Bundesausschuss der Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland e.V., 20. – 22. März 2015 in Berlin
Europäische Armee
Beschluss im Wortlaut:
Europa ist derzeit umgeben von zahlreichen Konfliktherden. Die arabische Welt hat sich immer noch nicht endgültig beruhigt, der Nahe Osten wird von Terror regiert und im Palästina-Konflikt ist immer noch keine Lösung in Sicht. Dass Konflikte nun aber auch in Europa stattfinden, ist neu in diesem Jahrtausend. Und dass dieser Konflikt nun die Außengrenzen der EU bedroht, ist ein Novum, das dringend Maßnahmen benötigt. Derzeit scheint die EU nicht in der Lage zu sein, sich gegenüber einer Bedrohung, wie sie unter anderem auch Russland aktuell darstellt, verteidigen zu können. Einzelne Mitgliedstaaten sind sogar überhaupt nicht in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Die Lösung dafür darf aber nicht immer der Verweis auf die NATO sein, sondern er muss durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen erfolgen.
Daher fordert der Bundesausschuss der Jungen Europäischen Föderalisten die Verteidigungsminister*innen der EU auf, unverzüglich Maßnahmen der militärischen Kooperation einzuleiten und in der Peripherie der EU stärker militärisch präsent zu sein. Im ersten Schritt sollen deshalb gemeinsame Einsatztruppen, wie schon 1999 (EU-Gipfel von Helsinki) und 2004 (französisch/deutsch/britische-Initiative) vorgesehen, installiert werden. Diese sollen vornehmlich im Osten der EU, vor allem in den baltischen Ländern, stationiert werden, genauso wie benötigte Materialen und Einsatzfahrzeuge. Denn gerade in den baltischen Staaten wird derzeit unsere Solidarität gefordert.
Zur Koordination der Maßnahmen soll ein Verteidigungsministerium geschaffen werden, das unter die Aufsicht des Europäischen Parlaments gestellt wird.
Das schnelle Umsetzen dieser Maßnahmen hat zudem einige Vorteile:
1. Durch das Zusammenlegen von Material und Fahrzeugen werden Synergien geschaffen, die auch die Haushalte der Mitgliedstaaten massiv entlasten. Das gelingt allerdings nur, wenn alle Mitgliedstaaten konsequent kooperieren. Eine solche Gelegenheit in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und allgemeinen Spardrucks zu verpassen, ist auch haushaltspolitisch nicht sinnvoll.
2. Die Durchführung und Bestellung von Rüstungsprojekten durch das gemeinsame Verteidigungsministerium vereinfacht und vergünstigt diese, da ein klarer Ansprechpartner definiert ist. So können Mengenvorteile realisiert, Variantenanzahl reduziert und Doppelentwicklungen vermieden werden. Dadurch kann durch das Verteidigungsministerium allen Mitgliedstaaten eine Standardvariante zur Verfügung stellen; die Kleinstaaterei bei der Beschaffung ist ökonomisch schlicht nicht sinnvoll.
3. Jeder Mitgliedstaat hat seine militärischen Stärken und Schwächen. Durch gemeinsames Operieren ergänzen sich die Stärken der einzelnen Mitgliedstaaten, was die allgemeine Stärke und Schlagkräftigkeit der Truppen erhöht.
4. Durch das Zusammenlegen von Einsatztruppen kann auch die Zahl der Soldaten*innen in Europa insgesamt reduziert werden, da Europa nicht 1,5 Millionen Soldaten benötigt. So muss müssen die Bürger Europas selbst weniger Zeit an der Waffe verbringen.
Das Verteidigungsministerium soll über ein eigenes Budget verfügen. Dieses sollte mittelfristig, gemäß Vorgaben der NATO, etwa 1% des BIPs der EU betragen. Nationale Ausgaben für Verteidigung würden in dem Maße reduziert bzw. fallen ganz weg, sodass es für die Haushalte der Mitgliedstaaten keine Mehrbelastungen gibt, sondern eher Einsparungen erreicht werden.
Zur besseren Verständigung soll in allen militärischen Einheiten der Mitgliedstaaten auf Verkehrssprache Englisch umgestellt werden. Mittelfristig ist das Ziel, eine gemeinsame europäische Armee zu schaffen, und damit alle nationalen Armeen und Verteidigungsministerien abzuschaffen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bedrohungslage sehen wir diesen Schritt als zwingend an und erwarten nun die Einleitung erster Schritte auf diesem Weg, indem oben genannte Vorschläge ohne unnötige Verzögerungen umgesetzt werden.
Begründung:
Die aktuelle Situation bietet eine möglicherweise einmalige Chance die europäische Integration in diesem Punkt voranzubringen. Wir sehen vor allem zwei treibende Faktoren, die dafür sorgen können, dass Teile von den Grundsatzbeschlüssen zur Europäischen Armee nun umgesetzt werden können.
Erstens besorgt der Konflikt in der Ukraine viele Mitgliedstaaten der EU, besonders die, die vorher Teil des Warschauer Pakts bzw. der Sowjetunion waren. Dabei ist es unsere Pflicht im solidarischen Europa den Schwächeren auch militärisch beizustehen. Gerade durch die räumliche Nähe des Konflikts ist es besonders wichtig mit einer Stimme zu sprechen, aber auch gemeinsam zu handeln. Dafür braucht es ohnehin eine übergeordnete Stelle zur Koordination. Dieses Momentum müssen wir nutzen, um die militärische Kooperation in Europa voranzutreiben.
Zweitens sind viele Armeen in keinem besonders guten Zustand. Sowohl die Bundeswehr, als auch das französische Heer und viele andere nationale Armeen haben in den vergangenen Jahren des Friedens nun notwendige Investitionen verpasst. Das schlägt sich auf die Einsatzfähigkeit der Truppen nieder. Immer häufiger werden eklatante Mängel in der Ausstattung bekannt, sodass viele Armeen nur noch eingeschränkt handlungsfähig sind. Aufgrund des allgemeinen Spardrucks in Europa wird sich dieser Investitionsstau auch in absehbarer Zeit nicht nationalstaatlich lösen lassen. Hier ist es wirtschaftlich und militärisch das einzig sinnvolle Materialen und Fahrzeuge zusammenzulegen, sowie zukünftige Investitionen zu koordinieren und abzustimmen. Will man auch zukünftig militärisch operieren können, führt kein Weg an der Europäisierung der Armeen vorbei. Das ist in den vergangenen Monaten klar geworden.