Bundeskongress, 11.10.20
EU als Vorreiterin beim Klimaschutz
Beschluss im Wortlaut:
Klimaschutz ist die größte und wichtigste Herausforderung dieses Jahrhunderts. Bereits in unserem Leitantrag zum Buko 2019 haben wir, die Jungen Europäischen Förderalist*innen, uns dazu bekannt, dass die katastrophalen und irreparablen Folgen der menschengemachten Klimakrise nicht nur für eine Spaltung der EU sorgen können, sondern auch den nächsten Generationen ihre Lebensgrundlagen rauben. Das Erreichen des Zieles der Klimaneutralität bis spätestens 2050 ist die Aufgabe, an der sich die EU langfristig messen lassen muss. Mit dem “Green Deal” hat die Europäische Kommission einen umfangreichen Aktionsplan für eine nachhaltige Gestaltung der europäischen Wirtschaft vorgestellt, welcher durch Strategien in allen Politikbereichen erreicht werden soll. Dieser multisektorale Ansatz zielt auf eine grundlegende Veränderung der europäischen Klimapolitik, legt die Basis für eine europaweite Klimaneutralität bis 2050 und bekennt sich zu den Grundsätzen und der 1,5°-Grenze des Pariser Klimaabkommens. JEF Deutschland begrüßt in diesem Zusammenhang die Ansätze des European Green Deals. Die Setzung von Zielen wie der 1,5°-Grenze oder der Klimaneutralität bis 2050 ist an sich allerdings noch kein Erfolg. Lediglich die Umsetzung dieser Ziele sollte gefeiert werden, davon sind wir allerdings noch weit entfernt. Immer wieder müssen wir mit ansehen, wie einzelne Mitgliedsstaaten kurzfristige Profite dem langfristigen Wohlergehen der Umwelt und der Menschen, die in ihr leben, vorziehen. In der alarmierenden Lage, in der sich unser Planet befindet, können wir uns solch ein egoistisches, kurzfristiges Handeln nicht mehr leisten. Um das absolute Minimum des Notwendigen zu erreichen, fordern wir die Bundesregierung und die Kommission dazu auf, durch einen umfassenderen Europäischen Emissionshandel (EU ETS), eine gemeinsame europäische Mobilitäts- und Energiepolitik, nachhaltige Landwirtschaft und eine EU-Biodiversitätsstrategie den European Green Deal mit Leben zu füllen. Die EU muss beim Klimaschutzes globale Vorreiterin werden.
Ein umfassender, zukunftsweisender EU- Emmissionshandel
Der Europäische Emissionshandel ist eine tragende Säule auf dem Weg der EU in eine klimaneutrale Zukunft und muss noch stärker ausgebaut werden. Momentan fallen ungefähr 45% der Treibhausgasemissionen der EU unter den Emissionshandel. Im Vergleich mit anderen Ländern ein beachtlicher Wert, für eine nachhaltige Zukunft allerdings deutlich zu wenig. Der EU ETS schuf im Jahr 2005 den ersten internationalen Emissionshandel und wird 2021 in seine vierte Handelsperiode eintreten. In den vorherigen Phasen wurde zu Recht häufig der zu niedrige CO2- Preis kritisiert, was aber jetzt ab 2021 korrigiert wird und wodurch nachhaltige Technologien relativ kosteneffizient werden. Für eine Investition in kohlenstoffarme Technologien ist dabei sowohl ein angemessen hoher Preis der Zertifikate als auch eine langfristige Zukunftsperspektive notwendig. Langfristig sollte der Preis für Emissionen dabei den Folgekosten entsprechen, welche aktuell bei ca. 180 Euro liegen. Viele Investitionen, wie die in neue Hochöfen, werden nur im Abstand mehrerer Jahrzehnte getätigt. Folglich muss jetzt eine große Sicherheit geschaffen werden, dass klimaförderliche Investitionen sich auszahlen. Dies gilt nicht nur für die bereits jetzt im EU ETS inkludierten Sektoren, sondern auch für andere wichtige Sektoren, wie den Transportsektor. Verkehr hat den zweitgrößten Anteil an den Emissionen innerhalb der EU nach der Stromerzeugung und es ist mit großer Sorge zu betrachten, dass die Reduktion der Treibhausgase in diesem Sektor gegen Null geht. Ein Bereich der Mobilität, der Seeverkehr, fand dabei zu wenig Beachtung. Wir benötigen klare Vorschriften für den Seeverkehr durch eine neu ausgearbeitete EU- Verordnung, die die bisherigen Vorschriften überprüft und ausweitet. Besonders im Güterbereich spielt der Seeverkehr eine Schlüsselrolle, da fast 90 % des externen Frachtverkehrs der EU auf dem Seeweg abgewickelt werden. Die EU geht davon aus, dass der Gütertransport bis 2050 um 100 % zunimmt, sodass der Seeverkehr im gleichen Zeitraum für 17 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sein wird. Eine Einbindung dieser Sektoren in den EU ETS ist deshalb auf lange Sicht unabdingbar.
Eine europäische Energiewende
Der EU ETS ist zentraler Bestandteil der europäischen Energiewende. Eine effizientere und richtungsweisende Bepreisung von CO2 alleine wird allerdings nicht ausreichen, um alle klimapolitischen Probleme zu lösen. Ohne die notwendige Infrastrukturen, wie eine europäische Wasserstoffwirtschaft, besser integrierte Stromnetze, eine umfassende Digitalisierung oder eine stärkere Sektorkopplung wird dem Klimawandel nicht erfolgreich begegnet werden können. Diese Infrastrukturen müssen für maximale Effektivität europäisch gedacht werden. Wir haben eine einmalige Chance den Wandel hin zu einer Dekarbonisierung des Energiemarktes gemeinsam zu gestalten. Ein Verpassen dieser Gelegenheit wird zu einem fragmentierten, ineffizienten Markt führen und zu einem unüberwindbaren Hindernis auf dem Weg zur Erfüllung der Klimaziele der EU werden. Bei der Bildung eines gemeinsamen Energiemarktes muss der Fokus dabei auf erneuerbaren Energien liegen. Durch die Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren am Strommix entstehen natürlich neue Herausforderungen, so müssen stärkere Schwankungen ausgeglichen werden. Dafür ist es notwendig Speichermöglichkeiten weiterzuentwickeln. Hierfür ist insbesondere die Speicherung durch klimaneutrale Gase, wie z.B. grünem Wasserstoff in großer Skalierung sinnvoll.
Schaffung einer nachhaltigen Europäischen Kreislaufwirtschaft
Würden alle Menschen der Erde leben wie die Bürger*innen der Europäischen Union, dann bräuchte es pro Jahr ca. 2,8 Erden um den enormen Ressourcenbedarf der Bevölkerung zu stillen. Nur etwa 12% der verbrauchten Ressourcen gelangen durch Wiederverwendung in den Produktionszyklus. Würde der Lebenszyklus eines Produkts bis zu seiner endgültigen Entsorgung durch Wiederverwendung oder Recycling verlängert werden, so würde auch der Ressourcenverbrauch und die materielle Abhängigkeit der EU abnehmen. Somit müssen sich Produktions- und Verbrauchsmuster ändern. Dazu braucht es die richtigen Preissignale und Strategien innerhalb der EU, um ihre Wirtschaft zukunftsfähig zu machen. Zu diesem Zweck verabschiedete die Europäische Kommission am 11.03.2020 einen neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft innerhalb der EU, einer der Hauptbestandteile des Europäischen Green Deals. Dieser enthält Maßnahmen
über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, um die europäische Wirtschaft zukunftsfähig und umweltschonender zu gestalten. Europäische Unternehmen geben im Schnitt 40% ihrer Ausgaben für Materialien aus. Hier würde ein geschlossenes Kreislaufmodell erheblich zu ihrer Rentabilität beisteuern und vor Preisschwankungen schützen. In der EU werden jährlich 2,5 Mrd. Tonnen Abfall erzeugt. Diese Menge könnte durch die Einführung einer Kreislaufwirtschaft erheblich gesenkt werden. Es ist untragbar, dass die EU in den letzten 10 Jahren Millionen Tonnen Abfälle in Nicht-EU-Länder ausgeführt hat. Die Europäische Union sollte in der Lage sein, sich selbst um ihre Abfälle zu kümmern. Somit sollte die EU nicht nur Verantwortung für Umweltschutz innerhalb ihrer Grenzen übernehmen, sondern hat auch Rechenschaft zu tragen, wenn es um Berührungspunkte mit dem Ausland geht.
Biodiversität & nachhaltige Landwirtschaft
Eine ganzheitliche Strategie zur Bekämpfung der Klimakatastrophe in Form des Schutzes unseres Ökosystems, einer nachhaltigen Bewirtschaftung und Düngung der Böden und der Erhaltung der Biodiversität wäre ein maßgeblicher Schritt, um dafür zu sorgen, dass die enorm vom Klima abhängige Landwirtschaft auch in der Zukunft gute Bedingungen für das (Über-)Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen schafft. Durch die Covid-19-Pandemie wurde abermals die Wichtigkeit einer erhöhten Biodiversität und Landwirtschaft aufgezeigt, da diese sowohl die ökonomischen als auch ökologischen Folgen begrenzen und abfedern. Gerade in unsicheren Krisenzeiten, wie diesen, sind wir alle auf eine stabile und nachhaltige Landwirtschaft angewiesen, die eine sichere und qualitativ hochwertige Lebensmittelversorgung garantiert. Angefangen bei unserer wertvollsten Ressource, dem Wasser. Durch die massenhafte Ausbringung von Gülle in der Landwirtschaft wird in einigen EU-Ländern, insbesondere Deutschland, der Nitratwert von 50mg/l immer wieder überschritten. Die Verseuchung des Grundwassers mit Nitrat durch Verstöße gegen die EU-Richtlinien stellt nicht nur ein Gesundheitsrisiko für Menschen dar, sondern schädigt auch Gewässer und Tiere durch die Umwandlung zu giftigem Nitrit. Deshalb fordern wir eine strengere Kontrolle zur Gewährleistung der Einhaltung der Nitratwerte durch die EU Kommission. Die Farm-to-Fork Strategie der EU-Kommission zielt auf die Förderung und den Ausbau einer ökologischen Landwirtschaft ab und will bis 2030 ein Viertel des EU Ackerlandes für die ökologische Landwirtschaft nutzen. Dies trägt weiter zur Senkung der Nitratwerte bei, da weniger Gülle ausgebracht werden muss und wirkt sich somit positiv auf die Umwelt aus. Bereits 2006 wurde der “Aktionsplan der Europäischen Union zur Stärkung der Biodiversität” verabschiedet, um eine Vielfalt der Ökosysteme zu garantieren, vom Aussterben bedrohte Tierarten zu schützen und die genetische Vielfalt aller Lebewesen zu sichern. Jedoch kommt es aufgrund von durch den Menschen verursachten Umweltzerstörungen,-verschmutzungen und -schäden zu einem stark beschleunigten Biodiversitätsverlust, der das Aussterben von zahlreichen Tierarten, Entwaldung und Abnahme der Fischbestände bewirkt.
Dadurch sind für die Arzneigewinnung wichtige Pflanzen und Wasserorganismen, die entscheidend zur Lebensmittelsicherung beitragen, bedroht. Außerdem kann die natürliche Bodenfruchtbarkeit, die bei dem Problem der Überdüngung der Böden, Abhilfe schaffen könnte, nicht erhöht werden.
Nachhaltige Mobilität
Aufgrund des steigenden Bedarfs an Personen- und Güterverkehr brauchen wir in Europa Mobilitätslösungen, die unsere Umwelt schützen, eine schnelle, einfache sowie komfortable Verbindung schaffen und für jeden Menschen erschwinglich sind. Eine freie europäische Mobilität ist für die JEF Deutschland eine der Kernerrungenschaften der EU und muss unbedingt für gegenwärtige und zukünftige Generationen bewahrt, nachhaltiger gestaltet und ausgebaut werden. Unter den zunehmenden technologischen Möglichkeiten können besonders im Bereich Mobilität und Verkehr gegenwärtig hohe Klimaemissionen eingespart werden. Der Verkehr im urbanen Raum ist beispielsweise häufig geprägt durch einen geringen Verkehrsfluss und muss effizienter und nachhaltiger gestaltet werden. Hierzu bedarf es ein Mobility-as-a-Service-Konzept (MaaS), um Individualverkehr mit öffentlichen Transportmitteln deutlich stärker zu verbinden. Wir benötigen eine öffentliche, europäische Plattform, welche grenzüberschreitende und nachhaltige Mobilität unterstützt, indem sie Transportmöglichkeiten und Verkehrsverbünde miteinander verknüpft. Zusätzlich dazu müssen bestehende Netze nachhaltiger Mobilität ausgebaut werden, um im europäischen Raum Anreize für den Umstieg von Flugverkehr auf nachhaltige Mobilität zu schaffen. Dafür braucht es bessere Zugverbindungen zwischen den großen Städten der EU, die erneute Etablierung von Nachtzügen, ein konkurrenzfähiges Güternetz und die Förderung neuer Strecken genauso wie die Förderung von Fahrradstraßen in Städten sowie in Grenzregionen.
Wir können dabei viel voneinander lernen und müssen eine Plattform etablieren, die einen Austausch von Best Practices ermöglicht.
Die JEF Deutschland fordert die europäischen Institutionen, die EU- Mitgliedstaaten und die Bundesregierung dazu auf,
- sich langfristig für einen jegliche Sektoren umfassenden europäischen Emissionshandel einzusetzen und insbesondere die Sektoren Mobilität, Seeverkehr und Wärme weit vor 2030 zu inkludieren,
- durch eine stetig zunehmende Begrenzung der CO2-Zertifikate, Anreize zur Investition in nachhaltige Zukunftstechnologien zu schaffen,
- schnellstmöglich Grenzausgleichsmaßnahmen einzuführen, um die
Abwanderung von Industriezweigen in Länder mit geringeren Klimaschutzstandards zu verhindern und gleichzeitig internationale Anreize zu ambitionierterem Klimaschutz zu kreieren, - innerhalb der international Schifffahrtsorganisation weiter auf die Einführung von Verboten von bestimmten klimaschädlichen Kraftstoffen und der Reduzierung von Emissionen hinzuarbeiten und klimafreundliche Schiffskraftstoffe und Technologien zu födern,
- eine nachhaltige europäische Energiewende voranzutreiben und die dafür notwendige Infrastruktur wie eine europäische Wasserstoffwirtschaft und stärker integrierte Stromnetze aufzubauen,
- einen geeinten europäischen Energiemarkt zu schaffen und eine stärkere Integration der Standards zu forcieren,
- nur noch klimaneutrale Projekte zu subventionieren und dem Europäischen Parlament eine stärkere Kontrolle bei der Fördermittelvergabe einzuräumen,
- den Anteil der kreislauforientiert verwendeten Materialien in den kommenden 10 Jahren auf mindestens 50% zu steigern,
- für eine substantielle Reduktion der Müllexporte ins EU-Ausland zu sorgen,
- eine einheitliche Abfallwirtschaft und einheitliche Recyclingvorschriften zu schaffen,
- eine präsente, einheitliche Kennzeichnung von Produkten einzuführen, um eine höhere Sichtbarkeit von nachhaltigen Herstellungsweisen zu gewährleisten,
- die EU-Grundwasserrichtlinie (GWRL) und der Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen einzuhalten und die Einhaltung des Nitratwerts von 50mg/l strenger zu kontrollieren,
- tiergerechte Haltung zu subventionieren, Massentierhaltung zu reduzieren und die EU-Düngeverordnung zu verschärfen,
- die EU Biodiversitätsstrategie und den dazugehörigen Aktionsplan zu implementieren, spezielle Schutzbezirke zur Bienenzucht auszuweiten und zu vergrößern und die Lebensmittelsicherheit durch Umsetzung der “From- Farm-to-Fork”- Strategie zu stärken,
- ein MaaS (Mobility as a Service)-Konzept einzuführen, das den Verbraucher bzw. die Verbraucherin durch eine öffentliche, europäische Plattform bei einer schnellen, klimafreundlichen sowie grenzüberschreitenden Mobilität unterstützt und Verkehrsverbünde und Transportmöglichkeiten abbildet und verknüpft, wobei insbesondere neue grenzübergreifende Verkehrsstrukturen zu fördern sind,
- einen besseren Austausch bezüglich Best-Practice zwischen den Ländern anzustreben und eine europäische Plattform auf Basis eines Open-Data- Ansatzes zu schaffen, die den Austausch von Daten, das Lernen voneinander und somit den Aufbau einer effizienten und nachhaltigen öffentlichen Infrastruktur fördert,
- die Eingliederung von mehr Sprinterzügen zwischen den großen europäischen Städten sowie die Förderung bestehender Nachtzugverbindungen und neuer Verbindungen innerhalb Europas voranzutreiben,
- ein leistungsstarkes europäisches Güternetz aufzubauen,
- und Fahrradstraßen in europäischen Städten und insbesondere in Grenzregionen aufzubauen und zu fördern.