher Optimierung zu sein. Zugegebenermaßen verknüpfen die europäischen Programme zur Jugendmobilität den arbeitsmarktorientierten Fokus immer auch mit der Aufforderung zur Stärkung der Zivilgesellschaft, jedoch zeigt sich deutlich, dass die politische Einschätzung junger Menschen und ihre dazugehörigen Erfahrungen der Mobilität in der Ausrichtung der Programme nicht ausreichend Berücksichtigung finden. Die Analysen zeigen also deutlich, dass der aktuelle Diskurs zu Jugendmobilität von ökonomischen Aspekten beherrscht ist, obwohl die Jugendlichen selbst die Idee einer gestärkten europäischen Zivilgesellschaft und des fortschreitenden Zusammenhalts hervorheben. Uns ist es an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass Jugendmobilität nicht nur als Ressource der ökonomischen Entwicklung in Europa verstanden werden darf, sondern junge Menschen in erster Linie als soziale, kulturelle sowie politische Akteur*innen einer Fortentwicklung und Erneuerung Europas angesehen werden müssen.
Selbstverständlich ist auch die Ausgestaltung der Jugendmobilität durch die allgemeine Strategie, Europa als wettbewerbsstarken Wirtschaftsstandort in der globalen Welt zu erhalten, mit beeinflusst. Wir dürfen aber nicht den Fehler begehen, Jugendmobilität einzig auf diesen Aspekt zu reduzieren. Das würde schlichtweg dazu führen, Mobilität im Kontext einer gespaltenen Migrationsdebatte einzuordnen, da es dann nur noch darum geht, zwischen den ökonomisch nützlichen Mobilen und jenen, die nicht weiter zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes beitragen, zu unterscheiden. In Abgrenzung dazu möchten wir uns dafür einsetzen, dass Jugendmobilität wieder als zentrales Gestaltungsmittel einer europäischen Zivilgesellschaft, die sich der ökonomischen, globalen und transeuropäischen Verflechtung bewusst ist, betrachtet wird.
Forderungen
Wir als Junge Europäische Föderalistinnen erkennen in der Ausgestaltung der Jugendmobilität einige strukturelle sowie politische Probleme, denen wir im Sinne einer neuen europäischen Jugendmobilität mit folgenden Forderungen begegnen wollen:
- Jugendmobilität muss abseits von Erasmus-Semestern in den Blick genommen und auch gezielt in dualen Studiengängen und insbesondere in beruflichen Ausbildungen gefördert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass diese strukturelle sowie politische Förderung einer alternativen Jugendmobilität nicht zu Lasten der bereits bestehenden Programme einhergeht.
- Es bedarf eines umfassenderen Verständnisses von Jugendmobilität als einem wichtigen Baustein für eine europaweite, soziale Teilhabe. Da die Mobilitätschancen ungleich verteilt sind, müssen zukünftige Mobilitätsprogramme grundsätzlich allen jungen Erwachsenen offenstehen und eine Teilhabe an Austauschprogrammen gewährleisten.
- Jugendmobilität darf nicht länger auf ökonomische Aspekte reduziert werden, sodass junge Menschen gleichermaßen als soziale, kulturelle sowie politische Akteur*innen einer Fortentwicklung und Erneuerung Europas in Erscheinung treten.
- Jugendmobilität muss wieder als zentrales Gestaltungsmittel einer europäischen Zivilgesellschaft, die sich der ökonomischen, globalen und transeuropäischen Verflechtung bewusst ist, angesehen werden.
Auch verkehrspolitisch müssen die Weichen dafür gestellt werden, dass Mobilität und Verkehrsnetze transnational gefördert und ausgebaut werden, damit Jugendmobilität auch auf die notwendige Infrastruktur für grenzübergreifende Lernerfahrungen zurückgreifen kann.