Bundeskongress, 17.10.21
Für einen echten europäischen Katastrophenschutz!
Beschluss im Wortlaut:
Alle großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfordern europäische, wenn nicht sogar globale Lösungsansätze. Aktuelle Beispiele in der Covid-19-Pandemie sind die gemeinsame Impfstoffbestellung der EU und punktuelle zwischenstaatliche Kooperationen, um die Überlastung in den Krankenhäusern zu vermeiden.
Diese Beispiele zeigen aber auch, dass bisherige Bemühungen eher unregelmäßigen und unstrukturierten Charakters sind und keine soliden und verlässlichen Kooperationen mit sich bringen. Die Mitgliedstaaten koordinieren ihre Kräfte zwar vereinzelt, bündeln sie aber nicht ausreichend. Außerdem stellen wir fest, dass die Regierungen einiger Mitgliedstaaten die EU als Sündenbock für eigenes Versagen benutzen und Erfolge, die auf europäischer Ebene erreicht werden, für sich selbst verbuchen.
Bei der Erreichung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens sind es die gemeinsamen Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um unsere Lebensgrundlage zu sichern und die Klimakatastrophe so gering wie möglich zu halten. Staaten leisten bereits regelmäßig Hilfe bei der Bewältigung von Naturkatastrophen, beispielsweise bei Hochwasser, Waldbränden, schwerem Unwetter oder Erdbeben. Mit dem Fortschreiten des Klimawandels wird die Zahl der Naturkatastrophen höchstwahrscheinlich weiterhin zunehmen, die immer extremere Formen annehmen können und daher ein gemeinsames, europäisches Vorgehen dagegen erfordern.
Auf europäischer Ebene koordiniert das Referat für Sicherheit und Situationsanalyse der EU-Kommission die Hilfe unter den EU-Mitgliedsstaaten und bietet darüber hinaus Datensammlung, -analyse und -interpretation von potenziellen und tatsächlich auftretenden Katastrophen sowie regelmäßigen Informationsaustausch und finanzielle Unterstützung im Bedarfsfall an.
Unterstützung kann jedoch nicht in jedem Fall gewährleistet werden. Die Mittel reichen oft nicht aus, da Eigenbedarf in den Mitgliedsstaaten besteht. Europa, und vor allem Nordeuropa, hat über lange Zeit nicht ausreichend in den Katastrophenschutz investiert und ist dementsprechend nicht gut ausgestattet, da die Staaten erst seit Kurzem mit diesem Ausmaß an Extremereignissen konfrontiert werden. Zudem funktioniert der EU-Katastrophenschutzmechanismus meist nur dann reibungslos, wenn ein einziger Mitgliedstaat von einer Katastrophe betroffen ist. Mit der Koordination von Hilfeleistungen, die gleichzeitig in mehreren Staaten benötigt werden, ist die EU aktuell überfordert, wie die lange Dauer der Waldbrände im Juli dieses Jahrs und die Größe der verbrannten Fläche gezeigt haben.
Auf der ganzen Welt sehen sich Gesellschaften mit einem Anstieg multipler Katastrophen konfrontiert, die teilweise aus globalen Krisen resultieren. Für alle Katastrophen, die das Leben oder die Gesundheit einer Vielzahl von EU-Bürger*innen oder ihre natürliche Lebensgrundlage gefährden, braucht es einen echten europäischen Katastrophenschutz!
Die Jungen Europäischen Föderalist*innen unterstützen das rescEU-Programm der Kommission, welches europäische Ressourcen für Katastrophenschutz finanziert und den Mitgliedstaaten zur Verfügung stellt, und fordern darüber hinaus
Harmonisierung und Ausweitung
- eine Kompetenz- und Ressourcenausweitung der existierenden europäischen Behörden des Katastrophenschutzes, zentral des ERCCs (Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen);
- die solidarische Verteilung von Ressourcen des Katastrophenschutzes auf die europäische Staatengemeinschaft;
- eine Harmonisierung der behördlichen Einsätze und Arbeitsabläufe im Rahmen des Katastrophenschutzes;
- einheitliche technische Standards für alle Gerätschaften die im Rahmen des Katastrophenschutzes und der Krisenbewältigung zum Einsatz kommen;
- Rettungsdienst- sowie grenzübergreifende Leitzentralen, um Einsätze einheitlich und kohärent zu koordinieren;
- die aktive Unterstützung von Nicht-EU-Ländern bei Katastrophenbewältigung;
Präventionsmaßnahmen und Finanzierung
- die Etablierung von Präventionsmaßnahmen im Katastrophenschutz als Teil anderer Förderlinien wie z.B. dem Fonds für regionale Entwicklung;
- die Ausweitung des Katastrophenhilfsfonds zur Beschleunigung von Wiederaufbaumaßnahmen, sowie der Einrichtung von Präventionsverfahren;
- eine Stärkung der rescEU-Reserven des Europäischen Katastrophenschutzverfahrens, insbesondere der medizinischen Ausrüstung sowie des medizinischen Teams;
- eine europäische Koordination zukünftiger Krisenbewältigung, die sich an konkreten Problemlagen orientiert und nicht vor nationalen Grenzen halt macht;
- die Etablierung europaweiter analoger sowie digitaler Bürger*innen-Warnsysteme, die mehrmals im Jahr auf ihre Funktion hin überprüft werden;
Ausbildungsstandards
- Ausweitung der Zusammenarbeit der Katastrophenschutzstellen bei der Aus- und Weiterbildung von Einsatzkräften, sowie die Gründung von Ausbildungszentren für europäische Katastrophenschutzhelfer*innen;
- die Schaffung europäischer Ausbildungsstandards und standardisierter Fähigkeitenkataloge im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz;
Wissensaustausch
- Vertiefung der Vernetzung der nationalen Behörden auf horizontal-föderaler Ebene sowie mit den europäischen für Katastrophenschutz zuständigen Behörden;
- Vertiefung der Vernetzung von europäischen Behörden mit internationalen Partnern zum Austausch von Fachwissen und regionalen Erfahrungswerten mit einer interdisziplinären Ausrichtung, zum Beispiel in Form von internationalen Einsatzübungen und Kongressen;
- gezielte Aufklärungs- und Informationskampagnen der Europäischen Union sowie der Mitgliedstaaten, um die Vertrautheit der Bürger*innen mit den europäischen Katastrophenschutzstrategien sowie -maßnahmen und damit die individuelle Sicherheit zu erhöhen;
- die Einführung eines einheitlichen europäischen Kompetenzrahmens und das Prinzip nachdem Katastrophenschutzhelfer grundsätzlich die Maßnahmen ergreifen dürfen, die sie in ihrem Heimatland ergreifen dürften.