Bundesausschuss, 02. Juli 2022
Digitale Grundrechte wahren – keine Chatkontrollen in Europa!
Beschluss im Wortlaut:
Im Mai 2022 hat die Europäische Kommission ihre Pläne vorgestellt, besser gegen die Verbreitung und Nutzung kinderpornografischen Materials im Internet vorzugehen. Herzstück dessen sollen die sogenannten „Chatkontrollen“ werden. Dabei soll die Kommunikation über Messenger-Dienste automatisiert auf verdächtige Inhalte hin untersucht und bei einem Verdachtsfall an entsprechende Behörden weitergeleitet werden.
Die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland lehnen dies als Eingriff in das digitale Briefgeheimnis entschieden ab. Das verfolgte Ziel einer besseren Bekämpfung von Kindesmissbrauch auch in der digitalen Welt ist natürlich zu unterstützen. Allerdings halten wir die vorgeschlagenen Maßnahmen weder für verhältnismäßig noch geeignet, dies zu leisten.
Mit der Einführung von Chatkontrollen würde die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, mit der sichergestellt wird, dass niemand von außen die Kommunikation über Messenger-Dienste lesen kann, de Facto abgeschafft. Chatkontrollen müssten, damit sie überhaupt wirkungsvoll sind, die Anbieter von Messenger-Diensten dazu zwingen, Bilder und Videos aus privater Kommunikation auszuwerten. Da auch das sogenannte Cyber-Grooming, also die Annäherung von Erwachsenen an Minderjährige, davon eingeschlossen sein soll, würde zwangsläufig auch die Kommunikation mit Wort- und Sprachnachrichten davon betroffen sein müssen. Das würde ein ganz erhebliches Missbrauchspotential mit sich bringen und auch die freie Kommunikation unschuldiger Personen stark beeinträchtigen. Durch das Gefühl des Überwacht-werdens würden auch die Meinungs- und Pressefreiheit in der EU leiden.
Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Maßnahme auch nicht geeignet ist, das erklärte Ziel einer besseren Verfolgung von kinderpornografischem Material in der EU sicherzustellen. Potentiell Straffällige werden andere Wege zur Verbreitung finden, zum Beispiel über Foren oder Plattformen. Stattdessen werden Polizei und Staatsanwaltschaften damit überfordert sein, Wellen von falschen Meldungen auf potentielle Strafbarkeit hin zu untersuchen und dadurch wichtige Ressourcen im Kampf gegen tatsächliche Kinderpornografie verlieren. Denn die Technologie kann zum Beispiel nicht zuverlässig unterscheiden, ob ein Urlaubsbild der Enkelkinder vom Strand an die Großeltern geschickt wird oder ob es sich wirklich um kinderpornografisches Material handelt. Dadurch entsteht auch die Gefahr von falschen Verdächtigungen mit allen Folgen, die dies haben kann.
Die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland fordern deshalb:
- Den sofortigen Stopp des Verfahrens zur Einführung von Chatkontrollen auf europäischer Ebene.
- Ein EU-weit garantiertes Recht auf Verschlüsselung privater Kommunikation.
- Zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch die Umsetzung der Maßnahmen, die in unserem Beschluss “Für europaweiten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt” vom 04.12.2021 vorgesehen sind.