Bundeskongress, 05.10.24
POSITIONIERUNG DER JEF DEUTSCHLAND ZUM PAKT ZU ASYL UND MIGRATION
Beschluss im Wortlaut:
Als überparteilicher Jugendverband, der sich für ein offenes, werteorientiertes und tolerantes Europa einsetzt, möchten wir erneut unsere ausdrückliche Besorgnis über die menschenrechtliche Lage an den EU-Außengrenzen zum Ausdruck bringen. Der Umgang der Europäischen Union mit geflüchteten Menschen entspricht nicht unserem Anspruch an ein Europa, das dafür steht, nationalstaatliche Grenzen zu überwinden und sich für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Dieses Missverhältnis, zu dem wir bereits bei unserem letzten Bundeskongress Stellung genommen haben[1], kommt insbesondere in dem im April vom Europäischen Parlament beschlossenen Pakt zu Asyl und Migration zum Ausdruck.
Fakt ist, dass Migration eine Normalität und eine kulturelle sowie wirtschaftliche Bereicherung der Europäischen Union ist[2]. Trotz dieser Erkenntnis erklären die Kommission, die Regierungen in den Mitgliedstaaten und eine Mehrheit des Europäischen Parlaments seit Jahren nicht die unübersehbaren Defizite des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, sondern die geflüchteten Menschen selbst zum Problem. Anstatt eine funktionsfähige Alternative zum Dublin-Verfahren zu beschließen, werden immer größere Anstrengungen unternommen, die Einreise für schutzsuchende Menschen unverhältnismäßig zu erschweren und somit Asylgesuche an oftmals lebensgefährliche Fluchtrouten koppelt.
Insbesondere möchten wir als JEF Deutschland unsere klare Positionierung zu folgenden Punkten des Pakts zu Asyl und Migration zum Ausdruck bringen:
- Jeder Mensch hat ein Recht auf ein individuelles, faires und menschenwürdiges Asylverfahren. Das neue verpflichtende „Grenzverfahren“ sieht die Internierung von Menschen aus bestimmten Herkunftsstaaten, darunter Familien mit Kindern, in haftähnlichen Zuständen an der Außengrenze und die Durchführung eines Asylverfahrens in zwölf Wochen vor. Dies widerspricht diesem fundamentalen Recht zutiefst. Insbesondere verurteilen wir auch die mögliche Ausweitung des Grenzverfahrens auf Asylsuchende aller Nationalitäten in Krisenfällen sowie das Fehlen einer rechtlichen Möglichkeit, sich gegen die Einstufung in das Grenzverfahren zu wehren.
- Wir begrüßen den Ansatz, dass nicht nur die Ankunftsländer, sondern alle Mitgliedstaaten der EU Verantwortung für Asylsuchende übernehmen sollen. Eine nachhaltige Lösung muss jedoch der angespannten Lage an den EU-Außengrenzen Rechnung tragen und echte Solidarität mit Geflüchteten und den Ankunftsstaaten zum Ausdruck bringen. Dies kann nicht gewährleistet werden, wenn Mitgliedstaaten sich durch Investitionen in besseren Grenzschutz von der Aufnahme Asylsuchender freikaufen können und das Dubliner Prinzip beibehalten wird, wonach der Erstankunftsstaat grundsätzlich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig bleibt. Auch die Mindestzahl von 30.000 Übernahmen von Geflüchteten pro Jahr trägt der angespannten Lage an den Außengrenzen nicht ausreichend Rechnung.
- Die Lockerung der Kriterien für sogenannte sichere Drittstaaten und das Fehlen von konkreten Kriterien für Staaten, in die Geflüchtete abgeschoben werden dürfen, verurteilen wir aufs Schärfste. Anstatt zu prüfen, ob legitime Gründe vorliegen, einen Flüchtlingsschutz zu gewähren, werden Menschen in Staaten abgeschoben, in die ihre Sicherheit nicht gewährleistet ist. Dies unterminiert den Schutzanspruch von Verfolgten.
- Die Aufnahme von Millionen schutzsuchender Menschen aus der Ukraine hat gezeigt, dass die EU dazu in der Lage ist, würdig, effektiv und solidarisch mit geflüchteten Menschen umzugehen. Wir fordern den gleichen politischen Willen auch für die Aufnahme von Menschen aus allen anderen Teilen der Welt. Ethnische Kriterien dürfen hier keine Rolle spielen.
- Die Ideale eines vereinten Europas machen nicht an unseren Außengrenzen halt. Die Fortschritte, die wir im Bereich der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für die europäischen Bürger:innen erreicht haben, sind nur dann nachhaltig und glaubhaft, wenn sie inklusiv und konsequent umgesetzt werden. Eine Abschottung der EU nach Innen wie nach Außen hin verurteilen wir aufs Schärfste.
- Wir fordern ein Europa, das sich auch international für Demokratie und die Wahrung von Menschenrechten einsetzt. Dies kann nur dann glaubhaft geschehen, wenn die EU bereit ist, ihre moralischen Standards selbst umzusetzen. Die aktuelle europäische Grenzpolitik beschädigt nicht nur die internationale Integrität und Glaubwürdigkeit Europas, sondern wird auf Kosten huminatärer Mindeststandards für schutzsuchende Menschen betrieben.
- Als JEF Deutschland stehen wir für die Vision eines geeinten Europa, das für alle Menschen offen ist und in dem die Rechte aller Menschen, egal ob Unionsbürger:innen oder nicht, gleichermaßen geachtet und geschützt werden.
[1]https://www.jef.de/dokumente/fuer-menschenrechte-und-sicherheit-an-europas-aussengrenzen/
[2]https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:85ff8b4f-ff13-11ea-b44f-