Bundeskongress, 20.10.2023 – 22.10.2023

Mehr Raum für Europa in der Schule

Beschluss im Wortlaut:

2020 haben die Europäische Kommission und die europäischen Bildungsminister:innen das Projekt “Europäischer Bildungsraum” ins Leben gerufen. Damit sollen europaweit vernetzte Bildungssysteme mit vielfältigen Angeboten für Lernende und Lehrende geschaffen werden. Das Projekt, ebenso wie auch das Erasmus+ Programm, betrifft aber in erster Linie die Berufs- und Hochschulbildung. Der schulische Bereich hat dabei das Nachsehen.

Es ist aber der Bereich der formalen Schulbildung, der für alle Kinder und Jugendlichen der Start ihrer Bildungslaufbahn und ein wichtiger Teil ihrer persönlichen Entwicklung ist. Die Schule ist einerseits der Ort, an dem alle jungen Menschen, gleich welchen kulturellen oder sozio-ökonomischen Hintergrund sie haben, zusammenkommen, um den Grundstein für ihre Zukunft zu legen. Andererseits ist die Schule ein Ort, an dem junge Menschen persönlichkeitsprägende Momente, zwischenmenschliche Beziehungen und erste Erfahrungen mit Demokratie erleben. In den Schulen werden aus Kindern und Jugendlichen verantwortungsvolle und kritisch denkende Bürger:innen. Auf dem Weg dahin gilt es, nachhaltig und ganzheitlich ihr Europa-Bewusstsein und ihre Europakompetenz zu stärken. Denn hier kann eine gemeinsame europäische Identität entwickelt werden, die – davon sind wir überzeugt – letztlich auch zum Abbau nationalistischer Tendenzen und kultureller Barrieren, zur Steigerung der Wahlbeteiligung sowie zu mehr Akzeptanz gegenüber Europa führt.

Wir richten uns daher an Entscheidungsträger:innen auf der europäischen Ebene, an Entscheidungsträger:innen in der Bildungspolitik der Länder und insbesondere auch die Kultusministerkonferenz und fordern:

“Gebt Europa in der Schule mehr Raum!”

 

Wir fordern dabei die Berücksichtigung der folgenden Eckpunkte:

1. Europabildung und Europakompetenz müssen in allen Schulformen ankommen.

Dazu müssen die Lehrpläne aller Schulformen bestimmte Mindestinhalte zu Europa enthalten, die zielgruppengerecht didaktisch aufbereitet sind. Europa ist zu wichtig, als dass es sich als “Elitenthema” nur an Schüler:innen richtet, die Abitur machen.

2. Außerschulischen Europa-Projekten mehr Raum geben

Schulen müssen sich nach außen öffnen und mehr europabezogene Workshops, Planspiele oder Exkursionen zulassen. Hierfür sollten sie auch auf externe Expert:innen und Pädagog:innen zurückgreifen, die zielgruppenorientierte Konzepte entwickelt haben. Erfahrungen, die hier gemacht werden, sind mindestens genauso wichtig wie der bloße Wissenserwerb.

3. Europa-Erfahrungen stärken: Internationaler Austausch muss allen offenstehen und inklusiver sein.

Dazu braucht es eine bessere und einfachere Verfügbarkeit von Erasmus+ Förderungen, die verstärkt sozial benachteiligte und politikferne Zielgruppen erreicht. Für solche Zielgruppen sollen eigene Angebote geschaffen werden. Außerdem sollen konkrete Programme für Auslandsaufenthalte geschaffen werden, die vor der Klassenstufe 11 stattfinden. Nur so können auch Schüler:innen erreicht werden, die kein Abitur machen.

4. Europabildung interdisziplinär umsetzen.

Europabildung soll nicht nur im Politik-Unterricht stattfinden. Europa ist ein Querschnittsthema, das in nahezu jedes Schulfach integriert und dort angesprochen werden muss. Dafür benötigt es neben übergreifenden Ansätzen auch eine konkrete Verankerungen in den fächerspezifischen Curricula. Das Thema Europa kann auch aus verschiedenen Blickwinkeln fächerübergreifend an speziellen Projekttagen beleuchtet werden. Schulen sollten angeregt werden, Europa auch in ihre Programme aufzunehmen, um das Thema in die Schulkultur einfließen zu lassen.

5. Netzwerk und Partnerschaften zwischen Schulen in Europa stärken.

Das Ziel sollte sein, dass jede Schule eine Partnerschule im europäischen Ausland hat. Neben Treffen in Präsenz können auch regelmäßige virtuelle “Austauschrunden” zwischen Schüler:innen und auch zwischen Lehrkräften geschaffen werden.”Das zu Erasmus+ gehörende Portal eTwinning ist für letzteres ein gutes Beispiel.

6. Kontroversen und kritische Reflexionen zulassen.

Europabildung muss stets von einem kritischen Denken auf Seiten der Lehrenden und Lernenden begleitet werden. Sie darf weder eurozentristisch noch eine Werbeveranstaltung für die EU und ihre Projekte sein. Schüler:innen sollen zu kritischen Reflexionen über bestimmte Vorgänge angeregt werden und sollen den status quo auch hinterfragen dürfen.

7. Ressourcen für qualitative Europabildung bereitstellen.

Die für schulische Bildung zuständigen Bundesländer müssen konkrete Maßnahmen ergreifen, damit die inhaltlichen Empfehlungen auch reell umgesetzt werden müssen. Dazu zählen entsprechende projektunabhängige Budgets, Anpassungen der Stundentafeln, Garantie von Entlastungsstunden bzw. die Schaffung von entsprechenden Funktionsstellen, aktualisierte Lehrkräfte(fort-)bildung. Die Kommunen sollten über ihre lokalen Büros für Europaaktivitäten, die Europe-Direct-Zentren sowie kommunale bzw. regionale Bildungsbüros ihren Beitrag leisten. Der Bundesebene fällt insbesondere bei der Finanzierung der Kooperation zwischen schulischen und außerschulischen Partner:innen eine wichtige Rolle zu.

Zentrales Instrument ist ein nachhaltiger und planungssicherer Kinder- und Jugendplan (KJP), damit zivilgesellschaftliche Projekte, gerade bei ehrenamtlich getragenen Jugendorganisationen, abgesichert sind. Darüber hinaus braucht es einen Inflationsmechanismus und einen Aufwuchs der Mittel.

Begründung

2024 dürfen bei den Europawahlen in Deutschland erstmals schon 16- und 17-jährige Menschen wählen. Damit steigt die Anzahl der Wahlberechtigten in Deutschland um knapp 2,3 Prozent. Wann, wenn nicht jetzt, müssen wir diese jungen Menschen und kommende Generationen nicht auch mit verstärkter Europabildung in ihrer alltäglichen Umgebung, der Schule, erreichen?

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