1. Bundesausschuss 2016 in Brüssel, 08.04.16

Die Politische Union ist nicht verhandelbar

Beschluss im Wortlaut:

Voraussichtlich am 23. Juni 2016 wird das britische Volk über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union abstimmen.

Dazu stellen die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland fest: Die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschlands befürworten einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union. Großbritannien ist durch seine demokratische Tradition, durch seine wirtschaftliche Stärke und als Anker der transatlantischen Beziehungen ein wichtiger Mitgliedstaat der EU.

Der Austritt eines Staates könnte eine nicht wünschenswerte Kettenreaktion weiterer Austritte auslösen oder weitere Verhandlungen nach sich ziehen; Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft von Einzelstaaten, die sich bei ihrer Gründung zu den vier Grundfreiheiten der Arbeitnehmerfreizügigkeit, des freien Verkehrs von Waren, Kapital und Dienstleistungen als Grundlage ihres Zusammenschlusses bekannt haben.

Es gibt bereits jetzt für einige Staaten der Europäischen Union, wie Dänemark und Großbritannien, Ausnahmen (sogenannte „Opt-outs“) zu dieser Regel, die z.B. die eigentlich obligatorische Übernahme der Gemeinschaftswährung des Euro betreffen oder auch den uneingeschränkt freien Verkehr von Personen. Umgekehrt gilt jedoch, dass jeder Nicht-EU-Staat unter Verzicht auf seine Mitwirkungsrechte an jedem Integrationsschritt teilnehmen kann, und dass zukünftige Integrationsschritte offen für die spätere Mitwirkung einzelner Mitgliedstaaten sein müssen.

Wir bekennen uns nachdrücklich zum Ziel, die jetzige Europäische Union im Rahmen einer vollständigen Politischen Union zu einem europäischen föderalen Bundesstaat weiterzuentwickeln und lehnen daher nationale Sonderregeln in den Bereichen der vier Grundfreiheiten ab – das Ziel des Lissabon Vertrags, die Union zu einer „ever closer union“ weiterzuentwickeln ist für uns nicht verhandelbar.

Die Europäische Union befindet sich in ihrer schwersten Krise seit ihrer Gründung – die Ankündigung eines Referendums durch den britischen Premierminister Cameron über den Verbleib Großbritanniens in der Union und die gleichzeitige Forderung nach fundamentalen Vertragsänderungen zugunsten eines Landes während dieser Krise verurteilen wir als Erpressung der übrigen 27 Mitgliedsstaaten.

Einem Mitgliedsstaat zuzugestehen, die vier Grundfreiheiten (weiter) anzutasten oder das Ziel der „ever closer union“ aufzugeben bedeutet eine fundamentale Änderung des bisherigen europäischen Einigungsprozesses, die wir nicht nur, aber insbesondere unter diesen Umständen ablehnen. Die notwendige Debatte über die Frage wie die Union mit Staaten umgeht, die entgegen ihrer im Lissabon-Vertrag freiwillig eingegangenen Selbstverpflichtung nicht mehr (oder in geringerem Maße) bereit sind, auf dem Weg der politischen Union voranzuschreiten, wird durch das Referendum nicht beantwortet – ein schlichtes “für” oder “gegen” den Brexit wird der Tragweite des Problems nicht gerecht.

Die Jungen Europäischen Föderalisten fordern deshalb:
Sollten die übrigen 27 Mitgliedsstaaten zu dem Entschluss kommen, dass Großbritannien nach dem Referendum am 23. Juni 2016 jene Zugeständnisse gemacht werden, die die Staats- und Regierungschefs am 19. Februar 2016 beschlossen haben, so muss unverzüglich ein Beratungsprozess darüber in Gang gesetzt werden, wie jene Staaten die Möglichkeit erhalten, den Integrationsprozess hin zu einer Politischen Union fortzusetzen, ohne durch Mitgliedsstaaten wie Großbritannien daran gehindert zu werden. Ein “Europa der zwei Geschwindigkeiten” wäre sodann als Integrationsalternative sehr ernstlich zu erwägen.

Notwendige Vertragsänderungen müssen auf der Grundlage konstruktiver Verhandlungen geschehen und dürfen nicht unter derartigem Druck erzwungen werden.
Es dürfen keine weiteren Ausnahmen für einzelne Mitgliedstaaten hinzukommen und die Europäische Kommission sollte darauf drängen, bestehende Ausnahmen in der Zukunft abzubauen. Es müssen die gleichen Regeln und Anforderungen für alle Mitgliedstaaten gelten.
Staaten, die – freiwillig – nicht Teil eines Integrationsschrittes sind (z.B. der Eurozone) dürfen keine Mitsprache bei der Fortentwicklung dieses Integrationsschrittes haben – es gilt das Prinzip: Wer nicht mitmacht, darf auch nicht mitbestimmen.

Zusammenfassend erklären die Jungen Europäischen Föderalisten:

Wir wollen, dass Großbritannien Mitglied der Europäischen Union bleibt. Gleichzeitig bietet das anstehende Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union keine konstruktive Wahlalternative. Weder befürworten wir den Austritt eines Mitgliedsstaates, noch können wir jene Zugeständnisse gutheißen, die von der Europäischen Kommission und den Staats- und Regierungschefs der übrigen 27 Mitgliedsstaaten in Aussicht gestellt und quasi präjudiziert sind, falls sich das britische Volk für den Verbleib in der Union entscheidet.

jefwpDie Politische Union ist nicht verhandelbar